Offener Brief an RP Dieke: 03. Januar 2005
Aktuelle Durchführung von Baumaßnahmen im FFH-Gebiet "Kelsterbacher Wald"
Sehr geehrter Herr Regierungspräsident Dieke,
wir haben Ihr Haus am 29.12.2004 davon unterrichtet, dass im FFH-Gebiet "Kelsterbacher Wald" umfangreiche Baumaßnahmen außerhalb des Umspannwerkes der RWE durchgeführt werden.
Zwischenzeitlich haben wir erfahren, dass diese Baumaßnahmen im Zusammenhang mit dem Ausbau des Frankfurter Flughafens erfolgen. Damit werden noch bevor das Genehmigungsverfahren zum Bau der neuen Landebahn für die Bevölkerung eröffnet wird, hier bereits vollendete Tatsachen geschaffen, um das Umspannwerk aus dem Bereich der geplanten Landebahn herauszulegen.
Die Baumaßnahme ist mit einem schweren Eingriff in das FFH-Gebiet "Kelsterbacher Wald" verbunden. Ein Abgleich mit der uns kürzlich freundlicherweise zugestellten Grunddatenerhebung zeigt, dass auch speziell geschützte FFH-Lebensräume bereits weggebaggert wurden. Ob das Vorhaben auch zur Zerstörung von Bannwald geführt hat, vermögen wir gegenwärtig nicht zu beurteilen.
Sie haben sicher Verständnis dafür, dass uns dieser Vorgang sehr erregt und wir heute mit diesem offenen Brief um die Beantwortung der nachfolgenden Fragen bitten müssen. Wir unterstellen dabei, dass Ihr Haus die Baumaßnahmen genehmigte. Sollte dies nicht der Fall sein, erwarten wir, dass umgehend ein Baustopp erlassen wird.
Im Einzelnen:
- Bauvorhaben, die mit Eingriffen in Natur und Landschaft verbunden sind, bedürfen der Genehmigung. Die Genehmigung darf nur erfolgen, wenn die für die Durchführung des Vorhabens sprechenden Gründe Vorrang vor den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege haben.
1a) Wann und von wem wurde der Antrag für die o.g. Baumaßnahme gestellt?
1b) Wie wurde der Antrag begründet und welche Nutzung ist für das bestehende Umspannwerk vorgesehen?
1c) Auf welcher Rechtsgrundlage wurde die Genehmigung erteilt? - Haben Sie hausintern die Obere Naturschutzbehörde und den Naturschutzbeirat an dem Verfahren beteiligt?
1d) Wurde für das Verfahren die gesetzlich geforderte FFH-Verträglichkeitsprüfung durchgeführt und falls ja, können Sie uns diese zusammen mit der Entscheidung Ihres Hauses überlassen?
1e) Welche Alternativstandorte für das Bauvorhaben wurden gem. Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie untersucht? - Warum musste die Maßnahme trotz der erheblichen Beeinträchtigung zwingend innerhalb des FFH-Gebietes durchgeführt werden? - Falls keine FFH-Verträglichkeitsprüfung durchgeführt wurde, ist die Genehmigung rechtsfehlerhaft ergangen. Es läge ein Verstoß gegen das Europäische Naturschutzrecht vor.
2a) Welche Konsequenzen hätte ein objektiver Rechtsverstoß gegen die FFH-Richtlinie für das Land Hessen in finanzieller oder sonstiger Hinsicht?
2b) Welche Konsequenzen würde ein solcher Rechtsverstoß für den Antragsteller haben?
2c) Welche Konsequenzen würden Sie aus einem objektiven Rechtsverstoß gegen das Europäische Naturschutzrecht für Ihr Haus ziehen? - Außerhalb des Umspannwerkes existieren im Baustellenbereich rechtlich geschützte Vegetationsbestände, darunter FFH-Lebensraumtypen. Innerhalb des Umspannwerkes existiert mit den "artenreichen Borstgrasrasen" ein prioritärer Lebensraumtyp gem. Anhang 1 der FFH-Richtlinie.
3a) Welchen Flächenumfang und welche Baulichkeiten sollen innerhalb des Umspannwerkes und außerhalb des Umspannwerkes errichtet werden?
3b) Welche FFH-Lebensraumtypen und welche FFH-Schutzgüter wurden durch das Bauvorhaben bereits zerstört und welche werden voraussichtlich bis zum Abschluss der Baumaßnahme zerstört und beeinträchtigt werden? - Welchen Flächenumfang werden diese Zerstörungen und Beeinträchtigungen in Anspruch nehmen? - Werden darüber hinaus auch gesetzlich geschützte Lebensräume nach dem Hessischen Naturschutzgesetz oder nach dem Bundesnaturschutzgesetz von der Baumaßnahme beeinträchtigt oder gar zerstört?
3c) Welche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nach nationalem Recht und welche Kohärenzmaßnahmen für die Beeinträchtigungen des FFH-Gebietes wurden in den Bescheid Ihrer Behörde aufgenommen?
3d) Welche Minimierungs- und Vermeidungsmaßnahmen wurden für gesetzlich geschützte Arten, wie z.B. den Hirschkäfer, die Blauflüglige Ödlandschrecke, die Zauneidechse, die Schlingnatter und die Haselmaus wurden von Ihrer Behörde erwogen und welche dieser Maßnahmen wurden im Bescheid festgesetzt?
3e) Wurden bei der Beurteilung des Vorhabens Fachgutachter oder Spezialisten z.B. aus dem Bezirksnaturschutzbeirat Ihrer Behörde hinzugezogen?
Ihrer Antwort sehen wir mit Interesse entgegen und verbleiben
mit freundlichen Grüßen
Brigitte Martin, Vorstandssprecherin
Dirk Teßmer, Vorstandssprecher
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