Das vom "Forum Flughafen und Region (FFR)" vorgestellte "Maßnahmenpaket Aktiver Schallschutz" sorgt für Diskussion. Das angekündigte Paket umfasst sieben Einzelmaßnahmen: steilere Abflüge, steilerer Gleitwinkel beim Landeanflug, Erhöhung des Anteils der CDA-Anflüge, mehr West-Betrieb, gekrümmter Landeanflug zur Umfliegung der großen Städte beim Landeanflug, Änderungen in der Bahn- und Flugroutennutzung sowie Umrüstung der Triebwerke der B-737 der Lufthansa, damit diese leiser werden. Die Komponenten werden hier kurz erläutert und bewertet.
Ziele der Maßnahmen zum aktiven Schallschutz
Primäres Ziel des Maßnahmenpaketes "Aktiver Schallschutz" ist es, für die gesamte Region die Zahl der durch Fluglärm hoch belästigten Menschen zu verkleinern. Nur ein Teil der Maßnahmen ist dabei echter "aktiver Schallschutz" im Sinne des Wortes, dass tatsächlich vom Flugzeug weniger Lärm erzeugt wird oder weniger Lärm am Boden ankommt. Der andere Teil beruht auf Umverteilung des Lärms durch neue Flugrouten oder geänderte Nutzung bestehender Routen. Dies ist von den Machern des Pakets so gewollt. Bei der Beschreibung der einzelnen Maßnahmen wird auf eine Verteilungswirkung hingewiesen.
Als Meßkriterium gilt dabei der im RDF definierte "Frankfurter Lärmindex". Der Lärmindex wird im Prinzip berechnet, in dem man den Dauerschallpegel an einem Ort berechnet und dazu aus den Ergebnissen der RDF-Belästigungsstudie den Anteil von Menschen bestimmt, der sich bei diesem Dauerschallpegel hoch belästigt fühlt. Der Wert wird dann mit der Einwohnerzahl des betrachteten Gebietes multipliziert. Für die Nacht gibt es einen separaten Index. Dieser gibt die Zahl der zusätzlichen Aufwachreaktionen pro Nacht an, mit denen nach der DLR-Studie zu rechnen ist. Problem: Der Index umfasst nur Gebiete mit einem Dauerschallpegel von mehr als 53 dB(A) - berechnet nach dem neuen Fluglärmgesetz, also Mittelung über ein halbes Jahr. Alle Gebiete, die unter 53 dB(A) bleiben, werden überhaupt nicht berücksichtigt. Die Kappungsgrenze schließt nicht nur viele Menschen von der Betrachtung aus, die sich belästigt fühlen. Sie lädt auch dazu ein, den Lärmindex durch geschickte Umverteilung des Lärms zu verkleinern, ohne dass der Lärm oder die Zahl der Betroffenen wirklich geringer wird. ( -> Papier der FAG zum Lärmindex ).
Eine breitere Verteilung des Fluglärms mit Kappung lokaler Spitzen hat für Fraport & Co über die Möglichkeit sich als "guter Nachbar" darzustellen, handfeste Vorteile. Die Lärmschutzbereiche, in denen der Flughafenbetreiber wegen Überschreitung der Grenzwerte passiven Schallschutz zahlen müsste, werden kleiner. Kommunen, die sich darüber streiten, wer wieviel Fluglärm abbekommen soll oder von einer Umverteilung profitieren, engagieren sich vielleicht weniger gegen Ausbaupläne. Das gleiche gilt für Betroffene, die die Versprechungen auf große Verbesserungen bei der Lärmbelastung in der Zukunft glauben. Und Politiker können bei Verbesserungen sagen: "Der Ausbau hatte auch seine guten Seiten".
Die Maßnahmen im Detail
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Vertikale Optimierung von Abflugverfahren
Bei Abflügen sollen die Flugzeuge bis zu einer Entfernung von 6 Meilen (ca. 11 km) vom Flughafen langsamer fliegen (Geschwindigkeitsbegrenzung auf 220 Knoten), dafür aber schneller steigen. Bewohnte Gebiete können dadurch höher überflogen werden. Durch die geringere Geschwindigkeit sollen auch die Soll-Flugrouten besser eingehalten werden können. Nach den Angaben des FFR wird der vertikal optimierte Abflug mit Geschwindigkeitsbeschränkung seit 2008 bereits auf einigen Abflugrouten eingesetzt. Weitere Routen sollen ab Ende des Jahres probeweise umgestellt und die Entwicklung der Lärmbelastung beobachtet werden.
Unter den bisher schon optimierten Routen wurde von den Betroffenen bisher keine große Entlastung berichtet. Gerade die schweren Flugzeuge, die schlecht steigen und großen Lärm verursachen, erreichen die Höchstgeschwindigkeit innerhalb der 6 Meilen gar nicht und werden daher von der Maßnahme auch nicht beeinflusst. Die Bundesvereinigung gegen Fluglärm hält das Steilstartverfahren, wie es an vielen internationalen Flughäfen eingesetzt wird, für effektiver. Versuche, es in Frankfurt zu testen, sind bislang am Widerstand der Fluggesellschaften gescheitert.
Wenn die Flugzeuge schneller an Höhe gewinnen, wird der Lärm unter der Flugroute gemindert, was für die Betroffenen prinzipiell positiv ist. Dafür dauert der Überflug wegen der geringeren Geschwindigkeit etwas länger und der Lärmkorridor wird etwas breiter. Die genauere Einhaltung der Flugrouten (wenn sie denn funktioniert) würde sicher an einigen Stellen Entlastung bringen, wo die Routen "haarscharf an der Stadtgrenze" entlang geplant sind. Die Gesamtwirkung der Maßnahme auf den "Lärmindex" ist eher gering.
Leisere Triebwerke bei Lufthansa
Die Lufthansa will die Triebwerke der B737-Flotte mit speziellen Schalldämpfern ausrüsten. Dadurch soll die Lärmbelastung bei An- und Abflügen laut Lufthansa zwischen 0,5 und bis zu 2,4 dB(A) sinken. Dies würde den Löwenanteil bei der Senkung der Fluglärmbelastung am Tag durch das Maßnahmenpaket ausmachen. Die Umrüstung soll bis zur Inbetriebnahme der neuen Landebahn abgeschlossen sein. Auch sonst will die Lufthansa stufenweise die Flotte modernisieren.
Leisere Triebwerke sind für alle Betroffenen uneingeschränkt positiv. Auch die Fluggesellschaften können bei nach Lärm gestaffelten Flughafengebühren profitieren.
Weniger Ostbetrieb
Bei Landungen auf dem Parallelbahnsystem soll die zulässige "Rückenwindkomponente" von derzeit 5 Knoten zunächst voll ausgereizt und in der Zukunft eventuell auf 7 Knoten erhöht werden. Überschreitet die Windgeschwindigkeit des Rückenwindes den zulässigen Wert, wird die Betriebsrichtung gedreht, Starts und Landungen erfolgen dann in die Gegenrichtung. Ziel der Maßnahme ist es, die Zeiten mit Ostbetrieb (Betriebsrichtung 07) - also Starts vom Parallelbahnsystem in Richtung Osten und Landungen aus Richtung Wesen - zu vermindern. Dadurch können Raunheim und andere Städte westlich des Flughafens, die bei Landungen im Ostbetrieb sehr niedrig überflogen werden, entlastet werden.
Landungen mit einer erhöhten Rückenwindkomponente führen zu einer (wenn auch geringen) Erhöhung von Risiken. Piloten mögen diese Maßnahme daher nicht. 7 Knoten wären zur Zeit nicht ICAO-konform und brauchen eine besondere Genehmigung.
Die Maßnahme bewirkt eine Umverteilung des Fluglärms. Die bei Betriebsrichtung Ost Betroffenen werden an einigen Tagen vom Fluglärm befreit, dafür bekommen die bei Betriebsrichtung West Betroffenen entsprechend mehr Lärm. Der erwartete Effekt lässt sich wegen der Abhängigkeit vom Wetter nicht genau voraussagen. Bei einer Erhöhung der Rückenwindkomponente auf 7 Knoten werden ca. 6 betroffene Tage im Jahr geschätzt. Das sind bei ca.30% Ostbetrieb, wie sie dieses Jahr durchaus realisch erscheinen, 5 Prozent.
Gekrümmter Landeanflug (Segmented RNAV Approach)
Bisher derzeit drehen die Flugzeuge beim Landeanflug schon relativ weit entfernt vom Flughafen (z.B. hinter Offenbach bei Anflug aus Richtung Osten) auf die gerade Endanflug-Linie ein. Beim gekrümmten Landeanflug erfolgt ein Teil des Landeanflugs in einer (aus mehreren geraden Teilstücken bestehenden) Kurve, das letzte Stück in gerader Verlängerung der Landebahn kann deutlich kürzer sein. Dadurch können bewohnte Gebiete bei der Landung "umflogen" werden.
Vorgesehen ist in den FFR-Plänen jeweils eine südliche Umfliegung der Städte Offenbach und Hanau bei Westbetrieb ( -> Karte) und Mainz bei Ostbetrieb ( -> Karte ). Das letzte gerade Stück vom Endanflug wäre dann nur noch etwa 9 km lang.
Der gekrümmte Anflug vermindert die Kapazität und soll daher zunächst nur in den betriebsarmen Zeiten (23-5 Uhr) getestet werden, später ist an Ausweitung gedacht. Es gibt mehrere Varianten, die teilweise nicht ICAO-konform sind und/oder einer Genehmigung durch die Luftfahrtbehörde bedürfen. Derzeit haben noch nicht alle Flugzeuge die erforderliche technische Ausstattung für das neue Verfahren, so dass die Pläne für den Anfang etwa von der Hälfte aller nächtlichen Anflüge ausgehen.
Da es im Rhein-Main-Gebiet keine unbewohnten Gebiete gibt, die der Umfliegung großer Städte dienen könnten, ist der gekrümmte Anflug ein Verfahren, das den Fluglärm deutlich umverteilt - die Belastung wird von einer Stelle an eine andere verlagert. Gewinner der gegenwärtigen Planungen sind primär die großen Städte Offenbach, Hanau und Mainz, Verlierer Obertshausen, Heusenstamm und Hainburg im Osten des Flughafens und Rüsselsheim im Westen, wo neue oder deutlich stärkere Belastung auftreten würde. Neu-Isenburg und Raunheim liegen zu dicht am Flughafen und werden nicht entlastet. Der Lärmpegel der Überflüge in den neu überflogenen Gebieten dürfte der Belastung in den ursprünglich überflogenen Gebieten um nichts nachstehen, da das Segment vor dem endgültigen Endanflug im Horizontalflug in relativ geringer Höhe geflogen werden soll.
"DROps", Dedicated Runway Operations
Der sperrige Begriff mit der netten Abkürzung bedeutet, dass Abflüge zu bestimmten Zeiten auf bestimmte Startbahnen und bestimmte Flugrouten konzentriert werden. Durch die wechselweise Benutzung bestimmter Bahn/Routen-Kombinationen sollen Lärmpausen für die Betroffenen geschaffen werden - auf einen einfachen Nenner gebracht: man wird eine Nacht geweckt, die nächste hat man Ruhe.
Konkret sind folgende Varianten geplant: bei Ostbetrieb sollen alle Starts von der Startbahn West erfolgen. Flüge, die bisher nach dem Start vom Parallelbahnsystem nach Norden weiterfliegen, werden auf einer neuen Flugroute nach Norden gesführt, die zwischen Dreieich und Dietzenbach hindurchführt (siehe Karte Ostbetrieb ). Bei West-Betrieb sollen dagegen alle Starts vom Parallelbahnsystem erfolgen( Karte Westbetrieb). An Ideen für die Entlastung von Büttelborn wird noch gearbeitet.
Das Verfahren schränkt die Kapazität ein (da bestimmte Bahnen und Routen zeitweise nicht genutzt werden) und soll daher nur in den betriebsarmen Zeiten (zunächst 23-5 Uhr) benutzt werden.
"DROps" hat umverteilende Wirkung, je nach konkreter Ausführung und Ort mehr oder weniger stark. Bei den geplanten Maßnahmen soll nach der Aussage des FFR die beste rechnerische Gesamtwirkung (Minimierung vom "Lärmindex") entstehen, wenn man DROps in tageweisem Wechsel mit dem bisherigen Betriebskonzept anwendet. Wer es näher verstehen will, muss sich durch das Hintergrundpapier arbeiten.
Optimierung der Frankfurter Variante des CDA (Continuous Descent Approach)
Beim CDA-Verfahren nähern sich die Flugzeuge der Landebahn im "kontinuerlichen Sinkflug", d.h. Triebwerke im Leerlauf oder mit sehr wenig Schub und ohne die sonst üblichen horizontalen Streckenanteile. Der Sinkflug erzeugt deutlich weniger Lärm als ein normaler Anflug und spart auch Treibstoff. Das CDA-Verfahren kostet allerdings Kapazität, weil der Gleitweg wegen unterschiedlicher Randbedingungen nicht so genau kalkulierbar ist wie ein normaler Anflug und die Flugzeuge deshalb nicht so "dicht gepackt" werden können. Zur Zeit wird ein CDA-Verfahren bereits für Landungen in der Nacht angewendet. Durch verschiedene Maßnahmen soll versucht werden, den Anteil an CDA-Anflügen zu vergrößern und den Zeitraum Zeiten mit mehr Flugbetrieb auszuweiten.
Der CDA-Betrieb ist eine sehr wirkungsvolle Lärmschutzmaßnahme, von dem praktisch alle Betroffenen profitieren, auch weiter entfernt vom Flughafen. Deshalb gehört das CDA-Verfahren schon lange zu den Kernforderungen beim aktivem Lärmschutz. An anderen Flughäfen wird das Verfahren schon häufiger angewandt.
Erhöhung des Anfluggleitwinkels auf 3,2 Grad
Der Winkel beim Landeanflug soll von 3 Grad auf 3,2 Grad erhöht werden. Durch den steileren Winkel werden die Bereiche unter der Endanflug-Route höher überflogen, dadurch wird der Lärm etwas gemindert. Laut Fraport ist dieses Verfahren technisch nur auf der neuen Landebahn möglich, weil man den erhöhten Anflugwinkel nicht unter allen Wetterbedingungen nutzen kann und daher ein zweites Instrumenten-Landesystem (ILS) braucht, das auf 3,2 Grad eingestellt ist. Es ist auch eine Genehmigung durch das Verkehrsministerium erforderlich. Eine Erhöhung des Gleitwinkels auf 3,5 Grad (das ist wohl das Maximum, dass die ICAO aus Lärmschutzgründen erlaubt) wird schon länger von den Betroffenen gefordert. An einigen Flughäfen wird wegen Hindernissen sogar noch steiler gelandet.
Vom steileren Anflugwinkel profitieren alle Betroffenen in der Einflugschneise. Der Effekt zwischen 3 Grad und 3,2 Grad ist allerdings absolut nicht so groß - in Flörsheim wären es gerade noch 20 Meter (im Detailpapier ist eine Grafik).
Nachtflugverbot Lärmschutz Fluglärm Forum Flughafen und Region (FFR) Flugroutenänderungen Rückenwind beim Landeanflug Segmented Approach
Pressemitteilung vom 07.09.2007