Am heutigen Tag wurde weiter Tagesordnungspunkt 5.1.1., Bewertungsmaßstäbe für Fluglärm, diskutiert. Verschiedene Kritikpunkte an den Fraport-Gutachten wurden besprochen. Im Mittelpunkt standen erneut die Frage, ob das Jansen-Kriterium "6x60 dB(A) pro Nacht" wissenschaftlich begründet ist, und die in der Nacht zulässigen Lärmwerte.
Geschäftsordnungsfragen
Verhandlungsleiter Gaentzsch wies zu Beginn darauf hin, dass kranke oder durch andere wichtige Gründe an der Teilnahme verhinderte Privateinwender schriftlich beantragen können, gesondert gehört zu werden. Ein Einwender auf Offenbach fragte nach, warum am Freitagnachmittag - dem "Bürgernachmittag", immer uniformierte Polizei anwesend sei und an anderen Tagen nicht. Das RP sagte dazu, die Polizei würde selbst entscheiden wann sie da sein will. Andere Einwender beschwerten sich über die Handhabung der Rednerliste. Selbst wenn man es morgens schaffe sich einzutragen, ist nicht sicher, dass man an diesem Tag auch wirklich noch drankommt. Erneut wurden bessere Bedingungen für berufstätige Privateinwender gefordert - ohne Ergebnis.
Was kostet der Lärmschutz?
Ein Einwender aus Offenbach äußerte sich irritiert über die Aussage von Prof. Scheuch, dass die Lärmfrage den Ausbau zu 99,9% entscheide. Er wollte wissen, welcher Teil der für Kompensationen angesetzten 187 Millionen für Lärmschäden verwendet würde. Die Summe von 187 Millionen erscheine im Vergleich zu den anderen Kosten niedrig. Außerdem beschwerte er sich, dass die Lärmauswirkungen nur bis zum Jahr 2015 betrachtet würden. Die Fraport-Gutachter blendeten neue Erkenntnisse aus und hätten einen "zu kurzen Gesundheitsbegriff". Fraport antwortete, der Anteil der Lärmschutzmaßnahmen an den 187 Millionen könne man nicht beziffern. Die Gutachter hätten die vorgegebenen Schutzziele betrachtet, zu weiteren Fragen Aussagen zu machen, sei nicht ihre Aufgabe gewesen. Verhandlungsleiter Gaentzsch sprang Fraport bei: über die Kosten würden nicht die Mediziner, sondern die Planfeststellungsbehörde entscheiden. Eine Vorhersage über 2015 hinaus sei nicht möglich. Wirtschaftliche Auswirkungen würden später untersucht. Er sehe, dass der Einwender eine größere Tiefe der Gutachten haben wolle. Der Einwender erwiderte, als Gründe für den Ausbau würden vor allem wirtschaftliche Gründe geltend gemacht, man müsse daher auch die (negativen) wirtschaftlichen Auswirkungen untersuchen.
Rechtsanwalt Haldenwang gegen Dauerschallpegel
Als nächster ergriff Rechtsanwalt Haldenwang für seine Mandanten in Neu-Isenburg und Raunheim das Wort. Diese seien seit Jahren nicht nur vom Lärm betroffen, sondern geschlagen. Dem Verhandlungsleiter Gaentzsch warf er Befangenheit vor und zweifelte an, dass dieser trotz seines großen Wissens alle Dinge juristisch zutreffend einschätze. Danach kritisierte er die Gutachten. Es seien hier einfach Betrachtungen von anderen Flughäfen auf Frankfurt übertragen worden, das sei nicht zulässig. Ebenso sei nach vielen Urteilen und der Literatur nicht zulässig, den Fluglärm nach anderen, großzügigeren Kriterien zu betrachten wie anderen Lärm. Man dürfe nicht warten, bis der Zusammenhang zwischen Lärm und Gesundheitsschäden eindeutig bewiesen sei, bereits der Anfangsverdacht auf mögliche Schäden müsste genügen. Für Herzkreislauf-Krankheiten und Bluthochdruck sei das hinreichend gegeben, worauf wollten die Gutachter denn noch warten? Sie sagten ja selbst, dass es besser sei, wenn es keine Nachtflüge gäbe.
Prof. Spreng antwortete selbst, nach ausdrücklicher Aufforderung von Haldenwang, er wolle keine Antwort von Fraport. Er erklärte, man würde sich an Geräusche gewöhnen, so würde man eine tickende Standuhr im Zimmer nicht mehr hören, wenn man lese. Lästigkeit sei nur als statistischer Zusammenhang bewiesen, nicht als kausaler Zusammenhang. Ob jetzt wirklich die Lärmdosis, als LEQ gemessen, eine Wirkung habe, sei nicht nachgewiesen. Er gab zu, die akustische Belastung müsse möglichst exakt erfasst werden. Das Ohr würde vor allem auf Veränderungen ansprechen. Die Menschen hörten keinen Mittelungspegel, sondern Einzelereignisse. [Anmerkung: diese Ansichten hat Spreng im Gutachten tatsächlich ausführlich vertreten. Fragt sich nur, warum er dann, wenn es um die Entscheidung geht, der gängigen Praxis zustimmt, den LEQ als wichtigstes und am Tag auch einziges, Kriterium zur Beurteilung der Lärmwirkung heranzuziehen?]
RA Haldenwang meinte, es gebe natürlich Situationen, in denen man den Lärm nicht oder nicht mehr wahrnehme, die Privateinwender würden aber unter dem Fluglärm leiden. Mit der gängigen Durchschnittsbetrachtung durch Dauerschallpegel werde man dem nicht gerecht. Die Rechtsprechung habe das schon festgestellt. Er fragte, wie man die vielen Schichtarbeiter, die tags schlafen müssten, erfassen wolle? Viele Einzelereignisse wirkten schädigend. So gebe es in Raunheim bis zu 600 Einzelereignisse am Tag. Bei einem Urteil zum Flughafen Düsseldorf habe man 60 dB(A) als gerade noch hinnehmbare Grenze betrachtet, in Frankfurt gehe es darüber hinaus. In Neu-Isenburg werde sich die Zahl der Einzelschallereignisse über 70 dB(A) verdoppeln, das werde von den Gutachtern schlicht weggemittelt. Im Taubengrund in Kelsterbach würde es nach dem Ausbau Überflughöhen von 150m geben, dort wohnten auch Menschen. Er fragte, wie die Gutachter unter solchen Umständen noch zu akzeptablen Werten kommen könnten. Ob Fraport ihnen die Daten vorgegeben habe?
Prof. Spreng antwortete, man habe die Aufgabe international gesehen und keine "Lex Frankfurt" gemacht. Die eingeführten Werte seien unabhängig und zum Teil neu. Er kenne die lokalen Messungen nicht, sie seien für die vorgeschlagenen Grenzwerte aber auch nicht relevant. Das RP meinte, die Bewertungsmaßstäbe seien im Gutachten definiert und im Gutachten 12.2 konkret für Frankfurt angewendet. Es sei zu prüfen, ob der Lärm korrekt ermittelt worden sei. Dr. Kühner, Experte für Lärmmessungen, sprach den Gutachtern als Lärmphysiker die Kompetenz ab. Sie gingen vom Wissensstand der 70er-Jahre aus. Eine Reihe von Baiszahlen habe sich seitdem geändert. Er fragte, warum man nicht die aktuellen Vorschriften (z.B. DIN-Normen) anwenden würde. So würden zum Beispiel bekannte Lästigkeitszuschläge für Fluglärm nicht angewendet. Außerdem wies Kühner darauf hin, dass man den Lärm erst erörtern könne, wenn die Frage geklärt sein, welche Kapazität man zugrunde legen solle.
Die wiederum veranlasste Spreng zu der Aussage, er sei doch nicht von gestern und er sehe den Menschen und dessen Gesundheit. Er kenne aber nicht alle technischen Verfahren und Vorschriften. Ein Privateinwender regte sich über die ganze Diskussion furchtbar auf. Er warf den Gutachtern, dem Planfeststellungsverfahren und dem "Rechtsstaat" Versagen vor.
Rechtsanwalt Geulen für Offenbach wies auf die Nachtflüge hin. Er kritisierte, die Gutachter würden vorschlagen, Nachtflüge in den ersten Teil der Nacht zu verlagern. Die Nachtruhe müsse aber 8 Stunden dauern, 6 Stunden oder sogar noch weniger seien nicht genug. "Die Mediationsnacht ist keine gesetzliche Größe, sondern eine beschönigende Bezeichnung", sagte Geulen. Bei einem solch gigantischen Projekt müssten die lärmmedizinischen Werte relativiert werden. Nach Tschernobyl habe man auch die bisherigen Grenzwerte gravierend heraufgesetzt.
Jansen-Kriterium - gibt es eine Begründung?
Rechtsanwalt Schröder brachte danach zahlreiche Kritikpunkte vor. Die naturwissenschaftlichen Grundlagen und die Methoden der Gutachten sei nicht akzeptabel. Das "Jansen-Kriterium" 6x60 dB(A) sei falsch. Prof. Griefahn habe zugestimmt, dass die Grundlagen veraltet seien. Er sehe einen Widerspruch, dass die vier Professoren trotzdem meinten, man könne ruhig mit falschen Methoden und Zahlen arbeiten. Bis jetzt sei noch nicht genannt worden, wo die tragende Begründung für das Kriterium stehe. Schröder warf den Fraport-Gutachtern vor, sei sagten selbst, dass sie hier keine Lärmmedizin betrieben hätten, sondern Rechtswissenschaft und Politik - dies sei der Obersatz ihrer Synopse. Sie würden darüber befinden, was juristische Bedeutung habe, ohne die dazu erforderliche Qualifikation. "Sie maßen sich an, festzustellen, was zumutbar ist."
Beim kritischen Toleranzwert werde eine falsche Definition zugrunde gelegt. Die bloße Möglichkeit eines (Gesundheits-)Schadens, erst recht der ausreichende Verdacht, müsse gelten. "Wie kommt es, dass ein so offensichtlich falsches Werk hier eingeführt wird?", fragte Schröder weiter. "Das Gutachten G12.1 ist aus mindestens fünf Gründen keine für eine Planfeststellung geeignete Grundlage. Fraport erlaubt sich sogar, die Forderungen des RP zurückzuweisen. Die Beachtung moderner Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung ist offenbar nicht erforderlich. Eigene Behauptungen werden ohne Nachweis als wissenschaftliche Erkenntnisse ausgegeben. Die Lücke der Rechtsprechung in der Fluglärmgesetzgebung kann mit so einem Gutachten nicht gefüllt werden."
Dr. Maschke, Gutachter für die ZRM, merkte an, man habe bis heute keine Begründung dafür bekommen, warum man [im Kriterium 6x60 dB(A) pro Nacht] auf 6 Schallereignisse komme. Prof. Jansen erläuterte, er habe aus seinen Berechnungen 19 zulässige Ereignisse abgeleitet [Anmerkung: nach Jansens Annahme sind "seltene Schallereignisse" unproblematisch, selten ist ein Schallereignis dann, es es den Organismus nicht länger als 1% des Tages belastet. 1 Tag = 16 Stunden = 960 Minuten, 1 Prozent = 9,6 Minuten, das entspricht etwa 19 Überflügen zu je 30 Sekunden]. Er habe nach den Beobachtungen seiner Versuche diese Zahl dann auf 16 reduziert. Bei den Versuchen handele es sich um Schlaftests mit 2 Versuchspersonen (35.jährigen Juristen) über 57 Nächte im Auftrag der französischen Regierung, die wissen wollte, ob der Überschallknall der Concorde auch in der Nacht zumutbar sei. Er habe beobachtet, dass schon nach der dritten Nacht bei 3 Ereignissen keiner der beiden mehr aufwachte, aber bei 16 Ereignissen beide. Man habe die Grenze dann auf 6 festgesetzt. Er habe aber verneint, dass es zumutbar wäre, nachts mit Überschall über besiedelte Gebiete zu fliegen.
Dr. Maschke sagte dazu, die Ergebnisse von 2 Personen könnten keineswegs auf die Gesamtbevölkerung übertragen werden. Es gebe "robuste" und "empfindliche" Schläfer, deren Verhalten sich auch bei längerer Beobachtung nicht ändere. Die angewandten Methoden seien längst veraltet.
Prof. Jansen meinte, er habe viele Untersuchungen gemacht, das Fazit daraus sei in seine Empfehlungen eingeflossen. Er unterscheide zwischen Aufwachen, an das man sich erinnert, und Aufwachen, an das man sich nicht erinnert, die Zahlen dafür würden stark schwanken. An dieser Stelle griff Herr Amann, Fraport, in die Diskussion ein: "Die Begründungen gefallen mir nicht. Man kann es nicht ins Lächerliche ziehen, wie sie es mit ihren Mienen machen. Wir haben die vier renommiertesten Gutachter beauftragt. Die haben es prima gemacht. Wenn sie der Meinung sind, das ist falsch, dann müssen sie es nachweisen. Konkrete Sachfragen gerne, aber nicht diese Diskussionen!". Herr Gaentzsch kommentiere, er könne die Frage aus dem Stand nicht beurteilen: "Das muss die Planfeststellungsbehörde machen". [Anmerkung: dort gibt es sicherlich viele hochqualifizierte Lärmwirkungsforscher, die das perfekt beurteilen können ...].
Maschke antwortete, er habe letzte Nacht die von Jansen gestern vorgetragenen Behauptungen geprüft und er würde wieder nur allgemeine Antworten bekommen. Er ließe sich nicht so einfach abweisen, es sei eine wirklich sachgerechte, wissenschaftliche Aufarbeitung nötig . Rechtsanwältin Philipp-Gerlach schloss sich dieser Ansicht an. Rechtsanwalt Baumann meinte: Ich erwarte von Herrn Jansen, dass er seine Fakten vorlegt. Ich vermute, er kann keine Untersuchungen zitieren, weil es keine gibt."
Rechtsanwalt Schröder verwahrte sich gegen den Versuch von Herrn Amann, die Meinungsäußerung einzuschränken: "Die Gutachter müssen sich auch unbequemen Fragen stellen. Wir bekommen ja noch nicht mal eine Antwort, wo etwas in einem Gutachten steht, geschweige denn die wissenschaftlichen Nachweise. Nur zu sagen „ich bin Professor“ genügt nicht. Erkenntnisse werden auch nicht wahrer, weil es vier Professoren sind". Er beschwerte sich darüber, dass nur zwei der vier Gutachter anwesend seien. Herr Amann: "Ich bleibe dabei, wir haben es richtig gemacht".
100:100-Regel & Co
Mehrere Privateinwender verlangten zur Geschäftsordnung, Fraport möge doch mitteilen, wann welcher Gutachter anwesend sein werde, damit man bei Fragen an bestimmte Gutachter planen könne. Fraport lehnte das - ohne nachvollziehbare Begründung - ab.
Ein Vetreter der Stadt Offenbach bemängelte die Methode, die "6 verkehrsreichsten Monate" zur Berechnung der Lärmauswirkungen heranzuziehen. In Offenbach würden regelmäßig in anderen Monaten, z.B. im Januar, höhere Belastungen auftreten. Er fragte, was aus den Nachforderungen des RP an Fraport - z.B. nach der 100:100-Regel berechnete Lärmkonturen vorzulegen, geworden sei. Dort heiße es "wenn das lärmmedizinische Gutachten nichts anderes beweist, sei eine Berechnung nach der 100:100-Regel zu liefern". Weiterhin wollte er wissen, mit wie vielen "nicht planbaren Nachtflügen" zu rechnen sei. Das RP sagte dazu, was jetzt im Laufe des Verfahrens vom RP schon mal gefordert worden sei, sei nicht relevant, man werde hier diskutieren, ob die 100:100-Regel anzuwenden sei. Zu den Nachtflügen sagte Herr Lurz, Fraport, für die Planung ungeplanter Ereignisse habe man keine Grundlage, es seien auch keine Erfahrungswerte vorhanden. Auch konkrete Werte aus den vergangenen Jahren konnte oder wollte Fraport nicht nennen.
Ein Mantel der Nachsicht für Fraport? Oder ein ganzes Dach?
Rechtsanwalt Baumann wollte noch einmal in die Diskussion des Kriteriums "6x60 dB(A)" einsteigen. Daraufhin meinte Herr Hoepfner, der jetzt die Diskussion leitete: "Wir haben doch von Fraport gehört, dass Fraport sich dazu nicht weiter äußern will". Fraport ergänzte, man habe alles hinreichend abgeleitet. Baumann fand das nicht, es kam zum Streit: "Wir haben hier 2 Professoren, die ihre wissenschaftliche Reputation verlieren könnten, nur weil Fraport ihnen einen Maulkorb verpasst hat". Es gab keine Antwort. Darauf Baumann: "Ich kann jetzt zwei Schlüsse ziehen. Einmal, sie haben ihre Reputation schon verloren. Prof. Jansen hat von mehreren Studien gesprochen, er soll diese jetzt hier präsentieren, sonst ist seine Glaubwürdigkeit hier und jetzt total ruiniert". Der Versammlungsleiter beschwerte sich: "Ihre Angriffe sind grenzwertig. Professoren lassen sich keinen Maulkorb von Fraport verpassen".
Baumann befand daraufhin, wie schon früher, das RP interpretiere den Sachverhalt für Fraport und sei befangen. "Ein Sachverständiger muss sich doch hier äußern und äußern können. Jansen hat behauptet, er habe Untersuchungen gemacht, die seine Thesen belegen. Diese sind nicht im Gutachten benannt, sie wurden nicht präsentiert. Das RP sollte hier die Behauptungen überprüfen, "Sie legen hier einen Mantel der Nachsicht und der Fraport-Unterstützung drüber". Ob das RP überhaupt eine Antwort wünsche? Auf die ausweichende Antwort vom RP-Tisch, Fraport wolle eben nicht mehr sagen und das RP werde sich später bemühen, die Fragen zu klären, wurde Baumann erst richtig böse: "Ihre Ausgabe als Ersatz-Verhandlungsleiters ist es, die Verhandlung ordnungsgemäß zu führen und den Fragen auf den Grund zu gehen. Die Frage ist, ob das Kriterium 6x60 wissenschaftlich begründet ist." Rechtsanwalt Haldenwang ergänzte, das Jansen-Kriterium komme in nahezu jedem Gerichtsurteil vor und man höre dort immer, es sei ja nie Kritik daran geäußert worden. Hier würde jetzt sehr substantielle Kritik geäußert und man müsse es jetzt klären. "Sie hängen nicht nur einen Mantel darüber, sondern ein ganzes Dach! Die Anhörungsbehörde ist befangen".
Herr Gaentzsch fasste zusammen, die Gutachter hätten geprüft, ob neue Ergebnisse das Kriterium widerlegen würden und seien zu dem Schluss gekommen, dass das nicht der Fall sei. Er habe Jansens Äußerungen nicht so verstanden, dass er spezifische Untersuchungen gemacht habe, sondern eher so, dass er aufgrund seiner Erfahrung geurteilt habe. Ob neuere Studien vorliegen würden? Daraufhin Rechtanwalt Berghäuser: "Die Erörterung soll alle für die Entscheidung wichtigen Fragen klären, der Vorhabensträger hat eine Mitwirkungspflicht. Die Behörde könne nicht sagen "wir haben den Eindruck" - der Betreffende sitzt doch hier und kann antworten! Es kann doch nicht sein, dass Fraport bestimmt, was erörtert wird". Dr. Rahn, Einwender aus Sachsenhausen und Arzt, bot sich an, bis Freitag die Literatur zu durchforsten, ob neuere Studien zum Thema existieren.
Prof. Spreng ergriff dann das Wort und sagte, es habe keinen Maulkorb. Er zitierte dann die DLR-Schlafstudie gebe Hinweise, dass das Kriterium richtig sei. Gutachter Maschke wandte ein, in der DLR-Studie habe man eine Kurve abgeleitet, man könne nicht einfach einen bestimmten Wert herausnehmen.
Resolution von Neufahrn - was sagt Prof. Jansen?
Eine Privateinwenderin trug die Ergebnisse der Ranch-Studie vor, nach der Kinder durch Lärm in ihrem Lernvermögen beeinträchtigt werden. Außerdem zitierte sie die Resolution von Neufahrn, in der niedrigere Grenzwerte postuliert worden waren. Sie fragte Prof. Jansen, wie er das sehe, er sei doch in Neufahrn dabei gewesen. Jansen meinte, die dort genannten Werte seien "Schwellwerte" und würden deshalb nicht von den Werten der Synopse abweichen, die sich mit gesundheitlichen Gefährdungen befassen würden [Anmerkung: im Gutachten G12.1 werden Schwellwerte als juristisch als völlig unbedeutend angesehen, sie können höchstens als langfristige Zielsetzung dienen, "wenn es wirtschaftlich machbar" ist. Wir haben die Resolution von Neufahrn eigentlich eher als Aufforderung zu neuen Grenzwerten verstanden].
Krank durch Lärm - das Risiko
Im Anschluss präsentierte Dr. Rahn einige Kritikpunkte an den Fraport-Gutachten. Er begann mit einer Analogie aus der Märchenstunde: "Nehmen Sie an, Fraport stellt einen Antrag, in 200km Umkreis vom Flughafen alle Geschwindigkeitsbeschränkungen aufzuheben, dies sei im Interesse der Allgemeinheit, weil die Passagiere sonst nicht schnell genug zum Flughafen kämen. MP Koch würde die Idee gut finden und würde dazu die Fachbehörde fragen, in diesem Fall das RP Darmstadt. Das RP würde die Idee ebenfalls für gut befinden, würde sich aber wegen des Unfallrisikos Gedanken machen. Fraport würde dann ein Gutachten liefern, in dem steht, ab einer Geschwindigkeit von 300 Stundenkilometern würde das Unfallrisiko drastisch ansteigen. Unter 300 sei das Risiko vernachlässigbar, denn jeder, der morgens ins Auto steige, könne mit 99,99% Wahrscheinlichkeit damit rechnen, abends gesund und ohne Unfall wieder nach Hause zu kommen. Wahrscheinlich würde dieses Gutachten doch sofort im Papierkorb landen. In unserem Gutachten ist es ähnlich. Für weniger als 0,1% der betrachteten Bevölkerung besteht laut Fraport ein Risiko".
Als nächstes fragte Rahn Prof. Jansen, wie er darauf komme, in der Schule finde der Unterricht normalerweise bei geschlossenen Fenstern statt. Jansen meinte, das wisse er aus Erfahrung aus seiner eigenen Schulzeit. Bei uns herrsche gemäßigtes Klima, der Unterricht finde im geschlossenen Raum statt. "Das habe ich mir gedacht", konterte Rahn. "Sie haben nicht etwa hier eine Umfrage gemacht, sondern gehen von Vermutungen aus". Ob die von Jansen aufgeführte Stoßlüftung in den Pausen ausreiche, um eine gute Luftqualität zu garantieren? Jansen bejahte das: "5 Minuten Lüftung reichen aus". Rahn stellte danach Berechnungen vor, nachdem die CO2-Konzentration in einem 80 qm großen Klassenzimmer mit 30 Schülern nach einer Doppelstunde von 90 Minuten eine Konzentration von 0,3 Volumenprozent erreicht. Selbst bei zugigen Fenstern seien es noch 0,17 Volumenprozent. Der Grenzwert nach DIN-Norm sei nach spätestens 45 Minuten überschritten, die "Unbehaglichkeitsschwelle" bereits nach 20 Minuten. In Flugzeugen gelte ein Grenzwert von 0,03, also nur ein Zehntel dessen, was den Schülern zugemutet würde.
Es nächstes ging Rahn auf das Risiko lärminduzierter Erkrankungen ein. Das Gehör diene dazu, ein Lebewesen vor Gefahren zu warnen, wenn Gefahr erkannt sei, komme es zur Ausschüttung von Cortisol, um so Energiereserven zur Verfügung zu stellen. Bei chronischer Lärmeinwirkung sei dieser Mechanismus daueraktiviert, dies hinterlasse Spuren und könne zu Krankheiten beitragen. Die betreffenden Krankheiten hätten natürlich ihre Ursache nicht nur im Lärm, sondern auch in anderen Faktoren. Nur weil man keinen mono-kausalen Zusammenhang nachweisen könne, könne man das Risiko aber nicht ignorieren. Ein statistischer Zusammenhang sei aber für einige Krankheiten (z.B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Atemwegserkrankungen) durchaus nachgewiesen. Es gebe eine Dosis-Wirkungsbeziehung nach dem Dauerschallpegel und der Dauer der Einwirkung, mit beiden steige das Krankheitsrisiko gegenüber der nicht von Lärm belasteten Bevölkerung an. Rahn zitierte zum Nachweis einige Gutachten.
Die Risikokurve habe keinen "Knick", man könne also nicht sagen, unterhalb eines gewissen Grenzwertes gebe es kein Risiko - 65 dB(A) als Grenze seien willkürlich. So gehe man in der TA Lärm für Wohngebiete von 50 dB(A) aus, zur Risikovermeidung sei der Grenzwert hier deutlich niedriger gewählt. Rahn fragte die Gutachter, was sie unter "Gesundheitsgefährdungen sind weitgehend ausgeschlossen" in Zahlen verstehen würden. Könnte es auch heißen, bei 70% wären die Gefährdungen ausgeschlossen, man sage ja bei einer 70% von einem Erdbeben zerstörten Stadt auch, sie sei "weitgehend zerstört?" Prof. Jansen erklärte, man habe keine festen Zahlen und es gebe auch keine in der Literatur. Rahn bestritt das. Jansen gab auf Nachfrage zu, mit dem Wort "Gesundheitsbeinträchtigungen und -Störungen" seien "Krankheiten" gemeint.
Zum Schluss ging Rahn auf die Bewertung von Risiken ein und erklärte die Begriffe "individuelles Risiko" und "kollektives Risiko". Die tolerierten Risikobereiche für das individuelle Risiko seien
- 10-2 bis 10-3 für freiwillig eingegangene Risiken
- 10-3 bis 10-4 für Risiken mit hoher Selbstbestimmung (z.B. selbst Auto fahren)
- 10-4 bis 10-5 für Risiken mit geringer Selbstbestimmung (freiwillig als Passagier im Flugzeug sitzen)
- 10-5 oder kleiner für unfreiwillige Risiken
In den Niederlanden gelte z.B. ein Risiko von 1:100000 für das Absturzrisiko, ein ähnlicher Wert gelte für die Gefährdung Unbeteiligter durch die Röntgenstrahlung von Röntgenanlagen.
Beim kollektiven Risiko müsste man das Einzelrisiko mit der Zahl der Betroffenen multiplizieren. In der Bevölkerung gebe es jährlich 300 Herzinfarkte auf 10000 Einwohner, 150 davon tödlich. Das individuelle Risiko für Herzinfarkt bei Lärmeinwirkung zwischen 60 und 65 dB(A) sei 50x10-5, dann gebe es 2200 zusätzliche Todesfälle durch den Lärm. Bei 55-60 dB(A) könnten es immer noch 30-40 zusätzliche Todesfälle sein. Fraport selbst halte aber höchstens ein kollektives Risiko von 0,1 für akzeptabel. Prof. Spreng korrigierte die von Rahn genannte Zahl für das Individualrisiko geringfügig hinter dem Komma. Rahn meinte aber, das sei völlig egal, weil das Risiko um den Faktor 50 zu hoch sei, die Kommastelle sei nicht relevant.
Rahn forderte zum Schluss die Validierung der von Fraport vorgeschlagenen Werte durch ein unabhängiges Gutachten und eine Untersuchung aller Bereiche, die nach dem Ausbau einen Dauerschallpegel von mehr als 50 dB(A) hätten. Rechtsanwälte schlossen sich dieser Forderung an.
Kein Schlaf in Offenbach?
Ein Einwender aus Offenbach beklagte sich, bei der Untersuchung der Lärmwirkungen sei ein möglicher Wechsel der Betriebsrichtung in der Nacht nicht berücksichtigt. Außerdem würden Piloten über seinem Haus das Fahrwerk ausfahren, was das Geräusch besonders unangenehm mache. Prof. Spreng sagte, Änderungen eines Geräusches riefen Reaktionen hervor. Sie sollten wegen der besonderen Lästigkeit betrachtet werden, es fehlten aber die Messungen dazu. "Sie wohnen doch sicher im Schallschutzgebiet?", fragte Spreng. Nein, meinte der Einwender, in Offenbach würden nur wenige Häuser im Schallschutzgebiet liegen. "Sie haben hier vor Ort nichts untersucht, die Gesundheit der Menschen hier müsste betrachtet werden".
Der Einwender fragte dann, ob berücksichtigt worden sei, dass man in Offenbach in den ersten 3 Stunden der Nacht, also von 22-01 Uhr, wegen des Lärms gar nicht einschlafen könne. Man müsse warten, bis der Flugverkehr aufhöre. Prof. Jansen gab die denkwürdige Antwort: "Wenn Sie in einer Nacht wegen des Fluglärms nicht einschlafen können, ist die Reaktion der Entmüdung gestört. Am nächsten Tag sind sie dann so müde, dass Sie trotz des Lärms einschlafen". Tröstlich, oder nicht?
Gegen die "Durchschnittsnacht"
Zum Schluss des Tages trug eine Einwenderin aus Darmstadt Kritikpunkte vor. Die im Gutachten genannte Aufweckschelle orientiere sich an der oberen Grenze. Jansen habe selbst in einem Aufsatz in der "Bauwelt" gesagt, Pegel von 60 dB(A) dürften gar nicht überschritten werden. Geringfügige Überschreitungen seien laut Prof. Griefahn nur akzeptabel, wenn danach sieben Nächte Ruhe herrsche, um sich wieder vollständig erholen zu können. Dies komme in Frankfurt nie vor. Im Gegensatz zu den Gutachtern habe sie die Beziehung zur Realität, meinte die Einwenderin. Sie kritisierte auch die Betrachtung einer "Durchschnittsnacht". In vielen Nächten könnte einer der Nachtgrenzwerte überschritten sein, durch einige Nächte mit etwas geringerer Belastung würde dennoch im Durchschnitt der Grenzwert nicht erreicht und man sei nach Gutachten nicht mehr belastet. Die Belastung, die jetzt über die gesamte Nacht verteilt sei, würde auch bei dem geplanten Nachtflugverbot auf die erste Stunde der Nacht (22-23 Uhr) konzentriert, da könne man dann gar nicht schlafen.
Prof. Spreng antwortete, eine gewisse Kompensation sei im letzten Fall gegeben, weil der Schlafdruck am nächsten Tag nach der Überschreitung so hoch sei, dass der fehlende Schlaf nachgeholt würde. ZRM-Gutachter Maschke merkte an, in der Schlafmedizin bestehe Behandlungsbedarf, wenn die Schlafstörung in drei Wochen an jeweils 4 Tagen auftrete, dann gelte es als Krankheit. D. Kühner merkte an, wenn man ein arithmetisches Mittel bilde, folge daraus, dass in der Hälfte der Nächte der Grenzwert überschritten sei.
Die Einwenderin beklagte sich bitter über die Aussage, durch den "Schlafdruck" nach einer Nacht mit lärmgestörtem Schlaf könnte das Defizit kompensiert werden. "Wenn der Wecker um 6 klingelt, kann man nichts nachholen und ist tagsüber nicht leistungsfähig". Außerdem müsste man sich auch noch wohlfühlen. Wenn das "Schlafdruckmodell" gelten würde, brauchte man ja gar kein Schutzkonzept. Spreng: "So war das nicht gemeint, Schlaf ist ein hohes Schutzgut". [Wie war es dann gemeint?]. Dr. Maschke meinte, wenn in frühen Schlafphasen der Tiefschlaf gestört würde, würde er später in der Nacht zwar nachgeholt, wenn es ruhig genug wäre. Es würde aber der Schlafrhythmus durcheinander geraten. Am Tiefschlaf hingen noch andere Vorgänge (z.B. Ausschüttung von Wachstumshormon), die nicht mit verschoben würden. Prof. Spreng bestritt dies. Er sagte, mit seinem Zweischeiben-Modell der Nacht halte er die Cortisolausschüttung unter Kontrolle, damit seien wahrscheinlich auch andere Hormonprozesse geschützt. Er könne es aber nicht beweisen.
Zum Schluss fragte Dr. Maschke, ob es sich bei allen genannten Werten um NAT-Werte ["Number of events above threshold"; damit 6x60 greift, müssen beide Werte überschritten sein, also 5x62 ist erlaubt] handele oder um NAL-Werte ["number and level"; d.h. bei einem Kriterium von 6x60 darf weder die 6 noch die 60 überschritten sein]. Spreng sagte, es seien alles NAT-Werte. Seine Cortisolkurve sei konservativ. Für eine Übergangszeit, bis er sein Cortisolmodell genauer untersucht und verfeinert habe, sei es akzeptabel, beim präventiven Richtwert NAT-Werte zu akzeptieren.
Fraport bestätigte nochmals, dass man bei Überschreitung des "Präventiven Richtwerts" Handlungsbedarf (für Schallschutzfenster) sehe.
Die Verhandlung geht am Donnerstag zum selben Thema weiter, die Rednerliste wird um 9:15 Uhr geöffnet.
Sprüche des Tages:
- "Meine Mandanten sind seit Jahren nicht nur vom Lärm betroffen, sondern geschlagen."
Rechtsanwalt Haldenwang, über Bürger in Neu-Isenburg und Raunheim - "Nur zu sagen 'ich bin Professor' genügt nicht. Erkenntnisse werden auch nicht wahrer, weil es vier Professoren sind."
Rechtsanwalt Schröder, zum Mangel an Nachweisen für Jansen-Kriterium - "Ihre Angriffe sind grenzwertig. Professoren lassen sich keinen Maulkorb von Fraport verpassen!"
Versammlungsleiter Hoepfner, RP, zu Angriffen von Rechtsanwalt Baumann - "Wenn Sie in einer Nacht wegen des Fluglärms nicht einschlafen können, ist die Reaktion der Entmüdung gestört. Am nächsten Tag sind sie dann so müde, dass Sie trotz des Lärms einschlafen".
Prof. Jansen zum Schlafdefizit
PFV Landebahn Nordwest Erörterungstermin Gesundheitsgefahren durch (Flug-)Lärm Jansen-Kriterium