Die Diskussion am Dienstag, den 13.12.2005, ging um Tagesordnungspunkt 6.1, Luftschadstoffe (alle Unterpunkte). Es ging um Berechnung und Einhaltung der Grenzwerte für Schadstoffe und um deren Wirkung auf die Gesundheit. Fraport-Gutachterin Dr. Tesseraux gab Auskunft zum humantoxikologischen Gutachten (G14). Die Detaildiskussion brachte keine wesentlich neuen Erkenntnisse.
Der Bericht beruht heute ganz überwiegend auf einem Protokoll von Herrn Heuser, das nur wenig redaktionell bearbeitet und ergänzt wurde.
Juristische Fragen: EU-Grenzwerte sind entscheidend
Die Erörterung wurde heute wieder von Herrn Gaentzsch geleitet. Rechtsanwalt Kupfer begann mit grundlegenden Ausführungen zu rechtlichen Geboten im Bereich der Luftreinhaltung auf EU-Ebene und deren Vorgaben für das nationale Recht. Die Immissionsgrenzwerte seien zwingende Vorgaben, ohne deren Einhaltung ein Vorhaben nicht genehmigt werden dürfe. Ein Verrechnen der Fortschritte auf anderen Gebieten des Verkehrs, wie Fraport es macht, sei unzulässig, der einzelne Emittent habe seinen Schadstoffausstoß zu reduzieren. Schon aus diesem Grund sei das Vorhaben zwingend unzulässig. Er sehe keine Gründe, die bei einer Abwägung die gewichtigen Gründe bei der Luftreinhaltung aushebeln könnten. Fraport antwortete darauf, die Grenzwerte seien keine Grenzwerte zur Gefahrenabwehr im engeren Sinn, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts handele es sich eher um eine Frage der Abwägung als von strikten Grenzwerte. Selbst in Kelsterbach seien die Belastungen nicht so groß, dass etwas getan werden müsste. Die Grenzwerte seien nur leicht überschritten. Zudem überschätzten die Berechnungen die Belastung, bei Messungen seien es bisher weniger gewesen. Deshalb ließe sich das Problem wahrscheinlich lösen.
Fraport: Kein Handlungsbedarf
Verhandlungsleiter Gaentzsch gab wieder eine seiner juristischen Einschätzungen ab. Er überlegte, ob Fraport Auflagen gemacht werden könnten. Rechtsanwalt Kupfer widersprach mit detaillierten juristischen Ausführungen. Ein Einwender stellte die Frage, wie Fraport trotz der zugegebenen Überschreitungen eine Genehmigung begründen wolle. Herr Lurz erläuterte für Fraport, man setzte bei den Immissionen verschiedene Prioritäten. Bei geringfügigen Überschreitungen gebe es keinen Handlungsbedarf, bei einer deutlichen Überschreitung wäre das etwas anderes (und die habe man ja nicht). Außerdem wies er darauf hin, dass ja die Belastung durch Straßenverkehr abnehme. Von Herrn Herr Gaentzsch kam der Standardspruch: "Die Planfeststellungsbehörde wird das beachten müssen". Er machte eine "Anmerkung zum Nachdenken": das größte Einsparpotenzial habe der Kfz-Verkehr. Der Einwender war nicht zufrieden. Es gebe Grenzwertüberschreitungen auf breiter Front, auch auf dem Flughafengelände. Der Ausbau induziere auch eine Menge Straßenverkehr. Fraport wiederholte, alles sei fachlich und juristisch bedacht worden und die Belastung würde eher unterschätzt. Zu den hohen Immissionen auf dem Gelände des Flughafens meinte Fraport: "Sie müssen ja nicht neben der 18 West spazieren gehen."
Emissionsfaktoren für 2015 falsch?
Herr Paulitsch, Einwender aus Offenbach, betonte, das Verursacherprinzip gelte auch für Fraport. Er zeigte eine eigene Tabelle mit Schadstoffmengen, die erheblich von den von Fraport vorgelegten abweichen. Paulitsch vermutete, man habe die Emissionsfaktoren des Jahres 2015 heruntergerechnet (sie seien nur halb so groß wie nach einer Hochrechung mit Basisjahr 2000. Zum Beispiel seien die Emissionsfaktoren für Ruß und PM10 für 2015 auf Null gesetzt. Er zweifelte den von Fraport zugrunde gelegten Kraftstoffverbrauch für Fahren zum Flughafen an. Paulitsch stellte mehrere Anträge: Fraport solle die Berechnungsgrundlagen offen legen. Die rechtlichen Grundlagen für die in den Planunterlagen angenommenen Schadstoffmengen-Reduktionen sollten genau benannt werden. Fraport konnte die Berechnungen nicht so schnell im Detail nachvollziehen. Frau Schreiber meinte, Fraport habe richtig gerechnet und so wie der Einwender gerechnet habe, könne man es nicht machen. So könne man nicht aus der Zahl der Flugbewegungen auf die Zahl der KFZ-Fahrten schließen, und Emissionsberechnungen seien nicht über Hochrechnungen zu leisten. Herr Paulitsch machte dazu einen einfachen Vorschlag: "Wenn sie uns ihre Rechengrößen nennen, könnten wir ja sehen, was sie genommen haben. Korrekte Ermittlungen kann man doch offen legen."
"Im Planungsfall gibt es mehr schadstoff-günstigere Flugzeuge"
Nach der Pause sprach ein Vertreter der Stadt Offenbach. Er bezweifelte, dass es bei einem Ausbau trotz erhöhtem Verkehrsaufkommen zu weniger Schadstoffausstoß kommen solle als ohne Ausbau. Die Aussage von Fraport, das käme durch den geänderten Flottenmix, sei nicht logisch. Die Triebwerke würden sich nicht unterscheiden, egal ob ausgebaut oder nicht ausgebaut würde. Fraport wiederholte, innerhalb der Flotten würde eine Veränderung stattfinden. Im Planungsfall gebe es mehr schadstoff-günstigere Flugzeuge. Es gebe zwar Zunahmen vom Ist-Zustand auf den Planungsfall, aber die seien nur sehr gering. Es komme auf die Immissionsorte an. Der Einwender hielt die Aussage, dass immer nur geringfügige Steigerungen eintreten sollen. für unredlich, und beschwerte sich, dass Fraport die Verbesserungen auf anderen Gebieten "verfrühstückt", die eigentlich eine Verbesserung für die Bevölkerung bringen sollten. Ob für Offenbach auch alles besser würde? Hier meinte Fraport, die Modellrechnungen könnten die Sonderfaktoren z. B. in Offenbach nicht erfassen, diese hätten zum Vorhaben keinen Bezug. Offenbach bestand auf einer Klärung der angeblichen Sondersituation in Offenbach.
NO2-Berechnung der Fraport falsch?
Danach sprach ein offensichtlich sehr sachkundiger Privateinwender aus Okriftel. Nach den Messungen der HLUG über die drei Jahre 2001 bis 2003 seien die verwendeten Prognosen der Fraport nicht geeignet, sie unterschätzen die Belastungen, vor allem beim NO2. Er nannte ein Gutachten zu Belastungen an Autobahnen in Tirol, die die prinzipiell richtigen Messwerte der HLUG bestätigten. Die von Fraport verwendeten Formeln sind total veraltet, schon heute nicht mehr zutreffend, erst recht nicht für 2015. Die Hintergrundbelastungen seien falsch dargestellt. Es würden modellierte Mittelwerte von 1997 mit Messwerten von 2000 vermischt, was zu günstigeren Werten führe. Nur die Daten einer Station (Raunheim) zu verwenden, weil die anderen angeblich unbrauchbare Daten lieferten, ließe einen üblen Verdacht aufkommen - die von ihm betrachteten anderen Stationen würden andere Aussagen ergeben. Der Einwender stützte sich hierbei auf das UBA, den Wetterdienst und andere vom Flughafen unabhängige Institute. Die Anfang der 90er-Jahre aufgetretenen günstigen Trends seien inzwischen nicht mehr feststellbar, sie kehrten sich sogar um.
Der Einwender erläuterte weiter, NO2 und NOX könnten nach den von Fraport verwendeten Formeln nicht korrekt berechnet werden. Die Belastungen seien nicht geringfügig. NO2-Werte würden aufgrund der steigenden Ozonbelastung stärker ansteigen. Mit dem Trend zu geringerem Treibstoffverbrauch bei den Flugzeugen steige der Ausstoß mehrerer anderer Schadstoffe. In den Betrachtungen fehle ihm auch die Bewertung der Kondensstreifen. In der Folge des 11. September gab es über den USA flugfreie Tage ohne Kondensstreifen, aus deren Fehlen man eine erhebliche Auswirkung der Kondensstreifen auf das gesamte Klima ableiten könne. Fraport antwortete, der Trend zur Unterschätzung könne nicht aus drei Jahren abgeleitet werden. Die modellierten Werte seien bestätigt, die Romberg-Formel sei richtig. Die verwendete Methode sei speziell entwickelt und genau das Werkzeug, das man brauche. Von einer Erhöhung der Temperaturen (Klima) sei nicht auszugehen. Hier gab es heftige Proteste im Saal. Der Vertreter des HLUG bestätigte, dass sich frühere Annahmen deutlich verschoben hätten, z.B. bei den Autoabgasen. Die Romberg-Formel sei nicht total falsch, es sei aber zu prüfen, ob und wie man die Veränderungen berücksichtigen müsse. Hier sei Grundlagenforschung nötig.
Es entstand eine Diskussion zwischen Fraport einerseits und dem Einwender und dem HLUG-Vertreter andererseits. Fraport wiederholte, man habe alles richtig berücksichtigt gerechnet, ohne jedoch präzise Daten und Argumente dafür zu liefern. Die Station Raunheim sei in Ordnung, dort ließen sich die von Fraport angenommenen Raten der Absenkung exemplarisch zeigen. Die Kondensstreifen seien kein Problem des Vorhabens. Es gab keinen Konsens. Rechtsanwalt Diederichsen stellte den Antrag, die Gutachten nach den derzeit gültigen Maßstäben zu überarbeiten. Es seien wesentliche Grenzwertüberschreitungen zu erwarten.
Kelsterbach bald Luftkurort?
Rechtsanwalt Fislake erinnerte Fraport an die Beantwortung seiner Fragen vom Vortag. Er kritisierte, aus den Planunterlagen könne man noch nicht einmal den Treibstoffverbrauch erkennen. Es solle nur Zuwachsraten geben, die nicht glaubhaft seien. Die Belastung in Kelsterbach seien immer noch nicht abschließend geklärt: "Nach Fraport ist das bald ein bald kostenpflichtiger Luftkurort." Rechtsanwalt Kupfer habe die Rechtslage zutreffend dargestellt. Die "Handlungsfreiheit" der Behörden habe das Bundesverwaltungsgericht inzwischen erheblich eingeschränkt. Der Flughafenausbau sei eine ganz erhebliche Quelle für den Schadstoffausstoß, den man nicht als unerheblich abtun könne. Fislake kritisierte die Bezeichnung "Gesamtimmissionen" für den Tagesordnungspunkt 6.1.4. Eine Sicht aller Belastungen finde sich in den Planunterlagen nicht und das "Zusammenrühren" hier sei unzulässig. Es müsse untersucht werden, was passiere, wenn auf eine vorhandene Belastung des Menschen ein weiterer Schadstoff hinzukomme (Gesamtwirkung). Ohne medizinische oder chemische Fachleute gehe das nicht. Eine Jahresmittelung bei den Schadstoffen könne nicht korrekt sein, wenn man sonst immer die 6 verkehrsreichsten Monate genommen habe. In der Betrachtung einzelner Karten gibt es Steigerungen, in der Summe aber nicht, dies sei fraglich.
Fislake fuhr fort, die verwendeten Daten für Rüsselsheim seien nicht brauchbar. Ein Einwender aus Rüsselsheim ergänzte, es gebe dort keine Messstation, die "nächsten" seien weit weg. Man habe deshalb beim PM10 selbst gemessen. Die Ergebnisse seien fast deckungsgleich mit Kelsterbach und Raunheim. Das bedeute, man habe in Rüsselsheim genau so hohe "rote" Belastungen wie in der Nachbarschaft. Da in Wohngebieten ohne großen Straßenverkehr gemessen wurde, müsse die Belastung vom Flughafen kommen. Fraport sah in dieser Aussage dagegen eine Bestätigung ihrer Aussagen.
Belastung in Kelsterbach exakt ermitteln
Nach der Mittagspause kritisierte eine Vertreterin des Kreises Groß-Gerau, im Schwanheimer Wald gebe es einen Waldkindergarten, wo sich die Kinder stundenlang im Freien aufhalten würden. Auch ganze Schulklassen nutzten den Wald und die Schwanheimer Wiesen als Unterrichtsort und Ausflugsort. Es gehe nicht an, da nur von kurzfristigem Aufenthalt zu reden, bei denen die Einwirkungen der Schadstoffe zu vernachlässigen seien.
Rechtsanwältin Philipp-Gerlach sorgte sich um die Bürger von Kelsterbach, die aus den Karten die zu erwartende Gesamtbelastung nicht entnehmen könnten. Die Karten seien zu grob, man könne nicht sehen, wo die Straßen sind, und man könne die eingetragenen Zahlenwerte nicht zuordnen (das schon am Vortag erwähnte Problem, dass ein Grenzwert von 40 Mikrogramm sowohl in gelb/orangefarbenen als auch in roten Quadraten eingezeichnet ist). Fraport erläuterte erneut, gelb sei unter 40, rot darüber - in den hinteren Kommastellen. Philipp-Gerlach war nicht zufrieden und fragte, ob die Grenzwerte wirklich an den Kanten der Quadrate enden würden. Daraufhin sagte der Vertreter des HLUG, so genau ließe sich das nicht bestimmen, und auch das RP kam zu dem Schluss, dass man in den Karten die Grenzwerte nicht ganz exakt darstellen könnte:" Wir sollten auch die Zahlen hinter dem Komma kennen". RA Philipp-Gerlach stellte den Antrag, die Belastungen für die Betroffenen exakt zu ermitteln.
Fraport wollte das nicht gern tun: "Ob in Wirklichkeit in 2015 so genau die Grenzen sein werden, kann man nicht sagen. Aber wir haben sorgfältig prognostiziert", meinte Herr Lurz. Prof. Katschner ergänzte, es gehe mehr um die Rechenmethode. Abgrenzungen mit einer Genauigkeit von 0,01 seien bei einer Prognose unrealistisch. Es komme auch auf die Nutzungen der Grundstücke an, z.B. wie hoch ein dort stehendes Wohnhaus belastet sei, bei NO2-Werten nahe der Grenze (zwischen 34 und 40 Mikrogramm) solle man hier genauer hinschauen. Das sei auch für die Mediziner wichtig. Die 24-Stunden-Werte seien schon brauchbar, man müsse aber nicht 24 Stunden der Belastung ausgesetzt sein, um geschädigt zu werden. Ein Asthmakranker reagiere schon nach ein paar Minuten. Zudem seien langfristige Aussagen zu Klimatrends eher unzuverlässig. Nicht alles trete genau wie prognostiziert ein, in jedem anderen kleinen Raum gebe es andere Bedingungen. Rechtsanwalt Fislake fragte anhand der Karten, es sei nicht erklärlich, wieso die Belastungen ausgerechnet einen Bogen um das Wohngebiet machen würden. Beim Lärm würde Fraport grundstücksgenau rechnen, bei den Schadstoffen aber nicht. Dazu müsste man eben ein kleineres Raster nehmen und einen höheren Aufwand bei der Berechnung treiben. Das RP beendete damit dem kurzen Tagesordnungspunkt 6.1.4 , Gesamtimissionen.
TOP 6.1.5 - Auswirkungen des Waldes feststellen
Danach erläuterte das RP die wesentlichen Einwendungen zu TOP 6.1.5, Besonderheiten zum Schutzgut Luft in der UVP. Diese waren: Ablassen von Kerosin über Wohngebieten, die Nicht-Berücksichtigung der Waldrodungen und der Wunsch, Filterwirkungen des Waldes seien zu messen. Nur Rechtsanwalt Fislake äußerte sich zu diesem Punkt und forderte nachdrücklich eine belastbare Prognose über die Wirkungen des geänderten Waldbestandes. Sie solle auch erfassen, was nach 2015 geschehe, wenn der Restwald sich voraussehbar negativ ändere - es komme nicht nur darauf an, was durch das Vorgaben unmittelbar passiere, sondern was am Ende herauskommt. Fislake monierte, das Wildgehege der Stadt Kelsterbach sei nicht betrachtet worden. Damit war dieser Tagesordnungspunkt schnell beendet.
Gesundheitsschäden durch Luftschadstoffe
Nächster Tagesordnungspunkt war 6.1.6., Gesundheitsbeeinträchtigungen, Humantoxologie. Dazu erschien für Fraport die Gutachterin Dr. Tesseraux, die das Feld Humantoxikologie bearbeitet hat.
Rechtsanwalt Kupfer übte zum Auftakt der Debatte Kritik, die Belastungen für die Betroffenen seien nicht ausreichend dargestellt und untersucht. Es gebe nur eine Darstellung der humantoxikologischen Stoffe. Es gebe aber keine Grenzwerte und keine Darstellung der Wechsel- und Zusammenwirkungen. Es fehle eine Bewertung der Zunahme der Todesfälle bei einer bestimmten Steigerung der Feinstäube. Nur PM10 werde betrachtet, man müsste auch PM2,5 betrachten, das nach neueren Untersuchungen sehr gefährlich wäre.
Dr. Tesseraux sagte, ihr Auftrag sei gewesen, die Belastungen auf Grund der von Fraport vorgegebenen Daten zu bewerten. Bei den Feinstäuben seien die Grenzwerte nicht gleich der Schwelle der Unbedeutsamkeit. Das gelte für viele andere Stoffe auch. Sie habe betrachtet, was von der Weltgesundheitsorganisation vorgeben sei. Statt von "zusätzlichen Todesfällen" sollte man von verkürzter Lebenszeit sprechen, um Wochen oder Monate. Alle Werte seien im Vorsorgebereich angesiedelt. Auch unterhalb der Grenzen gebe es ein Risiko, aber ein vernachlässigbar kleines. Das würde erst erkennbar durch sehr hohe Zahlen untersuchter Personen. Sie habe genau die Stoffe abgeprüft, die als schädigend in Frage kommen. Es gebe keinen einzigen Stoff, der ausschließlich dem Flugverkehr zugeordnet werden könne. Der Feinstaub PM10 könne aus vielerlei bestehen. PM10 sei ein Indikator für viele andere Stoffe von Ruß bis hin zu biologischen Stoffen. Kombinationswirkungen mit Lärm seien im Gutachten angesprochen, sie seien möglich, man benötige hier epidemiologische Studien. Für kleinere Partikel als PM10 gebe es noch keine expliziten Studien, nur Hinweise. Ob das an einem Flughafen wirke, sei nicht zu beantworten, dazu müsste es eine große epidemiologische Studie geben. Eine solche in Amsterdam habe nichts an zusätzlichen Belastungen gegenüber dem Straßenverkehr gezeigt. PM2,5 sei immer ein Teil von PM10 (nach Aussagen von Fraport 60 bis 70 % ). Grenzwerte könne man derzeit nicht benennen, es gebe keine Erkenntnisse über eine Dosis-Wirkungs-Beziehung. Die Erhöhung der Mortalität könne man nur als einen früheren Eintritt des Todes bezeichnen, man dürfe nicht von zusätzlichen Toten sprechen.
Auf die Frage nach Messungen von PM2,5 sagte Fraport, man habe hier nicht gemessen, da es keine Grenzwerte gebe. Rechtsanwalt Kupfer meinte dazu, die Gesundheit der Betroffenen sei trotzdem zu schützen. Er fragte, ob geklärt sei, dass es in Offenbach eine höhere Krebsrate gebe als anderswo, und bezweifelte die Aussage, der jetzige Grenzwert zum Feinstaub sei in 2010 nicht mehr gültig. Dr. Tesseraux erwiderte, die Erkenntnisse würden ständig verbessert: "Unser Vorgehen ist menschenfreundlich". Später müsse man erneut sehen, was dann gelte. Der jetzt für 2010 geplante EU-Grenzwert für PM10 werde revidiert werden, es würde statt eines neuen Wertes eher einen zusätzlichen Wert für PM2,5 geben. Es sei wahrscheinlich wirksamer, die Partikelzahl zu begrenzen. Rechtsanwalt Kupfer bat um die Fundstelle für diese EU - Pläne (sie wurde genannt, es ist nur ein Arbeitspapier). Auf die Frage, ob die Gutachterin die von Fraport vorgelegten Daten auf Plausibilität geprüft habe, sagte Fraport, dies sei nicht ihre Aufgabe gewesen.
Nach der Pause ging die Diskussion über die Feinstäube weiter. Prof. Katschner sagte, es sei besonders wichtig, die Herkunft der Feinstäube zu klären, auch die Abgrenzung des Untersuchungsgebietes sei bedeutsam - Fraport bestand darauf, der Anteil des Flughafens sei hier sehr gering und das Gebiet ausreichend. Ein Einwender antwortete, die Aussagen von Fraport würden durch Wiederholung nicht richtiger. Es sei unzulässig, ab 2010 das PM10 nicht mehr zu berechnen und das PM2,5 auch nicht, weil dies noch nicht verbindlich sei. Er stellte den Antrag, für die Privateinwender aus Hattersheim die Belastung zu ermitteln.
Rechtsanwältin Philipp-Gerlach fragte nach der Plausibilität der Daten und nach der Bewertung der (geringen) Überschreitungen der Grenzwerte in Kelsterbach. Dr. Tesseraux sagte, sie könne die gemachten Berechnungen nicht überprüfen, sie habe nur den Planungsfall mit dem Ist-Zustand verglichen und die Änderungen dargestellt, nicht aber die Grenzwerte festgestellt. Auch eine geringe Überschreitung bedeute, dass das Gesetz eingehalten werden und etwas getan werden müsse. Für den Fall Kelsterbach sagte sie, es mache medizinisch keinen Unterschied, ob der Wert 38,5 oder 40 sei, das sei eine juristische Größe. Sie habe eine Fülle von Stoffen betrachtet, zu denen es überhaupt keine Grenzwerte gibt. Philipp-Gerlach fragte nach einer Untergrenze: "Meine Mandanten wollen wissen ob ihre Gesundheit gefährdet wird, Artikel 2 GG! Was ist bei vorbelasteten Personen, wie und in welchem Umfang werden die weiter belastet? Ein Mediziner müsste mir sagen, ob bei einer Zunahme eine Wirkung zu erwarten ist." Tesseraux erwiderte, sie habe zu jedem Stoff eine Bewertung abgegeben. Es sei nicht so, dass jemand bei einem bestimmten Wert einen Gesundheitsschaden erleide. Sie habe Vorsorgewerte aus der TA Luft genommen. Zur Frage der Mittelwerte und Spitzenwerte sagte sie, für besondere Gruppen gebe es auch Kurzzeitwerte, auf die diese reagierten, diese würden aber nicht dauerhaft schädigen. Dafür gebe es die Durchschnittswerte. Zur Frage nach amerikanischen Studien, nach denen im Bereich von Flughäfen erhöhte Krebsraten festgestellt worden sei, sagte Tesseraux, die Befunde seien nicht signifikant, es gebe keinen Bezug zum Betrieb eines Flughafens.
Philipp-Gerlach fragte nach den Folgen des Reifenabriebs beim Bremsen der Flugzeuge und danach, was in Schwanheim gemesen werde. Tesseraux erklärte, Schwanheim sei ein unbelasteter Standort zur Gegenprüfung. [Das Schwanheim unbelastet sei, wollte ein Einwender der dort wohnt, nicht glauben]. Der Reifenabrieb habe keine Bedeutung, sagte Tesseraux.
Rechtsanwalt Fislake hielt fest, es müsse auch gegen geringe Überschreitungen etwas getan werden, Frau Tesseraux sage aber nicht was. Er zeigte an einem Stadtplan von Kelsterbach die Auswirkungen der Schadstoffe nach den Fraport-Karten, die Grenzen machten "sehr merkwürdige Sprünge". Die Anhörungsbehörde müsse feststellen, ob das von Fraport vorgelegte Material zur Beurteilung der Gesundheitsschäden ausreichend sei. Das Wort von der Lebenszeitverkürzung sei ausserordentlich unglücklich. Für Betroffene in Kelsterbach sei das mehr als zynisch. Er fragte, wie man die PM10 von den Krebstoten unterscheiden wolle? Fislake weiter: "Das Gutachten ist unbrauchbar. Wir haben aber immerhin gelernt, dass es einen Wirkzusammenhang zwischen Lärm und Luftschadstoffen gibt. Auch Kelsterbach ist als Stadt berechtigt Einwendungen zu erheben. Sie hat sich schützend vor ihre Mitarbeiter zu stellen. Sie ist auch Schulträger und eine Schule liegt im betroffenen Schadstoffgebiet. Die Beeinträchtigungen sind schön gerechnet. Wir fordern, dass grundstückscharf gerechnet wird. Die Bürger müssen erkennen können, ob und wie sie beeinträchtigt sind."
Die Fragen von gestern (zum KFZ-Verkehr) seien immer noch nicht beantwortet, ärgerte sich Fislake. "Wenn andere sich an die Geschwindigkeitsbegrenzungen halten, darf ich sie deshalb nicht überschreiten. Sie wollen das aber mit ihrer Aufrechnung. Das RP hätte mindestens im Hinblick auf die Rückgänge bei den Kfz prüfen müssen, was als Alternative gelten soll, wenn die euphemistischen Annahmen der Fraport so nicht eintreten. Ein Zusammenwirken kleinster Dosen verschiedener Schadstoffe kann auch zu Beeinträchtigungen führen. Das ist auch noch völlig offen."
Sitzungsleiter Hoepfner kommentierte an dieser Stelle, es "könne durchaus sein, dass die Gesundheitsbelastungen weiter geprüft werden müssen".
Keine kleinräumigen Betrachtungen zur Gesundheit
Ein Vetreter der Stadt Neu-Isenburg, beschwerte sich, die Feinstaubwirkung würde von Dr. Tesseraux verharmlost. Er zitierte aus dem Gutachten G14 S. 59: "Das Risiko wird als unbedeutend eingestuft". Dem Faktenblatt der EU 04/05 sei aber zu entnehmen: "Anhaltende Feinstaubbelastung führt zu wesentlich verkürzter Lebenserwartung, Feinstäube können auch Krebs verursachen".
Dr. Tesseraux versuchte den Begriff verkürzte Lebenserwartung zu erläutern: "Bei den Toten, richtiger den verkürzten Lebenserwartungen geht es um statistische Größen. Ich kann keine anderen Begriffe nehmen. Es ging um alte Menschen, die im Sterben lagen. Das hat nichts mit Emotionen zu tun. Die Grenzwerte wurden aus dieser vorgezogenen Sterblichkeit gezogen. Aus solchen Erkenntnissen wurden Grenzwerte gezogen, es geht um große Kollektive. Ich habe bei einer großen EU-Untersuchung gearbeitet, die Erkenntnisse kann ich nicht auf den wesentlich kleineren Raum des Flughafens Frankfurt herunterbrechen. Dazu taugen diese Bewertungsgrößen nicht. Das Risiko im Verkehr zu sterben, ist höher. Trotzdem wollen wir bei den Luftschadstoffen etwas tun." Auf die Frage, wie die jetzigen Äußerungen mit der vorherigen Aussage zusammen passen würde, bei einem gewissen Grenzwert seien die Risiken nicht beachtlich, antwortete Herr Lurz, man verlange jetzt eine juristische Bewertung von einer Medizinerin. Fraport habe das aus rechtlicher Sicht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung gesehen. Es sei letztlich eine Aufgabe der Planfeststellungsbehörde.
Tesseraux meinte zum Risiko, sie halte ein Risiko ab 1 zu einer Million für unbedeutend. Auf die Frage von Rechtsanwalt Kupfer nach der betroffenen Kelsterbacher Bevölkerung sagte sie, auf so kleine Gruppen (1000 Leute) könnte man aus den vorliegenden Studien das Risiko nicht legitim herunterrechnen. Kupfer zum RP: "Es gibt also keine kleinräumigen Betrachtungen zur Gesundheit. Daran fehlt es also". Fraport meinte, man könne trotzdem einen Grenzwert festsetzen. Die Einwender waren mit den Aussagen gar nicht zufrieden. Die konkreten Auswirkungen des Vorhabens seien zu ermitteln, die Bürger der betroffenen Städte müssten wissen, was an Belastung auf sie zukomme und was das für sie bedeute. Was man nicht wisse, sei durch eine Studie zu klären. Das RP erklärte hier den Tagesordnungspunkt 6.1.6 für beendet.
Im Galopp durch den Rest des Tagesordnungspunktes 6.1
Als nächstes kam TOP 6.1.7, Bauimmissionen, zur Sprache. Fraport sagte, alle von Rechtsanwalt Fislake genannten Beeinträchtigungen seien berücksichtigt worden. Ein Einwender verwies auf negative Erfahrungen beim Abbruch der AirBase, der Lärm sei bis in die Abendstunden in Walldorf zu hören.
Beim TOP 6.1.8, Sonstiges, wurde unter anderem die Frage gestellt, welche Maßnahmen vorgesehen seien, um eine Überschreitung der Grenzwerte zu verhindern. Fraport sprach hier von deiner Verringerung der Immissionen durch Verringerung des PKW-Zubringerverkehrs und Projekten im Rahmen von DIN ISO 9001. Einwender mahnten an, im PFV-Beschluss einen Luftreinhalteplan zu prüfen.
Die Diskussion wird am Donnerstag mit TOP 6.2, Sonstige Emissionen fortgesetzt.
"Sie müssen ja nicht neben der 18 West spazieren gehen."Sprüche des Tages:
- "Sie müssen ja nicht neben der 18 West spazieren gehen."
Fraport zur zu hohen Schadstoffbelastung an bestimmten Stellen auf dem Flughafengelände - "Ob in Wirklichkeit in 2015 die Grenzen genau so sein werden, kann man nicht sagen. Aber wir haben sorgfältig prognostiziert."
Herr Lurz, Fraport, zur erwarteten Luftschadstoffbelastung in Kelsterbach - "Nach Fraport ist das bald ein bald kostenpflichtiger Luftkurort."
Rechtsanwalt Fislake zur Schadstoffsituation in Kelsterbach
PFV Landebahn Nordwest Erörterungstermin Regierungspräsidium Darmstadt Schadstoffemission Schadstoffbelastung