Am Flughafen München soll eine dritte Start- und Landesbahn gebaut werden. Die Gesellschafterversammlung erteilte der Flughafengesellschaft FMG die Aufgabe, die Planungen zu beginnen und das Raumordnungsverfahren einzuleiten. Mit der dritten Bahn sollen die Zahl der möglichen Flugbewegungen von 89 pro Stunde zur Zeit auf 120 pro Stunde erhöht werden.
Flughafen-Chef Michael Kerkloh bezeichnete den geplanten Ausbau als eine unverzichtbare Maßnahme, um München langfristig als eines der führenden europäischen Drehkreuze zu etablieren. Kerkloh möchte dazu den Umsteigerverkehr konsequent weiter ausbauen und erheblich mehr Langstreckenflüge nach München holen. Wegen des ständigen Verkehrswachstums komme der Flughafen in Spitzenzeiten bereits jetzt an seine Kapazitätsgrenze, spätestens 2008 sei die Kapazität erschöpft. Sollte der Airport keine dritte Start- und Landebahn bekommen, werde München unvermeidlich auf den "Status eines regionalen Zielflughafens" zurückfallen. Lufthansa und andere Gesellschaften wären dann nämlich gezwungen, ihre Umsteigerverkehre über andere Flughäfen zu führen. "Eine Option, den Luftverkehr auf dem heutigen Niveau einzufrieren, gibt es nicht. Wenn wir unseren Steigflug nicht fortsetzen, ist die einzige Alternative der Sinkflug", meint Kerkloh.
Der Flughafen München
Der Flughafen München wurde nach seinem "Umzug" von Riem ins Erdinger Moos am 17. Mai 1992 in Betrieb genommen. Zu 51 Prozent gehört der Flughafen dem Freistaat Bayern, der Bund ist mit 26 Prozent und die Stadt München mit 23 Prozent beteiligt.
Zur Zeit gibt es zwei Start- und Landebahnen, auf denen knapp 90 Flugbewegungen pro Stunde abgewickelt werden können (Kapazitätseckwert). Im Letzten Jahr gab es 370 000 Flugbewegungen und knapp 27 Millionen Passagiere. München ist das zweite Drehkreuz (Hub) der Lufthansa. Der Umsteigeranteil liegt bei 33 Prozent. Durch die neue Start- und Landebahn soll die Kapazität auf 120 Flugbewegungen/Stunde steigen. Für 2015 rechnet man mit 48 Passagieren und 518 000 Flugbewegungen. Die Bahn soll frühestens 2010 in Betrieb gehen.
Der Flughafen wächst stark, ist aber kein Profit-Bringer: Das Defizit nach Steuern betrug zuletzt 55 Millionen Euro, im laufenden Jahr soll der Verlust auf 20 Millionen Euro fallen und im Jahr 2007 erstmals ein ausgeglichenes Ergebnis erzielt werden.
Zum Vergleich: der Flughafen Frankfurt hat 2 Start- und Landebahnen und eine Startbahn. Kapazitätseckwert: ca. Flugbewegungen/Stunde. Passagiere in 2004: 51 Millionen, Zahl der Flugbewegungen: 478 000. Geplant durch Ausbau: 120 Flugbewegungen/Stunde, 80 Millionen Passagiere mit 660 000 Flugbewegungen (Angaben Fraport, bis 2015).
Wo die neue Bahn gebaut werden solle, sei noch offen, meinte Kerkloh. Insider glauben das nicht. Sie sagten gegenüber der Presse, die Flughafengesellschaft habe schon längst intern alle Varianten geprüft, der Ausbau solle im Norden des Flughafens stattfinden. Die neue Bahn würde dann wesentlich stärker an dicht besiedeltes Gebiet heranrücken. Die Orte Eittingermoos und Schwaigermoos müssten abgesiedelt werden. Die Stadt Freising wäre massiv vom Fluglärm betroffen.
Der Ausbau soll von einem "Nachbarschaftsbeirat" (eine Art Dialogforum) begleitet werden. " Die Region muss von Anfang an in den Planungsprozess eng eingebunden werden und ihre berechtigten Belange gelten machen können", meint Verkehrsminister Wiesheu. Als Teilnehmer im Beirat sind die Mitglieder des bisherigen "Flughafen-Forums", die Kommunen in der Fluglärmkommission, Vertreter der örtlichenörtliche Wirtschaft, der DGB, die Lufthansa, die DFS und die Flughafengesellschaft als Vertreter des Luftverkehrs sowie die Schutzgemeinschaft und drei Vertreter von Bürgerinitiativen vorgesehen. Den Vorsitz soll die ehemalige Präsidentin des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs und des Oberlandesgerichts München, Edda Huther, übernehmen. Ähnlichkeiten mit dem Frankfurter Dialogforum sind erkennbar. Ein "Mediationsverfahren" wie in Frankfurt ist nicht vorgesehen.
Die Politik stimmt dem Ausbau zu
Das bayerische Kabinett hat den Ausbauplänen inzwischen zugestimmt. Ministerpräsident Stoiber sagte in einer Pressemitteilung, der Flughafen solle "seine großartige Erfolgsgeschichte auch im nächsten Jahrzehnt fortsetzen können". Stoiber erwartet in den nächsten 10 Jahren 28000 neue Arbeitsplätze, davon 17000 am Flughafen und 11000 im Umland. Zur Zeit sind (nach offiziellen Zahlen) etwa 23 000 Mitarbeiter in etwa 500 Unternehmen am Flughafen beschäftigt, dazu sind 15000 Arbeitsplätze im Umland vom Flughafen abhängig.
Stoiber kündigte an, bis 2010 würde sicher die Transrapid-Strecke zwischen dem Flughafen und der Münchner Innenstadt stehen. Die Fahrzeit vom Hauptbahnhof zum Flughafen würde dann nur noch 10 Minuten betragen.
Auch der Bund und die Stadt München haben die Ausbaupläne bereits abgesegnet. Im Münchner Stadtrat sprachen sich SPD, CSU und FDP für den geplanten Ausbau aus. Grüne, ÖDP und PDS lehnten die Pläne ab. SPD-Fraktionschef Helmut Schmid nannte die geplante Erweiterung "eine der wenigen Chancen, die es in Deutschland und Europa noch gibt". Die Grünen verlangten detailliertere Informationen darüber, ob die Erweiterung wirklich notwenig sei. Am Flughafen Heathrow würden weit mehr Flugbewegungen mit zwei Bahnen abgewickelt.
Erste Reaktionen
DFS und Lufthansa begrüßten die Ausbaupläne. "Der Ausbau muss in München wie in Frankfurt kommen. Die Perspektiven sind gut. Jetzt muss gehandelt werden, damit aus Perspektiven reales Wachstum und damit Arbeitsplätze für die Flughafenregion und den Standort Deutschland entstehen", sagte ein Sprecher der Lufthansa. Fraport-Chef Bender sieht es gelassen, wenn der Flughafen München wachsen und den Frankfurtern den ersten Rang in Deutschland ablaufen will. Frankfurt konkurriere mit London und Paris, München sei eher ein Partner. "Wir bleiben die Nummer eins in Deutschland, auch wenn München ausbaut" - auch bei gleicher Kapazität. Voraussetzung, dass Frankfurt seinen Spitzenplatz behaupten kann, sei allerdings "der ebenso entschlossene wie zeitgerechte Ausbau".
Die Bürgermeister des Flughafenumlands, auch die CSU-Mitglieder unter ihnen, reagierten sehr ungehalten auf die Ankündigungen. Sie halten die Pläne für unwirtschaftlich oder haben Angst um die Zukunft ihrer Gemeinden. Ausbau-Gegner befürchten ein Verkehrschaos. Schon jetzt sei die landseitige Anbindung des Flughafens völlig ungenügend. Es gebe keinen Fernbahnanschluss und keinen schnellen Nahverkehrsanschluss in die Stadt, die Straßen seien schon jetzt total überlastet, Staus seien an der Tagesordnung. Ein Mitglied einer Bürgerinitiative: "Die B 388a, die zweitwichtigste Strecke zwischen Flughafen und München, ist nur ein geteerter Postkutschenweg". Eine bessere Verkehrsanbindung sei oft versprochen, aber nie realisiert worden, dafür fehle das Geld.
Die unmittelbaren Anwohner des Flughafens sind keineswegs alle glücklich und zufrieden. "Das Bild vom wohlhabenden Speckgürtel rund um den Flughafen sei ein Zerrbild, sagt Herbert Knur, der CSU-Bürgermeister von Berglern. "Es ist ein Mischbild mit Profiteuren und Verlierern." Der Freisinger Landrat Pointner sagte, es müsse eine Grenze für das Wachstum des Flughafens geben. Er erwägt, in den Planungsverfahren Rechtsmittel einzulegen. Unter den Einwohnern der Dörfer, die wegen des Ausbaus vielleicht umgesiedelt werden müssen, formiert sich der Widerstand: sie wollen kämpfen, auch wenn sie sich gegen die geballte Macht der Politik und des Flughafenbetreibers keine großen Chancen ausrechnen.
Die Grünen halten den Ausbau "für verkehrspolitisch unnötig und ökologisch unsinnig". Der BUND sprach von einer "Katastrophe für Menschen, Natur und Klima". Man werde mit allen Mitteln dagegen vorgehen und den Widerstand vor Ort unterstützen.
War der Ausbau in Wirklichkeit schon lange geplant?
Besonders glaubwürdig erscheint das Ausbauprojekt von Anfang an nicht. So hatte der Flughafen-Pressesprecher Engert im Mai 2003 zum Bayerischen Rundfunk gesagt, eine dritte Startbahn sei kein Thema. Wie das Nachrichtenmagazin der "Spiegel" aber gestern berichtete, war die neue Start- und Landebahn schon länger geplant. Bereits bei der Planung des Terminal 2 sei man davon ausgegangen, dort später 40 Millionen Passagiere abzufertigen. Bei der Fertigstellung des Terminals vor zwei Jahren hatte man eine Kapazität von 25 Millionen Passagieren genannt. Auch andere Infrastruktureinrichtungen (wie etwa die Gepäckförderanlage), seien für 40 Millionen ausgelegt, hat der "Spiegel" aus den Bauunterlagen zum Terminal 2 entnommen.
Die Argumentation der Flughafengesellschaft ähnelt der Argumentation in Frankfurt: Wenn der Flughafen nicht wächst, steigt er zum Provinzflughafen ab. Wozu eine Kapazität von 120 Flugbewegungen pro Stunde gebraucht wird, ist nicht so einfach nachzuvollziehen. Der Kapazitätseckwert ist schon heute in München höher als in Frankfurt, dennoch werden in Frankfurt viel mehr Flugbewegungen abgewickelt als in München. Es sieht so aus, dass der Engpass nur in den Spitzenzeiten herrscht, während außerhalb der Spitzen noch viel Luft drin ist.
In Frankfurt wird heute die von München für 2018 vorgesehene Zahl von Flugbewegungen schon fast erreicht. Die geplanten Kapazitäten lassen aber auch in München den Schluss zu, dass in Wirklichkeit weit mehr Flugbewegungen geplant werden, als man heute zugibt.
Eins ist sicher: auch um dieses Ausbauprojekt wird es zu heftigen Auseinandersetzungen kommen. Noch haben sie gar nicht begonnen.