Am 21.10. soll die neue Landebahn Nord offiziell in Betrieb genommen werden. Statt zweier nur abhängig voneinander zu betreibender Landebahnen wird danach der Flughafen über eine weitere Landebahn verfügen, die unabhängig von den bisherigen Parallelbahnen betrieben werden kann. Dass dies zu einer erheblichen zusätzlichen Lärmbelastung führen wird, wird von der Hessischen Landesregierung in Kauf genommen.
Erst jetzt ist Aktivisten aus dem Kreis der Bürgerinitiativen bekannt geworden, dass 2004 eine ICAO-Vorschrift für den Betrieb unabhängiger Bahnen (ICAO Doc. 9643) herausgegeben wurde, deren Einhaltung zu einer weit höheren Lärmbelastung führt als bisher bekannt. Bei der für das Planfeststellungsverfahren durchgeführten Lärmberechnung wurde diese Vorschrift nicht berücksichtigt; Fraport und DFS haben diese Regelung nicht kommuniziert.
Nach einer Abschätzung eines Sprechers, Berthold Fuld, führt die Einhaltung dieser Vorschrift über der stärkst betroffenen Siedlung, der Mainzer Frankenhöhe, gegenüber dem Ansatz der Fraport zu einem Anstieg der rechnerischen Spitzenpegel (beim Überflug einer B747 oder eines A380) von 69 dB(A) auf 79,5 dB(A). Diese Differenz – die Schallintensität ist 10-mal größer als berechnet - ist so gravierend, dass eine Nutzung der Landebahn für die Bürger absolut unzumutbar ist. Von deutlich mehr Lärm als prognostiziert betroffen sind wohl weit über 100.000 Bürger in den Räumen Mainz-Rüsselsheim und Hanau-Offenbach.
Die Bürgerinitiativen verweisen auch darauf, dass der Planfeststellungsbeschluss nicht nur noch nicht rechtskräftig ist, sondern auch, dass bisher kein einziger von dieser Situation betroffener Bürger den Sachverhalt hat gerichtlich vortragen können. Das Verfahren widerspricht damit fundamental rechtsstaatlichen Prinzipien. Die Bürgerinitiativen fordern, dass man den Bürgern diese Belastung nicht zumutet, vor allem nicht, solange nicht höchstrichterlich geklärt ist, dass der Sachverhalt ordnungsgemäß ermittelt und die widerstreitenden Interessen gerecht gegeneinander abgewogen wurden, und die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt sind.
Ein weiterer Grund, die Landebahn nicht in Betrieb zu nehmen, ist, dass bisher niemand – selbst nicht in höchst belasteten Bereichen – Schallschutz erhalten hat. Gerichtlich wird jedoch gefordert, dass zum Zeitpunkt des Auftretens einer Belastung, vor der geschützt werden muss, dieser Schutz vorhanden sein muss. Eigentlich hätte die Lärmschutz-verordnung gleichzeitig mit dem Planfeststellungsbeschluss Landesregierung hat dies immer weiter hinausgezögert. Derzeit erfolgt die Prüfung in einem Anhörungsverfahren eingeholter Stellungnahmen; wann die Lärmschutzverordnung erlassen wird, ist nicht absehbar. U.a. die Bundesvereinigung gegen Fluglärm und die Fluglärmkommission sehen ein Kleinrechnen der Lärmbelastung und haben massive Nachbesserungen gefordert; diese betreffen u.a. den nächtlichen Frachtflugverkehr, den Flugzeugmix und die Beschreibung der Anflugstrecken. Mit dem Erlass der Lärmschutzverordnung sind die Betroffenen längst noch nicht geschützt. Das Verkehrsaufkommen auf der neuen Landebahn soll bereits am Anfang 65% des für 2020 prognostizierten betragen. Bevor nicht zumindest diejenigen, die zeitnah zum Erlass einer Lärmschutzverordnung Schutz beantragen, geschützt sind, wäre es daher Körperverletzung, den Betrieb der Landebahn zuzulassen.
Am 17. September werden ab 11 Uhr Tausende in Offenbach mit einer Menschenkette gegen die Landebahn demonstrieren – auch das Bündnis der Bürgerinitiativen ruft zur Teilnahme auf.
Genauere Erläuterungen der fehlerhaften Lärmberechnung finden Sie in der Original-Pressemitteilung im PDF-Format und in der Präsentation von Berthold Fuld bei der Pressekonferenz:
- Vollständige Pressemitteilung des BBI mit Grafiken (PDF)
- "Viel mehr Lärm als berechnet - Landebahn darf nicht genutzt werden"
Präsentation von Berthold Fuld (Powerpoint)