Der hessische Lantag diskutierte heute wieder einmal über den geplanten Flughafenausbau. Anlass der Debatte war die Änderung des Landesentwicklungsplans, mit der der Ausbau des Flughafens mit einer Nordwestbahn als Ziel der Landesplanung festgeschrieben werden soll. Die Änderungen waren kürzlich von der Landesregierung beschlossen worden und wurden heute in den Landtag eingebracht. Im Frühjahr 2007 soll dann eine Anhörung stattfinden, danach soll der Landtag der neuen Rechtsverordnung zustimmen - rechtzeitig vor dem Planfeststellungsbeschluss. Die Zustimmung ist nur formell und dient der besseren politischen Legitimation, Änderungen vornehmen kann der Landtag nicht.
Wie nicht anders zu erwarten, sprachen sich CDU, SPD und FDP für den Ausbau aus. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Walter nannte den Bau der Nordwestbahn "das wichtigste Infrastrukturprojekt des Landes", durch das zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen oder gesichert werden könnten. Die Landesregierung sei aber offenbar nicht in der Lage, das wichtige Projekt schnell genug zu verwirklichen. Schon jetzt verliere der Flughafen wegen mangelnder Kapazitäten an Bedeutung. Probleme sah Walter vor allem bei einer rechtssicheren Umsetzung des geplanten Nachtflugverbots und bei der Vereinbarkeit der Nordwestbahn mit dem Betrieb des Chemiewerks Ticona. Er verlangte von der Landesregierung präzise Informationen, wie sie diese Probleme zu lösen gedenke.
Wirtschafts- und Verkehrsminister Rhiel bezeichnete dagegen alle Probleme als lösbar, nannte aber keine Details. Ministerpräsident Koch zeigte sich zuversichtlich, dass es gelingen werde, das Nachtflugverbot zu realisieren. Er bestritt die Darstellung von Walter, die EU werde das (eigens zu diesem Zweck) geplante Flughafensystem aus dem Frankfurter Flughafen und dem Flughafen Hahn wahrscheinlich nicht genehmigen. Die EU-Kommission habe noch nicht über den Antrag entschieden. Es gebe noch offene Fragen, diese seien aber lösbar. Doch auch ohne Flughafensystem könne es ein Nachtflugverbot geben.
Beim Problem "Ticona" verfolgt die Landesregierung weiter ihre altbekannte Strategie. Minister Rhiel sagte, durch den Ausbau werde sich das Risiko gegenüber heute nicht wesentlich ändern. Außerdem sei "der gesamtwirtschaftliche Nutzen des Ausbaus" wichtiger als die Interessen eines einzelnen Unternehmens. Damit machte Rhiel erneut die Drohung der Landesregierung deutlich, Ticona zu enteignen oder auf andere Weise zu vertreiben, sollte sich das Risiko als zu hoch erweisen.
Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU Boddenberg nutzte die Gelegenheit wieder einmal zu heftigen Attacken gegen die Grünen, die den Ausbau ablehnen. Er warf ihnen "pure Selbstinszenierung" vor, sie lieferten nur Beschimpfungen, Unterstellungen und Verdächtigungen, aber keine konstruktiven Erkenntnisse.
Die Grünen übten heftige Kritik an den geplanten Änderungen des Landesentwicklungsplans und an den Ausbauplänen. Die Landesregierung glaube "fälschlicherweise, mit Hilfe der Änderung des LEP einen Fluchtweg aus der Sackgasse" gefunden zu haben, in der sie beim Flughafenausbau stecke, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Frank Kaufmann. Dabei habe sie viele neue Abwägungsfehler gemacht. Die Argumentation zur Begründung der LEP-Änderung sei "meilenweit von einem fairen und transparenten Verfahren entfernt", kritisierte Kaufmann. Der Flughafenausbau sei so "in den Treibsand gesetzt".
Kaufmann forderte erneut die Verankerung des Nachtflugverbotes im Landesentwicklungsplan. Das RDF habe gerade in einem neuen Gutachten gezeigt, wie dies möglich wäre.
- Grüne: Landesregierung setzt Flughafenausbau in den Treibsand
Rede von Frank Kaufmann im Landtag, Pressemitteilung vom 6.10.2006
Die politische Auseinandersetzung um den Landesentwicklungsplan war einige Tage zuvor schon über Pressemitteilungen der Parteien geführt worden. So hatte der SPD-Fraktionsvorsitzende Walter der Landesregierung beim Flughafenausbau "Dilettantismus" vorgeworfen und von der Landesregierung konkrete Lösungen zu den Problemen Nachtflugverbot und Ticona gefordert. Die CDU konterte unverzüglich mit dem Vorwurf, das Votum der SPD für den Ausbau "stehe auf wackeligen Füßen". Das Nachtflugverbot könne nicht im Lndesentwicklungsplan verankert werden, dies sei ausschließlich Sache der Planfeststellungsbehörde.
Der frühere Verkehrsminister Posch kritisierte die Landesregierung, weil sie - entgegen der Rechtslage - die Forderung nach einem Nachtflugverbot als Grundsatz in den LEP aufgenommen habe. Dadurch sei der Eindruck entstanden, das Nachtflugverbot sei bereits festgelegt, was aber nicht der Fall sei. "Statt heimlich still und leise den Landesentwicklungsplan unter das Volk zu streuen, hätte die Landesregierung diesen öffentlich zur Diskussion stellen sollen", meinte Posch kritisch.
- Jürgen Walter (SPD): Wirtschaftsminister Rhiel muss Klartext reden
Pressemitteilung der SPD vom 4.10.2006 -
Michael Boddenberg: "Gut, dass Walter das Urteil endlich zur Kenntnis genommen hat - Votum der SPD auf wackligen Füßen"
Pressemitteilung der CDU vom 4.10.2006 - Dieter Posch: Transparenz und rechtstaatliches Verfahren muss oberstes Ziel sein
Pressemitteilung der FDP vom 4.10.2006
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