Pressestatement von Professor Johann-Dietrich Wörner zum ALP vom 07. September 2007
Vorschlag des Vorsitzenden liegt auf dem Tisch:
Anti-Lärm-Pakt legt Lärmminderung und Maßnahmen fest
Hiermit lege ich als Vorsitzender des Regionalen Dialogforums meinen Vorschlag für einen Anti-Lärm-Pakt vor. Er beruht auf den Erkenntnissen der Mediation, der Arbeit des RDF und sieben Jahren Dialog in der Region.
Der vorliegende Anti-Lärm-Pakt legt den Weg zu mehr Lärmschutz im Ausbaufall fest. Das definierte Ziel: Der Index als Maßzahl für die hoch belästigte Bevölkerung wird um 10 % gesenkt. Hierfür benennt er Maßnahmen des Aktiven Schallschutzes. Außerdem wird erstmals für Frankfurt eine Obergrenze für die Lärmbelastung auch über das Jahr 2020 hinaus festgeschrieben. Dabei erfordert der Pakt keine Gegenleistung der Kommunen, sondern verankert die gemeinsamen Anstrengungen vor allem des Flughafens, der Airlines und der Flugsicherung für eine Lärmminderung.
Im Mai 2007 haben wir im RDF darüber diskutiert, ob ein Vertrag den Klageverzicht der Kommunen als Gegenleistung für die Lärmschutzmaßnahmen festschreiben könnte. Die Entwicklung hat jedoch gezeigt, dass weder die Kommunen noch die Lufthansa derzeit einen Klageverzicht zusichern wollen. Dennoch waren sich alle Beteiligten in den Gesprächen einig, dass verbesserter Lärmschutz möglich ist und umgesetzt werden muss.
Die notwendigen Maßnahmen des Aktiven Schallschutzes lassen sich jedoch bei der derzeitigen Gesetzeslage weder von der Genehmigungsbehörde allein, noch anschließend von Gerichten durchsetzen. Sie sind nicht einklagbar. Sie können nur von der Luftfahrtseite auf freiwilliger Basis und mit hohen Investitionen umgesetzt werden. Dieser Beitrag der Luftfahrtseite entspricht dem Geist der Mediation.
Mehr Lärmschutz wird jedoch nur Wirklichkeit, wenn alle Beteiligten - insbesondere Luftverkehrsseite, Genehmigungsbehörde und Landesregierung - an einem Strang ziehen. Nur wenn eine breite Mehrheit den Pakt unterstützt, können wir den Planfeststellungsbeschluss im Sinne des Lärmschutzes prägen.
Dieser Anti-Lärm-Pakt gilt jedoch nur, wenn die Planfeststellungsbehörde den Ausbau bewilligt – umgekehrt gilt: kein Ausbau, kein Pakt. Wer aus Lärmschutzgründen dem Pakt zustimmt, ist deshalb nicht automatisch Befürworter des Ausbaus. Vielmehr sorgt er für den Fall eines Planfeststellungsbeschlusses dafür, dass dieser von zusätzlichem Lärmschutz geprägt ist.
1. Einführung eines nachvollziehbaren Lärmindexes
Der Lärmindex macht die Belästigung der Bevölkerung durch Fluglärm transparent. Er zeigt den Anteil der Hochbelästigten an der Bevölkerung der Flughafenregion. Dabei können wir für alle nachvollziehbar abbilden, wie der Fluglärm ansteigt und wie der Anstieg durch Aktiven Schallschutz gemindert wird. Der Index macht es möglich, die Leistung der Luftfahrtseite transparent zu machen und zu kontrollieren, ob sie das Lärmminderungsziel erreicht. Der Index ist wissenschaftlich abgesichert, er beruht auf Gutachten des RDF zur Lärmbelästigung in Frankfurt und orientiert sich an Vorbildern anderer Flughäfen. Unser Frankfurter Lärmindex berücksichtigt dabei sowohl die Anzahl der Betroffenen als auch die Höhe der Lärmbelästigung.
2. Minderung der Lärmbelästigung: Senkung des Lärmindexes um mind. 10 %
Die Gespräche zum Anti-Lärm-Pakt haben eines gezeigt: Die Beteiligten stimmen darin überein, dass die Maßnahmen des Aktiven Lärmschutzes für Frankfurt umsetzbar sind. Heute ist noch nicht abschließend geklärt, welche der Maßnahmen wann eingeführt werden kann. Dies bedarf zusätzlicher Prüfungen und Genehmigungen. Dennoch ist das vorhandene Potential allen Beteiligten klar. Mit den Maßnahmen des Anti- Lärm-Pakts kann die Zahl der hoch belästigten Bevölkerung um mindestens 10 % gesenkt werden. Dies bedeutet: Der Lärmindex würde um mindestens 10 % sinken. Die Nutzung de Lärmindexes als Nachweis der Lärmminderung muss im Planfeststellungsbeschluss festgeschrieben sein.
3. Deckelung der Lärmbelästigung über 2020 hinaus
Ein weiteres wichtiges Anliegen ist für mich, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Ausbau kein Freibrief für die unbegrenzte Zunahme des Fluglärms erteilt wird. Der Anti-Lärm-Pakt errechnet mit Hilfe des Lärmindexes einen Wert für die Belästigung im Jahr 2020 als Obergrenze, die nicht überschritten werden darf. Diesen legt er als Obergrenze fest, die nicht überschritten werden darf. Damit wird im Falle eines Ausbaus die Zunahme des Lärms über das für 2020 prognostizierte Maß hinaus begrenzt. Diese Lärmobergrenze muss meiner Einschätzung nach im Planfeststellungsbeschluss festgeschrieben werden.
4. Die Umsetzung des Nachtflugverbots
Das Nachtflugverbot ist zentraler Bestandteil der Mediation und eines effektiven Lärmschutzes. Deshalb muss es in seiner Substanz erhalten bleiben. Sollten aus rechtlichen Gründen einzelne Ausnahmen aus Sicht der Genehmigungsbehörde oder der Gerichte unabweisbar sein, muss die Zahl der Flüge restriktiv bestimmt werden. In jedem Fall müssen diese unabweisbaren Ausnahmen vom Nachtflugverbot davon abhängig gemacht werden, ob die Belästigung um mindestens 10 % gesenkt wird. Sie dürften meiner Meinung nach bei höchstens 15 Flügen in der Nacht liegen. Diese Zahl ist meine persönliche Meinung. Sie wird von der einen Seite als zu niedrig und von der anderen Seite als zu hoch kritisiert. Außerdem müssten diese Flüge strengen Auflagen unterliegen. Sie sind so abzuwickeln, dass sie mit der geringst möglichen Lärmbelastung für die Menschen verbunden sind - also auf besonderen Flugrouten und mit modernsten Navigationstechnologien. Diese Bedingungen müssen meiner Einschätzung nach im Planfeststellungsbeschluss festgeschrieben werden.
5. Besonderer Schutz der Nachtrandstunden
Über die Mediationsnacht hinaus sind Maßnahmen des Aktiven Schallschutzes besonders in den Nachtrandstunden zwischen 22-23 Uhr und 5-6 Uhr gefordert. Dabei soll es auch für die gesetzliche Nacht Beschränkungen und Anreize zum Einsatz besonders lärmarmer Flugzeuge geben - zum Beispiel ein weiterentwickeltes Lärmpunktekonto.
6. Zukunftsplan leiser Flughafen
Bei den heute bekannten Maßnahmen dürfen wir nicht stehen bleiben. Ich bin der Meinung, wir müssen fortlaufend alle neuen Verfahren und Technologien nutzen, um einen möglichst lärmarmen Flugbetrieb zu realisieren. Dazu soll alle fünf Jahre ein gemeinsamer Aktionsplan "Leiser Flughafen" vorgelegt werden. Dieser wird in einer Expertengruppe des zukünftigen Forums "Zukunft Flughafen und Region" erarbeitet. Dieser Expertengruppe sollten neben Vertretern der Luftfahrtseite, der Fluglärmkommission, dem Fluglärmschutzbeauftragten auch vom Forum benannte Experten von Forschungsinstitutionen teilnehmen.
7. Passiver Schallschutz über das gesetzlich Erforderliche hinaus
Neben ihrem Anteil am Aktiven Schallschutz muss die Fraport AG den Passiven Schallschutz finanzieren. Die Maßnahmen richten sich dabei zunächst nach dem Fluglärmgesetz. Derzeitige Schätzungen gehen dabei von Kosten von über 100 Millionen Euro aus. Darüber hinaus sieht der Anti-Lärm-Pakt vor, dass aufgrund der spezifischen Frankfurter Situation besonders Betroffene, die aber vom Gesetz nicht abgedeckt werden, ebenfalls geschützt werden.
8. Aufkauf und Entschädigung bei besonders lärmbelasteten Immobilien
Darüber hinaus schlage ich vor, besonders betroffene Immobilieneigentümer im Sinne einer guten Nachbarschaft zu unterstützen. Dies bedeutet: bei stark Betroffenen der Kauf stark lärmbelasteter Wohnimmobilien und generell Kompensationen beim Verkauf von besonders lärmbelasteten Wohnimmobilien durch die Fraport AG.
9. Einführung eines Regionalfonds
Es soll ein Fonds eingerichtet werden, um die Kosten des zusätzlichen Passiven Schallschutzes und das Immobilienmanagement sowie gegebenenfalls darüber hinaus erforderliche Ausgleichsmaßnahmen für die Region zu finanzieren. In diesen Fonds sollen Lärmverursacher und die Landesregierung einzahlen. Ich erwarte, dass die Mittel für diesen Fonds sowie die Kosten für den Aktiven Schallschutz sich auf deutlich mehr als 400 Millionen Euro belaufen.
10. Forum "Zukunft Flughafen und Region" und Umwelt- und Nachbarschaftshaus
Region und Flughafen profitieren nur im Dialog voneinander. Entscheidend für ein vertrauensvolles Verhältnis ist dabei Transparenz und Offenheit. Sie sind durch ein eigenständiges Forum "Zukunft Flughafen und Region" sowie durch ein Umwelt- und Nachbarschaftshaus in unabhängiger Trägerschaft gewährleistet. Das Umwelt- und Nachbarschaftshaus übernimmt das Monitoring des Lärms und seiner Folgen, die Umwelt und die soziale Entwicklung. Als zukünftiger Sitz der Fluglärmkommission, des Fluglärmschutzbeauftragten und der Geschäftsstelle des Forums "Zukunft Flughafen und Region" ist es die zentrale Stelle für die weitere Arbeit an der Reduzierung des Fluglärms.
Es ist das Ziel meines Vorschlags, dass alle Möglichkeiten zur Entlastung der Bevölkerung genutzt werden. Umgekehrt gilt allerdings auch: Wir brauchen den Anti-Lärm-Pakt, um die Lärmschutzmaßnahmen umzusetzen - ohne ihn würde die Bevölkerung mehr belastet als notwendig. Wer ihn ablehnt, riskiert, dass diese Potenziale nicht genutzt werden.
Ich bitte daher das Regionale Dialogforum, alle Beteiligten am Luftverkehr, die Landesregierung, den Hessischen Landtag, die Kommunen und Kreise aber auch die Bürgerinnen und Bürger um Zustimmung und Unterstützung, damit dieser Anti-Lärm-Pakt Wirklichkeit wird.
Hier der Original-Text des Vorschlags des RDF-Vorsitzenden (24 Seiten)