"Das Kamel wird klein geredet"
KREIS GROSS-GERAU / STADT MAINZ / STADT FLÖRSHEIM AM MAIN - "Die Fraport AG rechnet im laufenden Anhörungsverfahren zum Flughafenausbau das Ausmaß als auch die Folgen der Lärmbelastungen für die Menschen in der Region bewusst klein. Sie verwendet dabei altes und unzulängliches Zahlen- und Datenmaterial und arbeitet mit von der Wissenschaft längst überholten Mess- und Bewertungskriterien. Wichtige Bereiche wie die gesundheitlichen Lärmfolgen für ältere und/oder kranke Menschen werden dabei systematisch ausgeblendet. Das Kamel wird klein geredet, um es durch das Nadelöhr zu treiben."
Was Rechtsanwalt Dr. Martin Schröder bei der jüngsten Pressekonferenz der Initiative "Zukunft Rhein-Main" (ZRM) in Raunheim bildhaft formulierte, veranlasste den Bürgermeister von Raunheim, Thomas Jühe, für die ZRM zur Schlussfolgerung: "Der Lärmteppich, der sich in der Folge des geplanten Flughafenausbaus über die Region legen wird, vernichtet deren Existenzgrundlage." Deshalb, so die Forderung der ZRM, müsse das gesamte Anhörungsverfahren zum Thema Lärm noch einmal von vorne aufgerollt werden. Dabei habe man nicht allein den Rhein-Main-Flughafen im Blick. Die ZRM befürchtet zugleich, dass über das Frankfurter Verfahren, welches aufgrund seiner Größe bundesweite Bedeutung habe, mangelhafte Schutzstandards für andere Ausbaubetroffene bundesweit festgeschrieben werden sollen.
Zu Beginn der Pressekonferenz hatte der angesehene Berliner Lärmwirkungsforscher Dr. Christian Maschke anhand von Zahlen- und Kartenmaterial begründet, warum die von der Fraport im Anhörungsverfahren zum Thema Lärm vorgetragenen Positionen aus wissenschaftlicher Warte nicht seriös seien. Fraport, so Maschke, kehre beispielsweise alle nächtlichen Lärmereignisse unterhalb der 60 Dezibel-Grenze unter den Tisch und erkläre umgekehrt lautere Lärmstörungen als akzeptabel, so sie nicht häufiger als sechs Mal in der Nacht stattfänden. Maschke: "Diesen Annahmen liegen keine gesicherten lärmmedizinischen Erkenntnisse zugrunde. Sie entsprechen nicht dem wissenschaftlichen Kenntnisstand und muten willkürlich an. Man hätte bei der Festlegung der Grenzwerte genau so gut würfeln können." Maschke forderte dagegen, jedes nächtliche Flugereignis als Schlafstörung mit Aufweckwahrscheinlichkeit zu bewerten.
ZRM stellte dazu ein auf dem neuesten Forschungsstand basierendes kommunales Lärmschutzkonzept vor, das von einer interdisziplinären Arbeitsgruppe erarbeitet worden ist. Dieses berücksichtigt auch neueste Erkenntnisse zum Schutz am Tage, insbesondere bei besonders schutzbedürftigen Einrichtungen wie Krankenhäusern, Kindergärten und Altenheimen.
Auf der Grundlage dieses Konzeptes sei ein gänzlich neues lärmmedizinisches Schutzprogramm für die vom Flughafenausbau betroffene Region zu entwickeln. Diesem Programm müsse, wie es die Leiterin der Arbeitsgruppe Joy Hensel formulierte, die Maximalkapazität des Flughafens im Ausbaufalle, also 894 000 Flugbewegungen per anno, zugrunde gelegt werden - und nicht die von Fraport "schön- d.h. klein gerechneten Zahlen". Räumlich habe sich dieser unter Lärmgesichtspunkten "schützenswerte" Bereich bis weit in die Bergstraße und den Odenwald im Süden sowie bis über Hanau im Osten und Mainz bzw. Wiesbaden im Westen hinaus zu erstrecken. Fraport blende hingegen durch unlautere Annahmen die Belange von einer Viertelmillion vom Lärm betroffener Menschen einfach aus.
Bürgermeister Thomas Jühe kündigte an, dass die ZRM in Sachen Lärm weiterhin keinen Rabatt geben werde. Wenn Fraport die Interessen und die Argumente der Region weiterhin ignoriere, dann müsse dies eben juristisch ausgefochten werden - mit allen Risiken für den Flughafenbetreiber.
Kartenmaterial der ZRM zur Pressekonferenz: