Der Ballungsraum lockt immer mehr Wohnungssuchende an – doch im Umkreis des Flughafens ist der Hausbau gesetzlich verboten. Wie man diesen Konflikt entschärfen kann, war Thema einer Fachveranstaltung der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft Flughafen Frankfurt/Main (KAG).
Für den Vertreter der Fraport, Max Conrady, ist die Lösung einfach: Der Flughafen muss seine Nachbarn auf Abstand halten. Denn er brauche einen „bedarfsgerechten Ausbau“ mit 701 000 Flugbewegungen pro Jahr, sagt der Verantwortliche für den Terminalbetrieb. Conrady findet es „besorgniserregend“, dass immer mehr Menschen hierher ziehen. Seit 2011 wuchs die Bevölkerung in Kelsterbach, Raunheim und Rüsselsheim um mehr als fünf Prozent. Das Bauen am Flughafen müsse konsequenter verboten werden, auch dort, wo es durch Schallschutzmaßnahmen leiser wird.
Laut Entwurf des Landesentwicklungsplans 2017 schrumpft die Fläche der Siedlungsbeschränkungen ein wenig, erklärte Regine Barth vom Hessischen Verkehrsministerium bei der Veranstaltung im Groß-Gerauer Kreishaus. Bei der Berechnung zählt nicht mehr der Lärm von Flugzeugen aus den achtziger Jahren, sondern es gelten aktuelle Lärmwerte. Siedlungsbeschränkungen wird es nach Vorstellung der Landesregierung nicht mehr ab 60 Dezibel tagsüber geben, sondern ab 55 Dezibel.
Rote Kontur: Aktuell geltendes Siedlungsbeschränkungsgebiet, gem. Regionalplan Südhessen 2010 |
Trotzdem bleiben Neubaugebiete, zum Beispiel zwischen Trebur, Groß-Gerau und Nauheim oder zwischen Pfungstadt, Büttelborn und Griesheim tabu. Das findet der Raumplanungs-Experte Martin Rumberg von der Technischen Hochschule Kaiserslautern paradox: Draußen auf dem Land in relativer Ruhe dürfe keiner bauen. Doch in den Städten und Dörfern gebe es unter dem Fluglärm immer wieder Nachverdichtungen. Wer in einer Straße mit Zweifamilienhäusern sein Häuschen auf die gleiche Quadratmeterzahl ausbaut, der kommt damit durch. Das müsse sich ändern, sagte Rumberg und empfahl, noch genauer zu definieren, wo gebaut werden kann und wo nicht.
Dem schloss sich die Juristin Ursula Philipp-Gerlach an: „Siedlungsbeschränkungsgebiete schützen nicht vor Fluglärm, so lange die Nachverdichtung in den stark belasteten Kommunen anhält.“ Die aufgeworfene Frage: „Abwägung und Management statt starrer Grenzen?“ müsse für das Rhein-Main-Gebiet mit „Ja“ beantwortet werden. Weitere Flächenversiegelungen in der Peripherie mit den damit einhergehenden Mobilitätsproblemen sei nicht die Lösung. Die Suche nach vertretbarer Nachverdichtung innerhalb der von Fluglärm belasteten Kommunen müsse Aufgabe der Regionalplanung werden.
Thomas Jühe, Bürgermeister von Raunheim, begrüßt die Siedlungsbeschränkung aus Gründen der kommunalen Glaubwürdigkeit. Doch sieht er die Verwerfungen, die aus der Siedlungsbeschränkung direkt resultieren: ein Ausmaß an Nachverdichtung, das nicht mehr hinnehmbar sei. Deshalb werde das Wachstum Raunheims jetzt gestoppt, die Einwohnerzahl bei 15 000 gedeckelt. „Wir sind am Limit – nichts geht mehr“, so der Bürgermeister nüchtern.
Die Orte in Flughafen-Nähe brauchen nach Jühes Ansicht für diese Siedlungsbeschränkungen eine Entschädigung. Real gibt es bald aber nur etwas Geld als Ausgleich für Lärmbelastung. Die Landesregierung will pro Jahr 4,5 Millionen € ausschütten. Für Trebur bedeutet das zum Beispiel einen Zuschuss von 67 000 Euro.Kritik übte ein Teilnehmer der Veranstaltung an der bisherigen Diskussion, die sich nach seiner Meinung immer um Bauverbote für Bürger dreht. „Warum gibt es keine Siedlungsbeschränkung für den Flughafen? Der darf nicht unbegrenzt ausgebaut werden!“
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Unser Standpunkt: Ja zur Wirtschaftsregion Rhein-Main - Nein zum Flughafenausbau !
Argumente der Ausbaubefürworter kritisch hinterfragt.