Verzögerung der Ausbaupläne
Der Ausbau des Frankfurter Flughafens wird sich um mindestens 3 Jahre verzögern. Der hessische Wirtschaftsminister Alois Rhiel sagte heute auf einer Pressekonferenz, mit einem Planfeststellungsbeschluss sei erst im Jahr 2007 zu rechnen. Dieser Zeitpunkt sei ambitioniert und könne nur gehalten werden, wenn alle weiteren Schritte planmäßig griffen.
Als Gründe für die Verschiebung nannte Rhiel den erst im September 2003 und damit 21 Monate später als geplant von Fraport eingereichten Planfeststellungsantrag. Ein unerwarteter Flächenmehrbedarf von 117 ha, die Behinderung der ökologischen bestandaufnahme durch angrenzende Gemeinden und die Notwendigkeit weiterer Umweltverträglichkeitsstudien für das Raumordnungs- und das Planfeststellungsverfahren seien verantwortlich für die Verzögerung beim Antrag. Ein weiterer Verzögerungsgrund sei die Annahme von Fraport gewesen, dass die flugbetriebliche Sicherheit und das Absturzrisiko "mit der Beachtung des Regelwerkes über die Hindernisfreiheit in den An- und Abflugsektoren gewährleistet" sei - eine wolkige Umschreibung des Risikoproblems durch das Chemiewerk Ticona.
Geht man realistisch von einer Bauzeit von zweieinhalb Jahren aus, ist mit der Inbetriebnahme der Landebahn frühestens 2010 zu rechnen, statt wie ursprünglich erwartet für Frühjahr 2007.
Mehr: Pressemitteilung des Wirtschaftsministeriums
Zeitplan des Ministeriums
Erstmals gab das Ministerium auch eine eigene Abschätzung über den Zeitplan der Verfahren zum Flughafenausbau an.
Beim Landesentwicklungsplan (LEP) arbeite das Ministerium derzeit an einer Änderung, wobei es "durch Gesetz und Rechtsprechung unerlässlich sei, eine landesplanerische Abwägung aller drei Varianten sowie der Null-Variante vorzunehmen." Der Entwurf des neuen LEP soll im Herbst oder Winter 2004 dem Kabinett vorgelegt werden. In der ersten Hälfte des Jahres 2005 soll die Offenlegung und Anhörung dazu erfolgen. In der zweiten Jahreshälfte soll der neue LEP dann in Kraft gesetzt werden.
Beim Planfeststellungsverfahren rechnet das Ministerium mit folgendem Zeitplan:
2004, Herbst | Fraport reicht vollständige Planfeststellungsunterlagen ein | |
2005, 1. Quartal | Offenlage der Unterlagen in den Kommunen | |
2005, 4. Quartal | Beginn des Erörterungstermins | |
2006, 1. Quartal | Ende des Erörterungstermins | |
2006, 3. Quartal | Stellungnahme des RP Darmstadt zum Anhörungsverfahren | |
2007 | Planfeststellungsbeschluss |
Eine Abkürzung des Verfahrens hält Rhiel für nicht möglich: "Gründlichkeit und Verlässlichkeit gehen vor Schnelligkeit." Andernfalls könne durch entsprechende gerichtliche Entscheidungen die Arbeit vieler Jahre zunichte gemacht werden. Das wäre ein Risiko, das durch die Einsparungen einiger Wochen oder Monate keinesfalls zu rechtfertigen wäre, sagte Rhiel. Weiterhin betonte er, das Ergebnis sei grundsätzlich offen und müsse offen bleiben"
Erste Reaktionen
Fraport:
Ein Fraport-Sprecher erklärte, der von Landesregierung genannte Zeitplan schaffe Klarheit über den Fortgang des Investitionsvorhabens. Schon in der Vergangenheit seien zeitliche Verzögerungen nicht ausgeschlossen worden. Zwei Jahre nach dem Planfeststellungsbeschluss könne die neue Bahn in Betrieb genommen werden, bis dahin könne das zu erwartende Wachstum mit den bestehenden Kapazitäten bewältigt werden . Wichtiger sei das klare politische Bekenntnis zum Ausbau und seiner Unverzichtbarkeit für den Standort Deutschland.
Fraport Vorstandsvorsitzende Bender sagte in einem Interview mit RMTV, die Genehmigungsbehörde würde natürlich andere Varianten prüfen, aber Fraport halte an der Nordwestbahn fest: "Unser Antrag ist klar und wird durch die Ticona Diskussion nicht in Frage gestellt". Mit Ausnahme der Störfallkommission hielten alle anderen Gutachten Chemiewerk und Landebahn für vereinbar, so Bender weiter.
Lufthansa:
Die Lufthansa sieht die Verzögerung gelassen. Man rechne trotz der Verzögerungen nicht mit negativen Folgen für Wachstumspläne der Lufthansa, da das Unternehmen Ausweichkapazitäten in München aufgebaut habe. "Wir haben rechtzeitig die Weichen gestellt und mit München ein zweites, heute gleichberechtigtes Drehkreuz auf- und ausgebaut", sagte ein Konzernsprecher. Erst vorige Woche hatte Lufthansa-Vorstandsvorsitzender Wolfgang Mayrhuber den Münchener Flughafen als "Wachstumsoption" bezeichnet, sollte der Flughafenausbau in Frankfurt auf große Hindernisse stoßen.
Celanese / Ticona:
Ein Sprecher von Celanese lehnte eine Verlagerung des Werkes erneut ab: "Die Position des Unternehmens ist unverändert. Das Werk in Kelsterbach steht nicht zur Disposition". Der Ende Oktober in den Ruhestand gehende Konzernchef Claudio Sonder hatte kürzlich in einem Zeitungsinterview bereits betont: "Es gibt null Diskussion darüber, Ticona aus Kelsterbach wegzuverlagern."
Zukunft Rhein-Main:
Die Aktion Zukunft Rhein-Main wertete das Eingeständnis der Verzögerung als "große Chance für den Neubeginn einer Sachdiskussion über das gesamte Thema Flughafenausbau". "Wir rufen auf zu einem Wettbewerb der Ideen abseits eines Ausbaus in Beton!", sagten die Sprecher der Initiative, Enno Siehr, Jens Beutel und Ulrich Krebs. Dabei sollten endlich praktikable Kooperationsmodelle entwickelt werden. Einer Südbahn erteilte die Initiative eine Absage.
Mehr: Sachdiskussion über Flughafenausbau muss neu beginnen!
BUND:
Der BUND fordert den Stopp der Ausbaupläne: "Statt weiter jahrelang dem Ausbauwahn zu huldigen, sollte ab sofort die Zukunft des Rhein-Main-Gebietes mit dem bestehenden Flughafen ohne neue Landebahn geplant werden". Der von der Fraport geplante, schnelle Bau der neuen Landebahn scheitere an massiven Planungsfehlern des Unternehmens. Durch den Zeitverzug seien alle bisherigen Versprechungen der Fraport und der Landesregierung zur Entwicklung der Arbeitsplätze und der Luftfahrt am Frankfurter Flughafen hinfällig.
Mehr: Zeitplan des Flughafenausbaus gerissen!
Bündnis der Bürgerinitiaven:
Das Bündnis der Bürgerinitiativen zeigte sich zufrieden, dass man in Wiesbaden jetzt neu gründlicher über den Ausbau nachdenken müsse. Das Bündnis befürchtet jedoch, dass die versprochene Prüfung aller Varianten, einschlisslich der NUllvariante, nicht ernst gemeint sei. Dieser Weg führt nicht zu Planungssicherheit, sondern vor die Gerichte. Die Landesregierung müsse endlich einsehen, dass für noch mehr Flughafen im Kern der "Großstadt Rhein-Main" kein Platz sei.
Mehr: Nicht ernst gemeint
Bürgermeister:
Der Mainzer Oberbürgermeister Jens Beutel, sieht in der angekündigten Verzögerung nur eine Verschiebung des Problems: "Das Damokles-Schwert des Fluglärms am Himmel über der Rhein-Main-Region hängt nur etwas höher, aber es bedroht die Lebensqualität nach wie vor." Man werde unverändert am Kampf gegen den Ausbau in Beton und den wachsenden Fluglärm festhalten. Beutel forderte Fraport und Landesregierung auf, Alternativen zum Ausbau ernsthaft zu prüfen.
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Der Bürgermeister von Neu-Isenburg, Oliver Quilling zeigte sich von der Verzögerung nicht überrascht. Er sieht darin allerdings "noch keine Kehrtwende in der Diskussion über Sinn und Zweck einer Airport-Erweiterung".
Der Kelsterbacher Bürgermeister Erhard Engisch sah sich in seiner Einschätzung bestätigt und forderte eine neue ergebnisoffene Diskussion. Engisch wies auf weitere Störfallbetriebe in Kelsterbach hin. Er will auch künftig Risiken und Gefahren durch den Ausbau aufgreifen: "Langsam gehen einige unserer Tretminen hoch, wir haben noch mehr."
Bernhard Brehl, Bürgermeister von Mörfelden-Walldorf, meinte, die Nordwestbahn würde sich jetzt viel schwieriger realisieren lassem und alle Varianten seien nun wieder im Rennen. Die Südbahn sei nicht vom Tisch.
Der Flörsheimer Bürgermeister Ulrich Krebs freut sich: "Das ist die Quittung für eine Politik mit der Brechstange." Die Bevölkerung habe einen Anspruch darauf, dass Fragen zum Risiko durch Ticona abschließend geklärt würden.
Rüsselsheims Oberbürgermeister Stefan Gieltowski hält es für offensichtlich, dass nun alle Ausbauvarianten neu geprüft werden müssten, damit rücke auch die Null-Lösung, also der Nicht-Ausbau, wieder in den Blickpunkt. "Die Menschen der Region können neue Hoffnung schöpfen."
Der Darmstädter Oberbürgermeister Benz bezeichnete die Nordwestbahn als "einen Irrweg von Anfang an". Statt dessen forderte der den Bau einer Südbahn mit Schließung der Startbahn West.
Mehr: Darmstädter OB Benz fordert Südbahn
Politiker:
Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Margareta Wolf (Grüne), begrüßte den "Realismus" des Landes Hessen. "Die Zeit ist vorbei, die Störfallproblematik kleinzureden."
Jürgen Walter, Fraktionsvorsitzender der SPD im Hessischen Landtag, kritisierte handwerkliche Fehler der Landesregierung beim Ausbau-Projekt. "Die CDU hat mit dem Ausbau bis 2006 Wahlkampf gemacht. Jetzt müssten mindestens 40000 Menschen in Hessen mindestens 3 Jahre länger warten, einen Arbeitsplatz zu finden", sagte Walter in der Hessenschau.
Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Michael Boddenberg betonte, "oberstes Prinzip beim Ausbau des Frankfurter Flughafens bleibt, das Gründlichkeit vor Schnelligkeit geht". Der SPD warf er vor, sie solle lieber in der eigenen Partei um den "Jobmotot Flughafen" kämpfen und verwies auf den "beachtlichen Teil der Flughafen-Blockierer in der südhessischen SPD".
Der Fraktionsvorsitzende der FDP, Jörg-Uwe Hahn, zeigte Verständnis für die Verzögerung: "Besser die Bahn kommt zwei Jahre später, als gar nicht".
Frank Kaufmann, Parlamentarischer Geschäftsführer der der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN im Hessischen Landtag, meinte, es fehle nur noch ein kleiner gedanklicher Schritt, damit sich Roland Koch und Fraport von den unsinnigen und nicht realisierbaren Ausbauplänen verabschieden könnten."Schon mit der jetzt eingeräumten Zeitverzögerung sind alle Planungen und Annahmen Makulatur".
Der Fraktionsvorsitzende der FlughafenAusbauGegner (FAG) im Frankfurter Stadtparlament, Horst Schäfer, sagte: "Wir gehen davon aus, dass die Nordwest-Variante nicht zu halten ist."
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