"So eine breite und intensive Beschwerdeflut habe ich noch nicht erlebt", schildert der Vorsitzende der Kommission, der Raunheimer Bürgermeister Thomas Jühe, die Situation durch eine extrem hohe Zahl an Verspätungsflügen zwischen 23.00 und 0.00 Uhr vor allem seit April dieses Jahres. "Den Menschen kommt es vor, als sei das Nachtflugverbot aufgehoben - damit ist ein erheblicher politischer Schaden verbunden", folgert Jühe und verlangt sofortiges Handeln. Der in der Mediation zum Ausbau des Frankfurter Flughafens vereinbarte und gesellschaftlich akzeptierte Grundkonsens drohe verloren zu gehen, wenn es nicht gelinge, den Menschen zumindest sechs Stunden ungestörten Nachtschlaf zu ermöglichen.
Die Kommission erwartet daher von Fraport, dass diese ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachzukommen habe und einen Antrag auf Änderung des Planfeststellungsbeschluss bzw. der Betriebsgenehmigung stellen möge. "Auf diesem Wege lässt sich das Mediationsergebnis retten und die Bevölkerung kann wahrnehmen, dass sich Flughafenbetreiber und Ministerium engagiert für ein verträgliches Miteinander von Flugverkehr und Lebensqualität für die im Umfeld des Flughafens lebenden Menschen einsetzen", stellt Jühe fest.
Beeindruckt zeigten sich die Kommissionsmitglieder vom Bericht der Fluglärmschutzbeauftragten, die nach Vorgabe von Minister Al-Wazir umfänglich und kompetent über die Gründe der Verspätungsflut und die rechtlichen Rahmenbedingungen referierte. "Man merkt, dass der Wirtschaftsminister nicht untätig die Belastung durch verspätete Nachtflüge aussetzen möchte. Er setzt sich offenkundig mit allen Handlungsoptionen offensiv auseinander. Das lässt uns hoffen, dass die Menschen in der Region die durch die Mediation versprochene Nachtschlafruhe wieder ohne Einschränkungen erfahren dürfen", zeigt sich die Mainzer Umweltdezernentin Katrin Eder zuversichtlich.
Der Bericht der Fluglärmschutzbeauftragten bestätigte den Eindruck vieler Bürgerinnen und Bürger, dass die Anzahl der Verspätungsflüge in den letzten Monaten drastisch zugenommen hat. Nachdem anfänglich vor allem Ryanair die in erster Linie gestiegenen Verspätungslandungen verursacht hatte, waren es zuletzt daneben Condor, Lufthansa und Tuifly, die zusammen insgesamt für 90% aller verspäteten Landungen verantwortlich waren.
Anders als bei verspäteten Starts, die vor allem bei Gewitterlagen genehmigt werden, sind die Ursachen bei Verspätungslandungen nicht so eindeutig auszumachen. Sie reichen von Wetterereignissen, über Kapazitätsprobleme im Luftraum und personelle Unterdeckungen bei den Flugsicherungen, Abwicklungsprobleme bei den Flughafenbetreibern und -gesellschaften bis hin zu sehr eng getakteten Flugumläufen und damit ggf. mangelhafte Flugplangestaltungen. Verboten sind Verspätungsflüge von 23-0 Uhr bisher nur dann, wenn sie nicht bereits in der Flugplangestaltung angelegt sind (solange sie 7,5 durchschnittlich pro Nacht nicht überschreiten). Die Beweislast hierfür liegt allerdings beim Land Hessen, es gibt keine normierten Regeln, was z. B. an erwartbaren Verzögerungsgründen einzuplanen ist und auch keinerlei Präzedenzfälle.
"Für eine Verbesserung der Situation brauchen wir schnelle und konsequente Entscheidungen auf allen Ebenen der Verspätungsursachen durch die jeweils Verantwortlichen, angefangen beim Flughafen über die Fluggesellschaften, die Flugsicherung, das Regierungspräsidium und die Genehmigungsbehörde", erläuterte der Vorsitzende einen mit breiter Mehrheit der Kommission gefassten Beschluss, der ganz konkrete Vorschläge unterbreitet. "Wir erwarten, dass alle Handlungsspielräume vollumfänglich ausgeschöpft werden. Potential sehen wir u. a. bei den Lärmentgelten in der Mediationsnacht. Hier ist noch deutlich Luft nach oben! Hamburg erhebt in der Zeit von 23-0 Uhr beispielsweise Zuschläge von 350-550%, in Frankfurt liegen wir bei lediglich 200%. Gleichwohl plant Fraport bisher keine Anhebung der offensichtlich zu geringen Zuschläge, und das trotz der dramatischen Zunahme der Verspätungsflüge. Hier muss Fraport handeln und auch das Land Hessen sollte seine Einflussmöglichkeiten schnellstmöglich geltend machen!", forderte die stellvertretende Vorsitzende und Umweltdezernentin von Mainz, Katrin Eder.
Forderung nach wirksamen gesetzlichen Schutzgrundlagen
Vorgestellt wurden weiter die Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Fluglärmkommissionen (ADF) und des Landes Hessen zur Evaluation des Fluglärmschutzgesetzes. Die Kommission begrüßte mit großer Mehrheit die Stellungnahme der ADF und schloss sich ihr ausdrücklich an. Lobend hervorgehoben und als bemerkenswert erachtet wurde, dass auch nach der Stellungnahme des Landes Hessen, in dessen Hoheitsgebiet der größte deutsche Flughafen liegt, ein erheblicher Änderungsbedarf des Fluglärmschutzgesetzes gesehen wird, anders als von Seiten der Luftverkehrswirtschaft immer wieder propagiert. Die Kommission dankte dem fachlich zuständigen Verkehrsministerium für das Engagement zugunsten einer Anpassung der rechtlichen Grundlagen.
Problemfeld Ultrafeinstaub
Weiter befasste sich die Kommission auf der heutigen Sitzung mit den Messungen ultrafeiner Partikel des Hessischen Landesamtes für Umwelt und Geologie (HLNUG). Zusätzlich zu den seit 2015 in Raunheim vorgenommenen Partikelanzahl-Messungen, werden seit Herbst 2017 sowohl in Raunheim als auch in Frankfurt-Schwanheim die Größenverteilungen der erkannten ultrafeinen Partikel ermittelt. Erste Ergebnisse der Messungen zeigen, dass es in Frankfurt-Schwanheim einen erheblichen Anstieg (im Mittel 6-mal so hohe Konzentration) an ultrafeinen Partikel (10-30 nm) gibt, wenn der Wind aus Richtung Süden, d.h. Flughafen, kommt. Erkennbar ist weiter, dass der deutliche Anstieg dabei nur in der Zeit des Flugbetriebs am Tag und in den Nachtrandstunden festzustellen ist. Diese Effekte werden durch die Messungen in Raunheim in etwas abgeschwächter Form bestätigt. Nach den derzeitigen Erkenntnissen werden die erhöhten Konzentrationen vermutlich durch den bodennahen Transport auf dem Flughafengelände verursacht. Einschätzungen darüber, ob auch Überflüge unterhalb einer bestimmten Höhe als relevante Quelle für ultrafeiner Partikel am Boden in Betracht kommen, lassen sich aus den bisherigen Auswertungen nicht ableiten.
Die Kommission dankte dem HLNUG für die in Kooperation mit dem Umweltbundesamt geleistete Pionierarbeit und unterstützte die weitergehenden Vorhaben, weitere Messungen und Auswertungen der Effekte von Überflügen vorzunehmen. "Nachdem sich die Hinweise verdichten, dass es bei Wind aus Richtung Flughafen zumindest im Nahbereich zu einer erhöhten Konzentration ultrafeiner Partikel kommt, brauchen wir dringend belastbare Erkenntnisse, bis zu welcher Entfernung vom Flughafen mit Mehrbelastungen zu rechnen ist, ob die Effekte auch bei Überflügen gemessen werden können und mit welchen gesundheitlichen Wirkungen die Mehrbelastungen verbunden sind!", begründete der stellvertretende Vorsitzende und Bürgermeister von Nauheim, Jan Fischer, die Forderung der Kommission an das Land Hessen nach einer umfassenden Gesundheitsstudie. "Ähnlich wie bei NORAH sollte eine interessenübergreifend beauftragte und umfassend angelegte UFP-Wirkungsstudie beim FFR angesiedelt sein und unverzüglich in Angriff genommen werden!", forderte Fischer.
Weitere Beratungsthemen waren die aktuellen Urteile des VGH-Kassel zum Luftverkehr sowie das laufende Konsultationsverfahren zur Maßnahme Amtix kurz. Detailliertere Informationen zu diesen und weiteren Themen entnehmen Sie bitte den Anlagen.
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