(Pressemitteilung vom 12. 05. 2006)
KREIS GROSS-GERAU / STADT MAINZ - Scharfe Kritik an der geplanten Novellierung des Fluglärmgesetzes übt die Initiative "Zukunft Rhein-Main" (ZRM). "Sollte der vorliegende Entwurf unverändert verabschiedet werden, erhalten weder die Betreiber von Flughäfen Planungssicherheit, noch wird das berechtigte Schutzbedürfnis der Anwohner vor Fluglärm berücksichtigt", erklärten die beiden Sprecher der Initiative, Landrat Enno Siehr (Groß-Gerau) und Oberbürgermeister Jens Beutel (Mainz). In einem Schreiben an die SPD-Bundestagsfraktion, die am 15. Mai eine Expertenanhörung zu diesem Thema durchführt, fordern die in der Initiative zusammengeschlossenen Kommunen, Verbände und Bürgerinitiativen Korrekturen insbesondere in fünf zentralen Punkten der geplanten Novelle.
So seien etwa die vom neuen Gesetz vorgesehenen Grenzwerte bei weitem nicht ausreichend: "Der Schutz der Bevölkerung in der Umgebung von Flughäfen wird im Vergleich zur gegenwärtigen Situation nicht verbessert", konstatieren Beutel und Siehr. Höchstrichterliche Entscheidungen und Auflagen in abgeschlossenen Planfeststellungsverfahren seien schon heute weit reichender als die im Gesetzentwurf beschriebenen Standards: "Würde das Gesetz in der vorliegenden Form verabschiedet, würde diesen Anordnungen möglicherweise die Grundlage entzogen."
Zudem würden die strengeren Grenzwerte erst ab dem Jahr 2011 in Kraft treten. Für bereits vorher planfestgestellte Projekte bestehe keine Verpflichtung, diese Werte nachträglich zu erreichen. "Zukunft Rhein-Main" verweist in diesem Zusammenhang auf andere Bereiche des Umweltrechts: Hier sei es üblich, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt - gegebenenfalls mit entsprechenden Übergangsfristen - Grenzwerte auch für bereits vorher bestehende Anlagen gelten. Deshalb müssten die vom Gesetzentwurf ab 2011 vorgesehenen Werte auch von Flughäfen eingehalten werden, für die vor diesem Zeitpunkt ein Planfeststellungsbeschluss erlassen wird: "Eine auf Dauer unterschiedliche Behandlung des emittierten Fluglärms ist durch nichts zu rechtfertigen!"
Im Bereich des Schallschutzes besteht nach Auffassung der Initiative die Gefahr, dass bei künftigen Ausbauverfahren lediglich passive Schallschutzmaßnahmen (z.B. isolierte und belüftete Fenster) gefordert werden - auf einen aktiven Schallschutz, wie zum Beispiel ein Flugverbot in den Nachtstunden, jedoch verzichtet werden könnte. Dies stelle einen dramatischen Rückschritt dar, zumal selbst im Mediationsverfahren zum Flughafenausbau ein solcher Schutz zumindest für die Zeit zwischen 23 Uhr und 5 Uhr vereinbart worden sei.
Die vorgesehene zeitliche Streckung von Entschädigungszahlungen auf bis zu zehn Jahre beeinträchtige zugleich vor allem die bereits jetzt von Fluglärm stark betroffenen Flughafenanwohner. Mit einem geringen Aufschlag auf die Ticketpreise in Höhe von rund einem Euro kann nach Auffassung von ZRM passiver Schallschutz früher und effektiver realisiert werden.
Noch der Entwurf zum Fluglärmgesetz aus dem Jahr 2004 habe vorgesehen, dass ein Anspruch auf Schallschutz auch dann bestehe, wenn Anwohner nur an bestimmten Tagen und bei bestimmten Wetterlagen unter Fluglärm leiden. Die jetzt vorgesehene Regelung habe hingegen zur Folge, dass Anlieger keinen Anspruch auf Schallschutz hätten, wenn sie im Mittel der sechs verkehrsreichsten Monate unter den entsprechenden Lärm-Grenzwerten liegen. "Dies stellt eine gravierende Verzerrung der tatsächlichen Belastungssituation dar", erläutern Landrat Siehr und Oberbürgermeister Beutel in ihrem Schreiben, und verweisen dabei auf Regelungen in anderen Rechtsbereichen: "Schließlich sind beispielsweise Anlieger von Biergärten nicht etwa deshalb ungeschützt, weil diese nur sechs Monate im Jahr geöffnet haben!" Deshalb fordern die Flughafenanlieger, dass ein Anspruch auf Schallschutz schon dann entstehen soll, wenn die Grenzwerte in einem einzigen Monat überschritten werden.
Insgesamt, so Jens Beutel und Enno Siehr, könne der Entwurf keinesfalls unverändert bleiben. Er berücksichtige einerseits die Belange der Betroffenen nur höchst ungenügend und führe andererseits zu gravierenden Ungleichbehandlungen. Der gegenwärtige Entwurf sei für die vom Fluglärm Betroffenen so eklatant nachteilig, dass sogar ein Verzicht auf ein Fluglärmgesetz vorteilhafter erscheine: "Im Sinne von bundeseinheitlichen Regelungen kann dies aber wohl kaum das Ziel des Gesetzgebers sein!"