Im Jahre 2006 stellte Professor Greiser in Siegburg seine große epidemologische Studie zum Einfluss von nächtlichem Fluglärm auf die Gesundheit der Menschen im Umfeld des Flughafens Köln/Bonn vor.
Es wurden Krankenkassendaten von mehr als 800.000 Versicherten der Stadt Köln, des Rheinisch-Bergischen - und des Rhein-Sieg-Kreises analysiert.
Als Indikator für gesundheitliche Beeinträchtigung wurde der Arzneimittelverbrauch (Blutdrucksenker) herangezogen. Ein Ergebnis war, je mehr nächtlicher Lärm desto höher war der Arzneimittelverbrauch für Blutdrucksenker - und dies ab einer nächtlichen Belastung von 40 dB(A).
Die beunruhigenden Studienergebnisse gaben Veranlassung zu weiterer Forschung und zwar:
der Überprüfung von sog. Endorganschäden wie Schlaganfall und Herzkreislaufkrankheiten, die als Folge hohen Blutdrucks auftreten können, und
der Überprüfung des möglicherweise gegebenen Zusammenhangs mit Krebserkrankungen.
Für beide Studien (a + b) wurden Krankenhausentlassungsdaten von mehr als 1.000.000 Versicherten geprüft. Dies entspricht mehr als 55 % der Gesamtbevölkerung im Umkreis des Flughafens Köln/Bonn.
Beide Prüfungen stellen weltweit die umfangreichsten Studien zu Gesundheitsstörungen durch Fluglärm dar.
Etwa 20 % der Bevölkerung um den Flughafen Köln/Bonn sind von dem Nachtlärm ab 40 dB(A) betroffen.
Beginnend ab 40 dB(A) wird eine Erhöhung des Erkrankungsrisikos für Schlaganfall und Herzkreislauferkrankungen
- bei Männern um 5 – 8 % pro 1 dB(A)
- bei Frauen um 6 – 9 % pro 1 dB(A)
Für nächtliche Dauerschallpegel von 55 dB(A) – ab 55 dB(A) gilt die gesetzliche Nachtschutzzone – führen zu einer Risikoerhöhung für sämtliche Herzkreislaufkrankheiten bei Männern von 80 % und bei Frauen von 95 %.
Bei der Überprüfung des Krebsrisikos infolge nächtlichen Fluglärms stellte sich allein bei Frauen eine Erhöhung des Risikos für Brustkrebs von 111 % bei 55 dB(A) und eine solche für Leukämien und Lymphdrüsenkrebs auf das Fünffache dar.
Die erhöhten Krebsrisiken bei Frauen werden mit Störungen des Immunsystems, insbesondere der sog. natürlichen Killerzellen erklärt.
Diese neuen Studien, sog. Fallkontrollstudien, sind ein weiterer Beleg für die Kausalität von Nachfluglärm und gesundheitlichen Schäden.
Insofern werden durch sie auch die Ergebnisse, zum Beispiel der Hyena - Studie, der Berliner Verkehrslärmstudie und weiterer aktueller Studien seit 2001 untermauert.
Pressemitteilung zum Vortrag von Prof. Dr. med. Eberhard Greiser
am 24.8.2009 im Stadtmuseum Siegburg
„Fluglärm macht krank – das Ohr schläft nicht“
Bereits vor drei Jahren hatte Prof. Greiser eine große epidemiologische Studie vorgestellt, in der der Einfluss von Fluglärm auf die menschliche Gesundheit untersucht worden war. Ziel war es damals festzustellen, ob nächtlicher Fluglärm im Umfeld des Flughafens Köln-Bonn sich auf die Menge von Arzneimittelverordnungen bei der betroffenen Bevölkerung auswirkte. Es gelang damals sieben gesetzliche Krankenkas-sen zur Mitwirkung zu bewegen. Dabei konnten die Daten von mehr als 800.000 Versicherten aus der Stadt Köln, dem Rhein-Sieg-Kreis und dem Rheinisch-Bergischen Kreis analysiert werden.
Es zeigte sich in eindeutiger Weise, dass die Verordnung von Herz-Kreislauf-Medikamenten bei Männern wie bei Frauen mit der Intensität des Fluglärms schon von einem Dauerschallpegel von 40 dB(A) an stark zunahm, bei Frauen stärker als bei Männern. Bei Frauen fanden sich auch häufiger Verordnungen von Schlaf- und Beruhigungsmitteln und von Arzneimitteln zur Behandlung von Depressionen.
Diese erste Studie war angeregt worden von der Ärzte-Initiative für ungestörten Schlaf (Siegburg). Finanziert wurde die Studie durch Beiträge der Ärzte-Initiative, des Rhein-Sieg-Kreises, der Stadt Siegburg und anderer betroffener Gemeinden und vor allem durch das Umweltbundesamt.
Als Folge dieser beunruhigenden Studienergebnisse wurden zwei weitere Studien in Auftrag gegeben: Es interessierte, ob sich Gesundheitsstörungen auch bei solchen Erkrankungen zeigen würden, die im Krankenhaus behandelt werden mussten. Das Umweltbundesamt finanziert dazu eine Studie mit dem Schwerpunkt auf Herz- und Kreislauferkrankungen. Der Rhein-Sieg-Kreis unterstützt eine vergleichbare Studie zur Problematik von Krebserkrankungen.
Für diese Studien konnte auf die Daten von acht gesetzlichen Krankenkassen mit über 1 Million Versicherten zurückgegriffen werden. Dieses entspricht mehr als 55% der Gesamtbevölkerung im Umkreis des Flughafens Köln-Bonn. Damit ist dieses die weltweit umfangreichste Studie zu Fluglärm und Gesundheitsstörungen. Wie Prof. Greiser ausführte, muss man davon ausgehen, dass etwa 20% der Bevölkerung um den Flughafen von Fluglärm (ab 40 dB(A)) betroffen sind.
Es zeigte sich bei dieser zweiten Studie, dass mit gravierenden Gesundheitsschäden in erheblichem Ausmaß gerechnet werden muss. Als Maßzahl zog Prof. Greiser den-jenigen Grenzwert des Fluglärmschutzgesetzes heran, von dem ab bei bestehenden Flughäfen die Nachtschutzzone beginnt, nämlich erst ab 55 dB(A).
Da sich bei der ersten Fluglärmstudie vor allem mehr Verordnungen von blutdruck-senkenden Arzneimitteln gefunden hatten, war es nicht weiter erstaunlich, dass sich vor allem für Herz-Kreislaufkrankheiten, die als Folge hohen Blutdruckes auftreten können, stark erhöhte Erkrankungsrisiken fanden. Nach den Ergebnissen der Studie führt ein nächtlicher Dauerschallpegel von 55 dB(A) bei Männern zu einer Risiko-Erhöhung für sämtliche Herz- und Kreislaufkrankheiten um 80% (Frauen: 95%), für Schlaganfälle um 87% (Frauen: 130%), koronare Herzkrankheit um 59% (Frauen 143%).
Diese Ergebnisse sind außerordentlich plausibel. Nach den epidemiologischen Kriterien für Zusammenhänge von Risikofaktoren und Erkrankungen müssen die Befunde, so Prof. Greiser, als kausal durch Fluglärm verursacht bezeichnet werden.
Als besonders beunruhigend wurden von Prof. Greiser darüber hinaus die Ergebnisse der Analysen zu einem möglicherweise erhöhten Krebsrisiko durch Fluglärm benannt.
Es fanden sich signifikant erhöhte Krebsrisiken ausschließlich bei Frauen. Dabei handelt es sich um ein erhöhtes Risiko, an Brustkrebs zu erkranken (+ 111% bei 55 dB(A) nächtlichem Fluglärm). Zusätzlich steigt das Risiko für Leukämien und Lymphdrüsenkrebs (Non-Hodgkin-Lymphome) bei vergleichbaren nächtlichen Dauerschallpegeln auf das Fünffache. Derartige Ergebnisse sind in dieser Form noch an keiner Stelle gefunden worden.
Allerdings ist seit längerem bekannt, dass lang dauernde Schlafstörungen (z.B. durch Nacht- und Schichtarbeit) bei Frauen das Brustkrebsrisiko unabhängig von anderen Risikofaktoren stark erhöhen kann. Dieses hat die Krebsforschungsorganisation (IARC in Lyon) der Weltgesundheitsorganisation dazu gebracht, Nacht- und Schichtarbeit als eindeutig krebserregend beim Menschen zu bewerten.
Prof. Greiser erklärte die erhöhten Krebsrisiken bei Frauen mit tief greifenden Stö-rungen des Immunsystems, insbesondere der so genannten natürlichen Killerzellen.
Prof. Greiser ist emeritierter Professor für Epidemiologie und medizinische Statistik am Fachbereich Human- und Gesundheitswissenschaften der Universität Bremen. Er ist wissenschaftlicher Geschäftsführer der Epi.Consult GmbH, 54534 Musweiler.
Gesundheitsgefahren durch (Flug-)Lärm Herz-Kreislauf-Erkrankungen Lärmwirkungs-Forschung Schlafstörung Störung des Nachtschlafs