CDU und Grüne in Hessen haben sich im Verlauf der Koalitionsverhandlungen bei den umstrittenen Themen Flughafen und Fluglärm auf einen Kompromiss geeinigt. Dieser wurde auf einer Pressekonferenz über den aktuellen Verhandlungsstand dargestellt. Damit dürfte der schwarz-grünen Koalition in Hessen nichts mehr im Weg stehen. Ausbaugegner sind mit dem Ergebnis der Verhandlungen gar nicht zufrieden und fühlen sich von den Grünen verraten.
Der Flughafen-Kompromiss - was wurde vereinbart?
Beim Terminal 3 soll eine Bedarfsprüfung des Bauvorhabens erfolgen. Das Land Hessen als Miteigentümer soll sich dafür einsetzen, dass steigende Passagierzahlen so lange wie möglich mit den bestehenden Terminals bewältigt werden.
Dem aktiven Lärmschutz wird eine große Bedeutung beigemessen. Durch die abwechselnde Nutzung von Start- und Landebahnen sollen regelmäßige Lärmpausen von 7 Stunden in der Nacht erreicht werden. Wie das im Detail realisiert werden soll, ist noch nicht klar. Die genaue Regelung soll mit Fraport und DFS ausgearbeitet werden. Falls das Ziel nicht in angemessenen Zeit erreicht werden könne, behält man sich eine Änderung der Betriebsgenehmigung vor.
Für den Fluglärm sollen Lärmobergrenzen festgelegt werden, die unter den bislang für 2020 prognostizierten Werten (700000 Flugbewegungen). Es sollen alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, die ökonomisch vertretbar sind.
Auf Bundesebene will man sich für eine Novellierung des Fluglärmgesetzes einsetzen, um den Lärmschutz zu stärken.
Zum Flughafen Kassel-Calden wurde ebenfalls ein Kompromiss gefunden. Man will darauf hinwirken, dass sich auch private Gesellschafter am Flughafen beteiligen. Von der Flughafengesellschaft erwartet man, dass das (vom Land Hessen zu tragende) Defizit um mindestens 10% pro Jahr reduziert wird. Im Jahr 2017 soll die Entwicklung des Flughafens evaluiert und die Entwicklungsperspektive kritisch geprüft werden.
Den genauen Wortlaut der Ankündigungen kann man hier anhören:
Die Pläne - Fortschritt oder Mogelpackung?
Die vereinbarten Regelungen entsprechen im wesentlichen dem, was schon in den Sondierungsgesprächen vereinbart war. Angesichts der schon fortgeschrittenen Vorbereitungen für den Bau des Terminal 3 ist es sehr unwahrscheinlich, dass bei der Bedarfsprüfung für das Terminal etwas anderes herauskommt als das ohnehin von Fraport geplante Vorgehen (der erste Bauabschnitt soll spätestens im Jahr 2021 in Betrieb gehen). So dürfte maximal eine Verschiebung möglich sein.
Bei den "regelmäßigen Lärmpausen von 7 Stunden" durch abwechselnde Benutzung von Start- und Landebahnen dürfte es sich um eine Weiterentwicklung des jetzt schon angewendeten Verfahren "DROPS" handeln. Ob die Idee überhaupt technisch realisierbar ist, wird von Experten bezweifelt. Zum einen dürfen auf der Nordwestbahn nicht alle Flugzeugtypen landen, so dass man nicht den ganzen Verkehr nur über diese Bahn abwickeln kann. Beim Start ist es in der Stunde vor 23 Uhr schon jetzt eng, so dass fraglich ist, ob man auf dann ganz auf eine Startbahn verzichten kann. Doch selbst wenn man die Lärmpause realisieren kann, stellt dies nur eine Verschiebung dar: die Betroffenen haben immer für einen Tag eine Stunde mehr Ruhe als jetzt, am nächsten Tag dafür eine Stunde den doppelten Lärm. Dies ist vielleicht besser als gar nichts, aber natürlich längst nicht so gut wie ein echtes erweitertes Nachtflugverbot. Die angedrohte Änderung der Betriebsgenehmigung für den Fall des Scheitern einer freiwilligen Regelung steht erst einmal nur auf dem Papier, und das ist geduldig.
Nachtrag 18.12.2013: die Grünen haben in einer Antwort auf die Anfrage einer BI präzisiert, dass die Lärmpause für alle gelten soll: für die einen von 23-6 Uhr, für die anderen von 22-5 Uhr. Das dürfte noch schwieriger sein als die oben angenommene Lösung.
Bei den angestrebten Lärmobergrenzen geht es sicher nicht um die von Fluglärmgegnern geforderte Begrenzung der Zahl der Flugbewegungen, sondern eher um Prof. Wörners Lärmkontingent auf Basis des Frankfurter Fluglärmindex. Der Vorsitzende des "Forums Flughafen und Region (FFR)" hatte erst kürzlich auf einer Konferenz wieder die Idee einer "ökonomisch vertretbaren" Lärmobergrenze mit langfristig sinkenden Werten vorgetragen. Dabei soll der Lärm nicht über eine Grenze (z.B. maximal die für 700000 Flugbewegungen prognostizierten Werte) steigen, obwohl die Zahl der Flugbewegungen weiter zunimmt. Dies könnte durch eine Kombination von leiseren Flugzeugen, leiseren Flugverfahren und Lärmverteilung erreicht werden. Mit der Ausarbeitung einer solchen Lärmobergrenze hat das FFR gerade begonnen. Wie sie genau aussehen soll (für den ganzen Flughafen, für einzelne Flugrouten, für bestimmte Kommunen, ..?) und wie sie gehandhabt werden soll, steht derzeit in den Sternen.
Und bei den Aussagen bezüglich des Flughafens Kassel-Calden dürfte es sich um fromme Wünsche handeln - welcher private Investor wird sich an einem Flughafen beteiligen wollen, auf dem Starts und Landungen von Flugzeugen bisher eher seltene Ereignisse sind? Die Grünen hielten den Flughafen immer für eine Fehlinvestition, aber sie ist nun einmal da. Man kann nur noch den Schaden (für den Steuerzahler) minimieren.
Erste Reaktionen
Die Bürgerinitiativen zeigten sich sehr enttäuscht über die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen. Dabei trifft der Zorn vor allem die Grünen: "Die grünen Wähler haben das nicht verdient"(siehe Pressemitteilung des BBI). Deshalb soll am Samstag nächster Woche anlässlich der Mitgliederversammlung der Grünen zur Abstimmung über den Koalitionsvertrag demonstriert werden.
Kritik gab es auch aus Offenbach. Die Stadt werde sich durch den Koalitionsvertrag nicht von ihrem Forderungskatalog abbringen lassen. Die Fluglärmkommission sieht im Vertrag keinen grundlegenden Fortschritt.
Fraport erklärte sich bereit, am Ziel der 7-stündigen Lärmpausen mitzuwirken. Weitere Betriebseinschränkungen seien aber nicht akzeptabel. Ähnlich äußerte sich auch die IHK. Die hessischen Unternehmerverbände (VhU) warnten davor, den Planfeststellungsbeschluss aufzuweichen. Der Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft sprach sich gegen Lärmobergrenzen und weitere Betriebseinschränkungen aus, da dies massive Nachteile im internationalen Wettbewerb bedeuten würde.
- Pressemitteilung von Fraport vom 19.12.2013
- Pressemitteilung des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft vom 16.12.2013
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