Am Freitag, den 6.1.2006, begann die Diskussion am Vormittag mit den Tagesordnungspunkt 8.2.2.1 und 8.2.2.2, Kelsterbacher Wald bzw. Untermainschleusen. Am Privateinwender-Nachmittag gab es eine kleine Sensation: nachdem ein Einwender in 8 Anträgen verlangt hatte, die von Fraport angeführten Gründe für den Flughafenausbau kritisch zu hinterfragen, wurde die Existenz eines Briefs eines RP-Briefs zum Fraport-Gutachten "Luftverkehrsprognose" bekannt. Der Brief wurde aus der neu aufgestellten Verfahrensakte ausgegraben und sorgte fortan für Wirbel.
Der Bericht beruht heute auf einem kommunalen Protokoll. Er gibt eine kurze Übersicht über die behandelten Punkte und geht bis 16 Uhr.
FFH-Gebiet Kelsterbacher Wald
Rechtsanwalt Fislake verlangte, die Auswirkungen des Ausbaus hinsichtlich der FFH-Verträglichkeit über das Jahr 2015 hinaus zu betrachten und zu berücksichtigen. Er forderte erneut einen Ortstermin im Flughafen-Wald, um z.B. die heute schon zu sehenden Schadenseffekte an den Waldrändern an der Startbahn West und der ICE-Strecke in Augenschein zu nehmen. Weiterhin übte er Kritik an der vom Senckenberg-Institut im Auftrag der Vorhabensträgerin vorgenommenen AVA-Bewertung des Kelsterbacher Waldes. Dies soll unter TOP 9.3, Bilanzen, besprochen werden.
Rechtsanwältin Fridrich befasste sich mit rechtlichen Aspekten bei der Behandlung eines potenziellen FFH-Gebiets vor seiner offiziellen Meldung an die EU-Kommission. Bei einem vollständigen Entfallen eines solchen Gebietes könne eine Ausnahmegenehmigung nach der FFH-Richtlinie nicht durchgeführt werden. Sie zeigte weiterhin auf, dass es zwischen der Daten der Grunddatenerfassung zur FFH-Meldung (vom Dezember 2004) und den Planfeststellungsunterlagen beim Kelsterbacher Wald erhebliche Differenzen gebe, zum Beispiel bei den Flächengrößen der einzelnen Lebensraumtypen.
Danach diskutierte Fridrich Fragen zu den Lebensraumtypen im Bereich des RWE-Umspannwerks, hier gibt es vor allem den geschützten Borstgrasrasen. [Anmerkung: Das Umspannwerk wurde im Vorgriff auf den Ausbau verlegt, weil es der Nordwestbahn im Wege stehen würde - siehe auch Umspannwerk im Kelsterbacher Wald wird verlegt ]. Im Abrissplan tauche die Abtragung von Teilen des alten Umspannwerkes auf, während Fraport behaupte, die Verlegung des Umspannwerks habe nichts mit dem Ausbau zu tun. Sie fragte, warum nicht alles schon im Vorfeld abgerissen worden sei, und welche Auswirkungen des Abriss auf die FFH-Ausstattung des Kelsterbacher Waldes habe. Fraport antwortete, die Verlegung des Umspannwerks sei unabhängig vom Planfeststellungsverfahren, aber nach der aktuell durchgeführten Verlegung des Werks seien noch einige Gebäude verblieben, die beim Bau der Landebahn Nordwest dann abgerissen werden müssten. Rechtsanwalt Fislake verlangte vom RP, zu überprüfen, ob ein Abriss von Stromversorgungsanlagen (Altanlage der RWE im Rahmen des Planfeststellungsantrags der Fraport) planfeststellungspflichtig sei. Der Fraport-Rechtsanwalt meinte dazu, die RWE-Umspannanlage sei nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigt, und ein Abriss sei deshalb allein Sache der RWE.
EU-Vogelschutzgebiet "Untermainschleuse"
Danach wurde der Tagesordnungspunkt 8.2.2.2, Untermainschleuse (EU-Vogelschutzgebiet) eröffnet. Das RP trug dazu die wichtigsten Einwendungen vor.
[Anmerkung: Es handelt sich hier um Gebiete bei der Griesheimer Schleuse und der Eddersheimer Schleuse sowie den Mönchwaldsee. Karte und mehr zum Vogelschutzgebiet z.B. beim RP: RP Darmstadt zur Ausweisung des Vogelschutzgebietes.]
Als erster sprach Rechtsanwalt Fislake für Kelsterbach zum Thema. Er verlangte die Erweiterung der beantragten Ortsbesichtigung auf den Bereich um den Mönchwaldsee. Die Maßnahmen zur Herstellung der Hindernisfreiheit (Kürzung von Bäumen) müssten auch im Vogelschutzgebiet Untermainschleuse durchgeführt werden. Der Möchwaldsee würde durch diese Maßnahme angeschnitten [ragt in den für die Landebahn abgeholzten Bereich hinein, wird also zur Landebahn hin geöffnet]. Deshalb gebe es weitere Beeinträchtigungen durch Schadstoffe (von Flugzeugemissionen), Lärm und Wirbelschleppen, die ungehindert zum Gebiet vordringen könnten. Zwischen den vorgelegten Gutachten zum Vogelschlag und der FFH-Verträglichkeitsprüfung gebe es Widersprüche zum weiteren Bestehen des Waldsaums um den Mönchwaldsee. Die Vögel am See würden durch die im Vogelschlaggutachten vorgeschlagenen Vergrämungsmaßnahmen (Schreckschussanlage) beeinträchtigt. Nach der der landschaftlichen Begleitplanung (LBP) solle nördlich des Mönchwaldsees ein Amphibienteich als Ersatzmaßnahme geplant werden. Dadurch könnte sich das Vogelschlagrisiko verstärken und noch mehr Vergrämungsmaßnahmen nötig sein. Fraport antwortete, die Waldrodungen entlang des Mönchwaldsees führten zu keiner wesentlichen Beeinträchtigung des Vogelschutzgebietes. Es bleibe ein vollständiger Waldsaum um den See bestehen. Beeinträchtigungen durch Schadstoffe seien nicht zu erwarten. Vergrämungsmaßnahmen würden nur ganz vereinzelt eingesetzt und würden die Vögel am See nicht stören. Der Amphibienteich habe keine Auswirkungen auf das Vogelschutzgebiet. Das Vogelschlagrisiko werde nicht erhöht, dass zeigten Untersuchungen an vergleichbaren Standorten.
Rechtsanwältin Fridrich meinte, ein erhöhtes Vogelschlagrisiko müsse in der Verträglichkeitsprüfung zum Vogelschutzgebiet Untermainschleuse berücksichtigt werden. Sie wollte von der Oberen Naturschutzbehörde den aktuellen Sachstand der Gebietssicherung "Untermainschleuse" wissen. Fraport sagte dazu, das Vogelschlaggutachten sei zum Teil für die Verträglichkeitsprüfung berücksichtigt worden. Der Vertreter der Oberen Naturschutzbehörde teilte mit, das Vogelschutzgebiet Untermainschleuse befinde sich in der zweiten Offenlage, mit einer endgültigen Sicherstellung sei im Frühjahr 2006 zu rechnen. Ein Experte der Stadt Rüsselsheim bestritt die Darstellung von Fraport, ein Waldsaum um den Mönchwaldsee könne trotz neuer Landebahn weiterhin Bestand haben. Er verwies auf strenge Anforderungen der Fraport bei Anpflanzungen in der Umgebung des Flughafens in der Vergangenheit.
Rechtsanwalt Schröder forderte zu Beginn seines Vortrags ebenfalls einen Ortstermin und bestritt den Fortbestand eines Waldsaums um den Mönchwaldsee. Schon geringe weitere Beeinträchtigungen z.B. durch Waldrandeffekte oder andere Dinge könnten zu unabsehbaren Konsequenzen für das Vogelschutzgebiet führen. Er verlangte von Fraport eine Garantieerklärung dafür, dass der Waldsaum bestehen bleibe. Fraport lehnte das ab, es sei nicht notwendig. Gutachter Müller-Pfannenstiel erklärte, die Erkenntnisse zu den Lärmwirkungen auf Vögel seien durch durch neuere Forschungen abgesichert.
Weitere Akten sind angekommen
Vor der Mittagspause erklärte das RP, dass ab jetzt die beantragten DVDs mit den Akten (Stellungnahmen aller Kommunen und Verbände) abzuholen seien. Weiterhin gebe es drei PC-Arbeitsplätze zur Einsichtnahme der DVD in der Stadthalle. Ein weiterer Teil der Verfahrensakte sei jetzt aufgestellt worden. [Ein Satz Akten steht in der "Wandelhalle" im ersten Stock, ein weiterer im Foyer bei der Anmeldung. Die Zahl der Ordner wurde auf 80 geschätzt, wegen der verwendeten römischen Zahlen zur Nummerierung der Ordner kann man es nicht so gut sehen, wenn die Beschäftigung mit (großen) römischen Zahlen schon länger her ist ...]
Privateinwender-Nachmittag
Zu Beginn des Privateinwender-Nachmittags sprach Herr Timm von der BI Neu-Isenburg. Er befasste sich eingehend mit der Frage der Rechtfertigung des Flughafenausbaus (Luftverkehrsprognose, Arbeitsplätze) und stellte im Verlauf seines Vortrags acht Anträge auf zusätzliche Gutachten:
- Antrag auf Erstellung eines Gutachtens, das die Wechselbeziehungen zwischen landespolitischen Mandatsträgern und der Fraport als Vorhabensträgerin
- Erstellung einer Szenariountersuchung zur Entwicklung des Luftverkehrs im Gegensatz zu dem ungenügenden Prognosegutachten der Vorhabensträgerin
- Überprüfung der für den Ausbau ausschlaggebenden Prämissen die veränderten Marktgegebenheiten hin durch neutrale Gutachter
- Neutrales Gutachten zu der Fragestellung, wie ein Ausbau ohne ein gerichtsfestes Nachtflugverbot verhindert werden kann
- Abstimmung des Vorhabens mit dem Masterplan der Europäischen Union zur Entwicklung des europäischen Luftverkehrs
- Gutachten zu der Entwicklung der Luftfracht und Verlagerungsmöglichkeiten auf andere Flughäfen
- Erstellung eines zukunftsfähigen Standortkonzeptes für die Region durch ein neutrales, flughafenunabhängiges Institut im Rahmen der Alternativenprüfung
- Überprüfung der von Fraport-Gutachtern (insbes. Prof. Baum) aufgestellten These, ohne Ausbau gebe es für die Region erhebliche negative wirtschaftliche Konsequenzen, durch ein unabhängiges Gutachten
Den gesamten Vortrag mit ausführlichen Begründungen finden Sie hier im Original:
Der sensationelle RP-Brief
Leider waren wir bei der Entdeckung des brisanten RP-Schreibens, dass noch Tage durch die Presse gehen sollte, nicht selbst dabei - also alles ohne Gewähr! Augenzeugen berichteten, Herr Timm habe sich während seines Vortrags zur grundlegenden Rechtfertigung des Ausbaus auch darüber beschwert, dass das RP die berechtigten Gegenargumente der Einwender nicht ernst nehme und auf Seiten der Fraport stehe. Dies habe einen genervten RP-Mitarbeiter auf dem Podium zu der Äußerung veranlasst, es seien jetzt die Akten da, dort befinde sich ein Brief des RP, der das Gegenteil beweise. Daraufhin stürzten sich Anwälte/Einwender auf die Akten und buddelten den Brief aus - das Team der Stadt Offenbach reklamiert für sich, ihn gefunden zu haben. Am Sonntag präsentierte die Stadt Offenbach den Brief der Presse.
In dem Schreiben vom 24.11.2005 weist das RP das Ministerium vorausschauend auf gravierende Mängel im zentralen Gutachten der Fraport zur Luftverkehrsprognose hin und deutet an, das Gutachten müsste überarbeitet oder neu gemacht werden. Damit hatten die Argumente der Einwender zumindest bei RP Wirkung - das Ministerium wiegelte gleich ab.
Erörterungstermin PFV Landebahn Nordwest Naturschutzgebiet Umweltverträglichkeits-Prüfung (UVP) Flora-Fauna-Habitat Richtlinie (FFH) Vogelschutz-Gebiete (im Rhein-Main-Gebiet)