"Ausbau auf Biegen und Brechen - rechtsstaatliches Verfahren ad absurdum geführt"
Die Störfallkommission des Bundes hat am heutigen Tage die Unvereinbarkeit der geplanten Nordwest-Landebahn sowie des Ticona-Chemiewerkes in unmittelbarer Nachbarschaft attestiert. Die erwartete Störfallhäufigkeit durch einen Flugzeugabsturz sowie der "damit verbundene Schadensumfang" führe zu einem "nicht akzeptablen Risiko", so die Kommission in ihrer eindeutigen Bewertung. Sie sprach sich damit dezidiert gegen die bisherigen Pläne zum Ausbau des Flughafens aus.
"Zugleich hat die Störfallkommission die Planung der Landebahn als der Zielsetzung der Seveso-II-Richtlinien widersprechend eingestuft", erwarten die Sprecher der ZRM nunmehr zugleich die Beanstandung der Baugenehmigung seitens der EU-Kommission als zwingende Folge.
Die Initiative "Zukunft Rhein-Main" (ZRM) sieht überdies in den aktuellen Ausführungen des hessischen Ministerpräsidenten zur etwaigen Totalverlagerung des an den Flughafen grenzenden Chemiewerkes Ticona aus Gründen der übergeordneten Bedeutung der von der FRAPORT beantragten Nordwest-Landebahn nun die Stunde der Wahrheit gekommen: "Koch hat offenbart, wes Geistes Kind er ist. Eine neutrale Entscheidung unter Einbeziehung und Gewichtung etwaiger Sicherheitsbedenken zum geplanten Ausbau war nie wirklich gegeben - die Nordwestbahn wurde bereits im Raumordnungsverfahren klar präferiert und forciert. Nun folgt Kapitel zwei: Koch wollte das Votum der Störfallkommission erst gar nicht abwarten, sondern griff dem Ergebnis vor. Damit offenbart er nicht nur seine Geringschätzung der Entscheidung und Wertigkeit dieses Gremiums, sondern führt vor Augen, dass er die Landebahn mit allen Mitteln, notfalls nun offenkundig mit der Brechstange Enteignung, realisieren will", zeigen sich die Sprecher der Aktion "Zukunft Rhein Main", in ihrer Ansicht bestärkt. Ob diese Vorgehensweise auch juristisch Bestand habe, werde sich vor Gericht zeigen.
Insgesamt, so die ZRM, werde sich in den kommenden Wochen das Wegbrechen der Unterstützerfront für die geplante Landebahn offenbaren - erste Signale seien bereits erkennbar.
Nun stelle sich die Frage, ob Ticona weichen müsse oder ob Aspekte wie Bestandschutz eines privaten Unternehmens, Schutz von Privateigentum, Arbeitsplätze im Vergleich zur Realisierung der NW-Bahn nur drittrangig seien: "Es klingt schon absurd, wenn im Vorfeld die Prüfung von Sicherheitsbelangen vernachlässigt wurde, die Störfallkommission nun die Unvereinbarkeit attestiert - und als Schluss hieraus das seit langen Jahren bestehende Werk mit 1000 Arbeitsplätzen weichen muss. Die Arbeitsplätze wandern unweigerlich gen Asien. Warum Arbeitsplätze als stetes Argument für den Ausbau dienen - vor Ort aber erst einmal 1000 Arbeitsplätze vernichtet werden, dies muss sich einem erst einmal erschließen."
Es stellten sich der ZRM zufolge aufgrund der zwiespältigen Erfahrungen einmal mehr elementare Zweifel an der generellen Rechtstaatlichkeit des gesamten Ausbauverfahrens. Dieser Schritt in einer politisch offenkundig längst fixierten Grundsatzentscheidung für die Nordwestbahn - stets erklärtes Ziel des Ministerpräsidenten und zugleich vom für die Verfahrensentscheidung zuständigen Wirtschaftsminister Alois Rhiel in jüngster Zeit wenig neutral in vorauseilendem Gehorsam höflich sekundiert - sei eine weitere "Sternstunde" des gesamten Verfahrens:
Koch setze dem bislang in der Erörterung Erlebten - mehr als fragwürdigen, beschämenden Vorgehen - nun endgültig die Krone auf.
Von einem rechtstaatlichen Verfahren mit der objektiven Möglichkeit der Einflussnahme durch Einwendungen privater Personen oder Träger öffentlicher Belange könne weiterhin kaum die Rede sein, so die Sprecher der ZRM.
Die ZRM sieht das Themenfeld Sicherheitsproblematik durch das Votum der Kommission und einer möglichen Abwanderung von Ticona nicht annähernd bewältigt: "Ticona war ein Mosaikstein in einem großen Ganzen, zu dem wir Bedenken vorgebracht haben. Selbst wenn Ticona verlagert würde, sind weitere neuralgische Sicherheitsaspekte ungeklärt: der Ölhafen, das Caltex-Center mit rund 10.000 Arbeitsplätzen, die Vogelschlag-Problematik.“
Es bleibe dabei: Der Ausbau sei inmitten des dicht besiedelten Rhein-Main-Gebietes aus Sicherheitsaspekten nicht darstellbar. Die FRAPORT bleibe nachdrücklich aufgefordert, die Planungsunterlagen zurück zu ziehen und endlich intelligente Verkehrskonzepte zu verfolgen, die zahlreichen Kurzstreckenflüge auf die Schiene zu verlagern und auf diesem Wege wichtige freie Kapazitäten zu schaffen, statt weiterhin stoisch den Weg mit dem Kopf durch die Wand zu wählen.
Absturz-Gefahr Gefahren durch Flughafenausbau FRA Ticona Koch, Roland (hessischer Ministerpäsident von 1999 bis 2010, …) ZRM-Pressemitteilungen Wirtschaftsministerium, hessisches Störfall-Kommission (SFK) Caltex-Gelände