Der 11. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs hat am 2. Juni 2009 mit der Hauptverhandlung über die Musterklagen gegen den Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau des Frankfurter Flughafens begonnen. Kläger sind die Städte Mörfelden-Walldorf, Neu-Isenburg, Offenbach, Raunheim und Rüsselsheim, der BUND, Privatkläger aus Kelsterbach und Frankfurt, das Klinikum Offenbach, das Tanklager Raunheim und die Lufthansa. Die Verhandlung der Klage von Flörsheim wurde verschoben.
Verhandlungstage sind der 2., 3., 4., 5., 8., 9., 10., 15., 17., 19., 23. und 24. Juni 2009. Die Verhandlung findet im "Haus der Kirche" in Kassel (Wilhelmshöher Allee 330) statt und beginnt jeweils um 10 Uhr.
Die Verhandlung wurde am 26. Juni abgeschlossen. Kläger kritisierten die "Passivität" der Richter, die kaum Nachfragen gestellt und sämtliche Beweisanträge abgelehnt haben. Dies verstärkt den oft geäußerten Eindruck, das Urteil liege schon lange (seit der Entscheidung über die Eilanträge im Januar) fertig in der Schublade und werde ebenso ausfallen wie die Eilentscheidung: Ausbau ja, Nachtflugregelung überarbeiten. Wie die Entscheidung auch ausfällt, eins ist klar: das Verfahren wird beim Bundesverwaltungsgericht landen.
Das Urteil soll am 21. August verkündet werden.
Organisatorisches:
Online-Bericht aus dem Verhandlungssaal
Rechtsanwalt Möller-Meinecke berichtet in seinem Blog zeitnah direkt von der Verhandlung:
Aktuelle Nachrichten
21.08.2009: Das Urteil des VGH Kassel - Ja zum Ausbau, Nein zu den Nachtflügen
Der VGH hat heute die Entscheidung über die Musterklagen verkündet. Sie wurden alle "Überwiegend abgelehnt", womit der Ausbau genehmigt ist. Die Nachtflugregelung muss dagegen überarbeitet werden. Der Planfeststellungsbeschluss der 17 Flüge in dei von 23 bis 5 Uhr vorsah, sei "nicht mit dem gesetzlich gebotenen Schutz der Nachtruhe vereinbar".
- VGH Kassel: Musterklagen gegen den Bau der neuen Landebahn überwiegend abgewiesen
Pressemitteilung des VGH Kassel zum Urteil vom 21.08.2009
18.08.2009: Anwälte fordern neue Verhandlung beim VGH
Nur wenige Tage vor der geplanten Verkündung des Urteils zum Flughafenausbau haben Anwälte der Kläger die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung beantragt. Wie ein Sprecher des Gerichts mitteilte, liegen beim VGH mehrere entsprechende Anträge vor, die gerade geprüft werden. An der Verkündung einer Entscheidung 21. August werde aber festgehalten.
Rechtsanwalt Baumann, der Kläger aus Sachsenhausen vertritt, forderte gestern eine Wiederaufnahme des Verfahrens, weil die Lärmberechnungen der Fraport falsch seien und die zu erwartende Lärmbelastung deutlich unterschätzten.
- Frankfurter Kläger beantragen Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung und stellen neue Beweisanträge
Pressemitteilung von RA Baumann
26.06.2009: Letzter Verhandlungstag, Urteil am 21. August
Heute wurden die Schlussvorträge fortgesetzt:
Tanklager Raunheim:Rechtanwalt Eiding führte aus, das Überflüge für das Tanklager ein großes Sicherheitsrisiko bedeuten würden. Eiding kritisierte, dass das Gericht die Sicherheitsrisiken offenbar nicht weiter aufklären wolle: "Die Kläger rennen hier gegen Mauern".
BUND: Rechtsanwältin Philipp-Gerlach erklärte, der Verlust des Kelsterbacher Waldes sei ein unwiderbringlicher Verlust für den Biotop- und Artenschutz und für die Naherholung der Bevölkerung. Mit der Zerstörung des Waldes für den Ausbau werde EU-Recht verletzt. Die Landesregierung habe durch Ausnahmeregelungen den Schutz für das FFH-Gebiet systematisch ausgehöhlt. Der BUND übergab zum Abschluss der mündlichen Verhandlung dem Senat 16 Fragen zur Vorlage und Klärung an den Europäischen Gerichtshof.
Lufthansa und Lufthansa Cargo fordern mehr als die 17 genehmigten Flüge in der Nacht zwischen 23 Uhr und 5 Uhr. Der Kunde bestimme den Bedarf, diesen müsse man befriedigen. Der "Geist der Mediation" sei widersprüchlich und begründe kein Nachtflugverbot.
Die Privatkläger aus Frankfurt-Lerchesberg sehen sich durch Fluglärm und Luftschadstoffe existentiell bedroht, ihre Gesundheit werde gefährdet und ihre Immobilien würden an Wert verlieren. Rechtsanwalt Baumann kritisierte, dass der Planfeststellungsbeschluss auf einer fehlerhaften Luftverkehrsprognose beruhe.
Die Unternehmer aus dem Kelsterbacher Gewerbegebiet Taubengrund sind nach Ansicht von Rechtsanwalt Möller-Meinecke in ihrer Existenz gefährdet, was im Planfeststellungsbeschluss nicht korrekt abgewogen worden sei: "die übersehene Existenzgefährdung bringt den Ausbau zu Fall".
Für die Hessische Landesregierung betonte Rechtsanwalt Gronefeld das öffentliche Interesse am Ausbau des Flughafens. Die Argumente der Kläger seien alle schon abgewogen und ausreichend berücksichtigt worden. Der Planfeststellungsbeschluss sei ein Kompromiss und das "Maximale für die Anwohner".
Die Landesregierung gab eine Änderung des Planfeststellungsbeschlusses bekannt, die eine Umkehr der Beweislast bei Schäden durch Wirbelschleppen vorsieht (Details im Blog).
Für die Fraport erklärte Rechtsanwalt Limberger, man sei durch die Zulassung von 17 Nachtflügen nicht überrascht worden. Man habe dies zwar nicht beantragt, aber es sei auch nicht so schlimm: "Die 17 Flüge verteilen sich auf 3 Bahnen, niemand muss befürchten, 17-mal in der Nacht überflogen zu werden".
Das Urteil soll am 21. August 2009 um 10 Uhr verkündet werden.
25.06.2009: Aussetzung des Verfahrens beantragt
Rechtsanwalt Baumann, der die Frankfurter Privatkläger vertritt, hat den Antrag gestellt, dem Bundesverfassungsgericht das Fluglärmgesetz zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit vorzulegen und das aktuelle Verfahren so lange auszusetzen. Die Regelungen des Fluglärmgesetzes sind nach Ansicht Baumanns nicht geeignet, die Grundrechte der Kläger auf Schutz der Gesundheit und den Schutz des Eigentums zu gewährleisten.
24.06.2009: (vor)letzter Verhandlungstag
Der VGH hat heute auch alle gestern noch gestellten Beweisanträge - und damit alle Beweisanträge - abgelehnt. Wie im Blog berichtet wird, wurde sogar ein von den Klägern gestellte Antrag, die handschriftlichen Manuskripte des Vorsitzenden mit der Begründung der Ablehnung ins Protokoll zu nehmen, abgelehnt (dort stehen noch Dinge, die nicht veröffentlicht werden sollen).
Den Klägern wird Gelegenheit gegeben, sich bis zum 13. August zu den Fuglärmberechnungen der Fraport zu äußern. Mit dem Urteil ist daher erst ab Ende August zu rechnen.
Gegen Mittag begannen die Schlussplädoyers der Anwälte. Highlights:
- Offenbach: Rechtsanwalt Geulen forderte die Berücksichtigung der technisch möglichen Kapazität (1 Mio. Flüge) statt der von Fraport angenommenen 700 000 Flüge bei der Abwägung der Fluglärmbelastung. Weiterhin seien die Betroffenen vor der Zulassung der 17 Nachtflüge durch die Landesregierung nicht gehört worden, denn im Antrag der Fraport waren die 17 Flüge nicht enthalten.
- Rüsselsheim:Oberbürgermeister Gieltowski sieht durch das Wachsen des Flughafens die Entwicklungsmöglichkeiten der Stadt eingeschränkt. Rechtsanwältin Fridrich wies auf die erhebliche Belastung der Hälfte der Bürger Rüsselsheims durch Fluglärm am Tag bei einem Ausbau hin. Die Bürger hätten ein Recht auf Nutzung der Außen-Wohnbereiche. Schulunterricht nur bei geschlossenen Fenstern sei nicht zumutbar, Kinder in Kitas könnten nicht mehr draußen spielen, kritisierte Fridrichs. Rechtsanwalt Lieber wies auf Widersprüche der Ausbauplanung zum Regionalplan Südhessen hin.
- Mörfelden-Walldorf: Bürgermeister Becker erklärte, es sei Ziel der Stadt, den Ausbau zu verhindern. Becker erinnerte an das Versprechen von 1971, den Flughafen nicht weiter auszubauen. Rechtsanwalt Schmitz forderte ein umfassendes Nachtflugverbot von 22-6 Uhr, mehr Lärmschutzmaßnahmen und eine Lärmschutzhalle für Triebwerksprobeläufe. Weiterhin kritisierte Schmitz das lärmmedizinische Gutachten der Fraport. Schutzbedürftige Einrichtungen wie Schulen, Kitas und Krankenhäuser würden nicht korrekt berücksichtigt. Für die vom Ausbau betroffenen Anliegerstädte, deren Entwicklungsmöglichkeiten eingeschränkt würden, forderte Schmitz Entschädigungen.
- Rechtsanwalt Möller-Meinecke forderte für die Privatkläger im Taubengrund die Richter auf, sich vor Ort einen persönlichen Eindruck von dem nach einem Ausbau zu erwartenden Lärmpegel von 76 dB(A) (Dauerschallpegel über 16 Stunden!) zu machen. Die Kommunikation werde bei diesem Lärm stark eingeschränkt, man könne dort kein Gewerbe mehr ausüben. Die Kläger seien in ihrer Existenz gefährdet und würden praktisch enteignet.
- Neu-Isenburg: Rechtsanwalt Mehler rügte das Lärmschutzkonzept des Planfeststellungsbeschlusses als fehlerhaft. Die Landesregierung mache Fraport damit ein großes Geschenk, Fraport könne erhebliche Ausgaben beim Schallschutz für die Bürger einsparen.
23.06.2009: zwölfter Verhandlungstag
Der 11. Senat hat (durchaus nicht überraschend) alle Beweisanträge der Musterkläger ohne Begründung abgelehnt. Das Gericht bezeichnete 6 mögliche Ablehnungsgründe in jeweils einem Stichwort und ordnete allen Anträgen einen oder mehrere dieser Stichworte zu -die Liste ist im Blog nachzulesen. Warum die Richter Anträge als unerhablich, schon bewiesen oder unzulässig einschätzen, bleibt im Dunkeln.
Der Senat sieht alle Klagen als entscheidungsreif an. Nur die von Fraport vorgelegten Berechnungen des zu erwartenden Fluglärms sollen noch einmal geprüft werden, und die Kläger können (wegen verspäteter Vorlage) auch noch dazu Stellung nehmen. Nach Prüfung der Stellungnahmen kann das Gericht die Hauptverhandlung noch einmal aufnehmen oder auch gleich entscheiden.
Fas alle Kläger rügten umgehend ausdrücklich zu Protokoll die fehlende Begründung des Gerichts für die Ablehnung der Anträge als Verletzung ihres Verfassungsrechts auf rechtliches Gehör (Verletzung des Art. 103 GG und des §§ 86 Abs. 3, 104 VwGO). Sie begründeten dies damit, daß das Schweigen des Gerichts zur Begründung der Antragsablehnung den Kläger die Möglichkeit nimmt, die Rechts- und Sachfragen zu erörtern und neue erhebliche Beweisanträge zu stellen. Das Gericht verkürzte die Mitteilung über seine Beschlußfassung durch Verweis auf einen der denkbaren sechs Ablehnungsgründe:22.06.2009: elfter Verhandlungstag
Der BUND bleibt optimistisch, den Ausbau des Frankfurter Flughafens noch juristisch zu stoppen. Ermutigt durch die schwachen Argumente der Gegenseite hat der BUND über hundert Beweisanträge gestellt zur Naturzerstörung gestellt. Die geplanten Ausgleichsmaßnahmen für die Zerstörung des Kelsterbacher Waldes bezeichnet der BUND als "klaren Etikettenschwindel".
19.06.2009: zehnter Verhandlungstag
Abschließend ging es heute noch kurze Zeit um Natur- und Artenschutz. Der BUND kritisierte, dass die bisher hervorragenden Lebensbedingungen für den geschützten Hirschkäfer auf den Ersatzflächen nicht wiederhergestellt werden können. Der Kelsterbacher Wald hätte als Ergänzung zum Schutzgebiet Mönchbruch als Vogelschutzgebiet an die EU gemeldet werden müssen, was nicht geschehen ist.
Danach kam das Klinikum Offenbach und weitere Privatkläger zu Wort. Das Klinikum sieht sich durch Fluglärm und vor allem durch das Bauverbot in seiner Existzenz gefährdet. Auch ein halbes Dutzend Gewerbebetriebe im Gewerbegebiet “Taubengrund” von Kelsterbach (das sehr niedrig überflogen würde) stände durch die neue Landebahn vor dem Aus. Arbeiten bei einem Lärmpegel von 76 db(A) sei völlig unzumutbar. Auch die Absturzgefahr sei unakzeptabel.
Im Anschluss wurden von den Klägern Beweisanträge gestellt. Es wurden über 200 solche Anträge zu streitigen Tatsachen eingereicht.
15.06.2009: achter Verhandlungstag
Thema der heutigen Verhandlung war der Naturschutz. Für den Bau der neuen Landebahn werden 226 ha des unter Habitat_Schutz stehenden Kelsterbacher Waldes und für den Bau des neuen terminal weitere 48 ha des ebenfalls geschützten Mark- und Gundwaldes zerstört.
Kläger in Sachen Naturschutz ist hauptsächlich der BUND. Der BUND beanstandete z.B. die Bestandserfassung geschützter Arten. So wurde um das Umspannwerk Kelsterbach der nach europäischem Naturschutzrecht geschützte Borstgrasrasen gefunden, aber nicht an die EU gemeldet. Zudem sei der Rasen in den letzten Jahren doppelt so oft gemäht worden wie vorher und damit die Artenvielfalt verkleinert worden.
Weiterhin kritisierte der BUND, dass in den untersuchten FFH- und Vogelschutzgebieten eine erhebliche Beeinträchtigung durch eine erhöhte Schadstoffbelastung auftreten werde, was die Planfeststellungsbehörde abstreitet. Die verbleibenden Waldinseln seien zu klein, um für den wertvollen Bestand an Hirschkäfern noch einen geeigneten Lebensraum zu bieten. Die im Planfeststellungsbeschluss angeordneten Ausgleichsmaßnahmen für die Beeinträchtigungen des Lebensraumes der betroffenen Eichenwälder im Schutzgebiet hält der BUND für nicht ausreichend. Weitere Details im Blog.
10.06.2009: siebter Verhandlungstag
Am heutigen Mittwoch standen "kommunale Belange" auf der Tagesordnung, vor allem die Einschränkung der kommunalen Planungshoheit, aber auch Beeinträchtigungen durch zunehmenden Straßenverkehr von und zum Flughafen. Leider sind nur wenige Nachrichten verfügbar.
Für Offenbach befürchtet der Flughafenplaner Faulenbach da Costa "den schleichenden Tod der Stadt". Sogar nach den Daten der Fraport dürften nach einem Ausbau wegen der Lärmbelastung in 70% des Stadtgebietes keine lärmsensitiven sozialen Einrichtungen (wie Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser und Altenheime) gebaut oder erweitert werden; nach Berechnungen der Kläger sind noch deutlich mehr Einrichtungen betroffen als im Planfeststellungsbeschluss berücksichtigt wurden. Raunheim würde sogar vollständig in diese Bauverbotszone fallen. Mit den von der Landesregierung in Aussicht gestellten großzügigen Ausnahmeregelungen wollen sich die Kommunen nicht zufrieden geben.
Auch über die öffentlichen Einrichtungen hinaus werden die Entwicklungsmöglichkeiten der von Fluglärm betroffenen Kommunen natürlich eingeschränkt: in den verlärmten Gebieten sinken Immobilienpreise und Mieten, wer gut verdient, zieht weg oder nicht dort hin - als Folge hat die Stadt weniger Steuereinnahmen und kann ihren Bürgern weniger Leistungen anbieten. Daneben fürchten die Kommunen rund um den Flughafen auch, dass Kaufkraft durch die geplanten Einkaufszentren am Flughafen abgezogen wird. Die Stadt Rüsselsheim sprach von bis zu 70 Mio. Euro pro Jahr.
09.06.2009: sechster Verhandlungstag
Am Vormittag ging es um die Schadstoffbelastung. Experten der Kläger zeigten, dass Gesundheitsgefahren durch Schadstoffbelastung für die Anwohner in Kelsterbach entgegen den Aussagen in kelsterbach nicht ausgeschlossen werden können. Die Planfeststellungsbehörde habe sich nur ungenügend mit den Einwendungen gegen die Schadstoffprognose der Fraport auseinandergesetzt (Details im Blog). Zudem kommt Fraport im überarbeiteten Schadstoffgutachten (mit Ist-Zustand 2005 statt 2000) auf geringere Emissionen durch den Flughafen als in den ursprünglichen Unterlagen. Wo sind die Schadstoffe geblieben?
Später ging es um das Risiko. Der Vogelschlaggutachter Henning wies darauf hin, dass im Bereich des Tanklagers ein Vogelschlagrisiko besteht. Das Fraport-Vorwarnsystem gebe hier nur 2 Minuten Vorlaufzeit, für die Piloten zu wenig Zeit, um eine andere Landebahn anzusteuern. Die Vogelschlag-Risiken seien unzumutbar.Ein Experte schilderte die Risiken durch Wirbelschleppen für die Bewohner von Raunheim und im Taubengrund.
Die "Initiative Zukunft Rhein-Main" (ZRM) kritisiert, dass Fraport immer noch keine belastbaren Lärmberechnungen für den Fall eines Ausbaus vorgelegt hat. Gutachter der ZRM haben eine viel größere Zahl von Betroffenen ermittelt als Fraport. "Fraport als auch die Landesregierung gehen mit der Gesundheit der Menschen in der Region fahrlässig um", meint die ZRM und sieht der abschließenden juristischen Klärung zuversichtlich entgegen.
08.06.2009: fünfter Verhandlungstag
Thema am Morgen waren die Auswirkungen von Fluglärm auf die Gesundheit. Der Lärmmediziner Prof. Greiser (Bremen) stellte seine Studie vor, in der er den Zusammenhang von Fluglärm und der Verschreibung von Medikamenten (aus der sich wiederum auf den Gesundheitszustand schließen lässt) im Umkreis des Flughafens Köln untersucht hat. Greiser fand heraus: Fluglärm macht eindeutig krank. Je höher der Lärmpegel, desto mehr Medikamente werden verordnet. Deutliche Effekte traten schon ab 48 dB(A) auf. Greiser forderte, bei der Beurteilung des Lärms müssten die neuesten medizinischen Erkenntnisse verwendet werden. Die von Fraport vorgelegte "Synopse" sei nicht hilfreich.
Auch Prof. Lercher von der Universität Innsbruck, der die Wirkung von Fluglärm auf Kinder untersuchte, sieht Gesundheitsrisiken durch Lärm, vor allem in der Nacht, schon ab 55 dB(A). Auch der spezielle Schutzbedarf von Kitas wurde angesprochen. Nach neuen Studien (Ranch, Pinche ) soll der Lärm im Außenbereich 50 dB(A) nicht überschreiten, was im Planfeststellungsbeschluss nicht gewährleistet ist.
Die Fraport-Gutachter bestreiten die Ergebnisse von Prof. Greiser und meinen, Schulen seien nicht besonders schutzbedürftig: die Kinder seien so laut, dass sich Fluglärm nicht mehr auswirke.
Details zur lärmmedizinischen Diskussion kann man im Blog nachlesen.
Am Nachmittag ging es um die Nachtflüge. Lufthansa erklärte, sie brauche 23 Flüge in der "Mediationsnacht". Das Land Hessen könne die Frage der Nachtflüge nicht in einem Landesentwicklungsplan regeln, meint Lufthansa. Der Vertreter des Landes Hessen verteidigte ebenfalls die Nachtflüge. Dabei nannte er so auch so wichtigen Bedarf wie "die tagesaktuelle Zeitung am Urlaubsort im Ausland".
Ausbaugegner kritiseren, dass die Landesregierung - die der Bevölkerung ein Nachtflugverbot versprochen hatte - nun Vertreter der Luftfrachtunternehmen vor Gericht als Sachbeistände gegen ein Nachtflugverbot auftreten lässt.
05.06.2009: vierter Verhandlungstag
Am 4. Verhandlungstag stand die Ermittlung des Lärms auf der Tagesordnung. Das Gericht erklärte, dass zur Ermittlung der nach dem Ausbau für die Bevölkerung zu erwartenden Lärmbelastung das neue Fluglärmgesetz und seine untergesetzlichen Regelungen verwendet werden soll. Man habe mit diesen Berechnungen die Fraport beauftragt, da ein unabhängiges Gutachten zu lange gedauert hätte. Wegen Verzögerungen bei den gesetzlichen Detailregelungen habe Fraport die Frist zur Vorlage des Gutachtens nicht eingehalten (es wurde erst zu Beginn der Hauptverhandlung vorgelegt). Den Anwälten der Kläger räumte das Gericht eine Frist von einigen Wochen zur nachträglichen Stellungnahme ein.
Die Kläger sind empört darüber, dass das Gericht kein unabhängiges Gutachten angefordert hat, sondern sich auf Berechnungen der Fraport stützen will. Rechtsanwältin Fridrich, Anwältin der Stadt Rüsselsheim, sprach von einem "reinen Parteigutachten" der Fraport. Der Anwalt von Neu-Isenburg Haldenwang meinte, man stehe "kurz vor einem neuen Befangenheitsantrag". Außerdem wurde kritisiert, dass die Bürgermeister der betroffenen Kommunen nicht angehört würden, obwohl das Thema Lärmschutz für sie von zentraler Bedeutung sei. Vertreter der Lufthansa Cargo hätten dagegen Rederecht bekommen.
Fachexperten der Kläger monierten gravierende Fehler in den Berechnungen der Fraport, sie seien zu ganz anderen Ergebnissen gekommen. So habe Fraport nicht die in der Vergangenheit tatsächlich genutzten Flugrouten verwendet, und die Aufteilung der Flüge auf die Betriebsrichtungen und Bahnen sei fehlerhaft. Deshalb seien die von Fraport berechneten Schutzzonen zu klein, der Lärm um bis zu 5 Dezibel geringer. Rechtsanwalt Möller-Meinecke sagte, Fraport habe 70-100 zusätzliche Nachtflüge bei ihren Berechnungen nicht berücksichtigt, die zu einer höheren Belastung von Wohngebieten in Mörfelden-Walldorf führen würden. Details zur Diskussion um die Lärmberechnungen findet man im Blog.
Die BFU Eddersheim sieht ihren Eindruck bestätigt, dass das Gericht nicht neutral ist. Mehr in ihrer Pressemitteilung. In der Hessenschau kommen weitere Vertreter der Bürgerinitiativen zu Wort, die an der Verhandlung teilgenommen haben (Video wahrscheinlich nur begrenzte Zeit verfügbar).
04.06.2009: dritter Verhandlungstag
Die Zeitplanung der Verhandlung hat sich leicht verändert. "Lärmermittlung" soll am Freitag, den 5. Juni, "Lärmbewertung / Lärmmedizin" am Montag den 8. Juni. behandelt werden. Danach folgt die Diskussion über die Nachtflüge. "Naturschutz" ist erst ab dem 15. Juni, Artenschutz (frühestens) ab dem 17. Juni an der Reihe.
Zentraler Punkt am heutigen Tag waren der Bedarf für Nachtflüge. Die Lufthansa erklärte, sie sei auf Nachtflüge am Standort Frankfurt existentiell angewiesen und an brauche sogar 23 Flüge unbedingt. (die früher als Bedarf genannte Zahl von 41 Flügen hat sich dadurch verringert, dass man sich von dem Ferienflieger Condor getrennt hat und die Flüge der Condor jetzt für Lufthansa nicht mehr mitzählen). Nach Leipzig ausweichen wolle man nicht, weil dort schon die Konkurrenz (DHL) tätig sei. Die Anwälte der Kläger bestreiten die Existenzgefährdung durch ein Nachtflugverbot. Für dringende Expressflüge stehe mit Leipzig eine Alternative zur Verfügung.
Ausbaugegner kritiseren, dass die Landesregierung - die der Bevölkerung ein Nachtflugverbot versprochen hatte - nun Vertreter der Luftfrachtunternehmen vor Gericht als Sachbeistände gegen ein Nachtflugverbot auftreten lässt.
- BUND: Der Skandal ist perfekt!
Pressemitteilung vom 4.06.2009 - ZRM: "Nachtflüge nicht von öffentlichem Interesse!"
Pressemitteilung vom 18.06.2009
03.06.2009: zweiter Verhandlungstag
Zentraler Punkt der Verhandlung war heute die Luftverkehrsprognose. Die Kläger beanstandeten schwere Fehler in dem Gutachten von Intraplan, das Fraport vorgelegt hat. Maßgebliche Kriterien und Methoden, die zur Ermittlung des Bedarfs verwendet wurden, wurden nicht offengelegt.("Betriebsgeheimnis"). Die für 2008 prognostizierten Werte wurden in der Realität nicht erreicht. Die Anwälte gehen davon aus, dass kein Bedarf für eine neue Landebahn besteht.Den Bedarf für einen Ausbau bestritt auch der Offenbacher Gutachter Faulenbach da Costa.
Anwälte der Kläger beschweren sich über die Strategie der Fraport und des Wirtschaftsministeriums, zentrale Dokumente erst in letzter Minute vorzulegen. So wurde von Fraport am Morgen ein neuer Schriftsatz zur Berechnung des zu erwarteten Fluglärms im Jahr 2020 und den Schutzzonen vorgelegt, in dem so ziemlich alle wichtigen Parameter (Flugrouten, Flottenmix...) verändert sind. So können sich die Anwälte kaum vernünftig für die Erörterung dieses komplexen Themas vorbereiten.
02.06.2009: Die Verhandlung beginnt
Proteste vor dem Verhandlungssaal
Vor Beginn der Verhandlung demonstrierten etwa 300 Menschen gegen den Flughafenausbau, die Fluglärmbelastung und für ein Nachtflugverbot. In einer Sternfahrt waren Ausbaugegner aus dem Rhein-Main-Gebiet mit Bussen und mit dem Fahrrad nach Kassel gekommen und hatten den Fluglärm mitgebracht. Mit Lautsprechern wurde aufgezeichneter Fluglärm in realistischer Lautstärke abgespielt, um den Richtern zu verdeutlichen, über was sie bei der Verhandlung entscheiden. Mit Transparenten, Trillerpfeifen und anderen Lärmgeräten machten die Demonstranten ihrem Zorn über die Ausbaupläne Luft, Bürgermeister betroffener Kommunen hielten kurze Reden. Der Hattersheimer Bürgermeister Franssen ärgerte sich heftig darüber, dass Hattersheim nicht als Musterkläger zugelassen wurde, obwohl die Stadt neben Flörsheim am schlimmsten durch den Ausbau betroffen werden ( -> Pressemitteilung Hattersheim).
Wer einen Platz bekommen hatte, schaute später im Saal der Verhandlung zu.
- Viele Bilder von der Demonstration bei der FNP
- Video von Quer-TV zur Fahrrad-Demo und Demo vor dem Gerichtssaal
Viel Kritik bei der Verhandlung
Drinnen begann unter starken Sicherheitsvorkehrungen pünktlich um 10 Uhr die Verhandlung, im Beisein von viel "Prominenz". Von den Kommunen war der Oberbürgermeister von Offenbach Schneider, Bürgermeisterin Munk (Hochheim) und Bürgermeister Jühe (Raunheim + Fluglärmkommission) gekommen. Von der politischen Seite war der Flughafenexperte der Grünen, Frank Kaufmann, fast die ganze FAG-Fraktion und Staatssekretär Güttler anwesend. Auch die Fraport-Chefs Bender und Schulte ließen sich blicken, blieben aber nicht lange. Die Stimmung war emotional aufgeladen: die Zuschauer ließen es sich nicht davon abbringen, Äußerungen der Anwälte "ihrer" Seite mit Beifall und Äußerungen von Fraport und Landesregierung mit Unmutsäußerungen zu quittieren.
An diesem ersten Tag standen vor allem organisatorische Fragen auf der Tagesordnung. Die Anwälte kritisierten die Prozessführung und beschwerten sich über Ausstattung und Platzmangel im provisorischen Verhandlungssaal. So hätten die meisten Kläger, die nicht als Musterkläger gewählt worden seien, nicht einmal Einlasskarten als Zuhörer bekommen. Rechtsanwalt Haldenwang (Neu-Isenburg) warf dem Gericht vor, die Kläger vor der Verhandlung stark unter Zeitdruck gesetzt zu haben, man hätte nicht genug Zeit für Stellungnahmen bekommen. Die Anwälte kritisierten auch, dass wichtige Unterlagen nicht im Original vorlägen. Ein früherer Planfeststellungsbeschluss von 1971 sei im Ministerium verloren gegangen, hieß es.
Stellungnahmen zum Auftakt der Verhandlung
Die Initiative "Zukunft Rhein-Main" geht zuversichtlich in die Verhandlung. Man sehe durchaus Chancen, dass der Hessische Verwaltungsgerichtshof den in weiten Teilen fehlerhaften Planfeststellungsbeschluss vom Dezember 2007 kippt", erklärten die sprecher. Der BUND ist ebenfalls optimistisch. Noch sei nichts entschieden, ein Teil des Waldes könnte noch gerettet werden, sagte Vorstandssprecherin Martin. Kritik übt der BUND auch an der Absicht von Minister Posch, die Ausnahmen vom Nachtflugverbot vor gericht zu verteidigen.
- Initiative "Zukunft Rhein-Main" zieht zuversichtlich vor Verwaltungsgerichtshof
Pressemitteilung vom 2.6.2009 - BUND: "Noch ist nichts entschieden!" (PM vom 30.6.2009)
Wirtschaftsminister Posch zeigte sich dagegen überzeugt, dass der Planfeststellungsbeschluss vor Gericht Bestand haben werde, einschließlich der 17 Nachtflüge. Das Bundesverkehrsministerium habe ihm nochmals bestätigt, dass angemessene Möglichkeiten für Nachtflüge auch im besonderen verkehrspolitischen Interesse des Bundes liegen würden. Dies werde er in der Verhandlung deutlich machen, meinte Posch.
Die ADV (Arbeitsgemeinschaft Deutscher Flughäfen) forderte in einer Pressemitteilung eine "wirtschaftlich tragfähige Nachtflugregelung". Ein Nachtflugverbot am Frankfurter Flughafen gefährde tausende Arbeitsplätze.
Die Grünen und die Linke bekräftigten ihre Ablehnung des Ausbaus und übten Kritik an der Prozessführung. Die Linke wertete die Reduzierung der Materie auf zwölf Musterklagen als Benachteiligung der Ausbaugegner. Die SPD beklagte wieder einmal den Wortbruch der Landesregierung beim Nachtflugverbot.
- GRÜNE: Merkwürdige Verfahrensanwendung zu Lasten der Kläger (PM vom 2.6.2009)
- Die Linke: Eine neue Landebahn wird nicht benötigt (PM vom 2.6.2009)
- SPD: Nachtflugverbot – der Wortbruch geht weiter (PM vom 2.6.2009)
Ereignisse im Vorfeld
29.05.2009: Fraport mit Großaufgebot beim Gericht
Vielleicht hat der VGH Kassel ja nicht ganz so unrecht wie gedacht mit seiner Einschätzung, dass nicht allzu viele Zuschauer in den Verhandlungssaal passen. Der Offenbach-Post von heute ist zu entnehmen, dass allein Fraport und das Land Hessen etwa 100 (!!) Sachbeistände mitbringen. Die Delegation aus Offenbach umfasst dagegen nur 10 Leute ...
28.05.2009: Luftfahrt-Lobby gegen Nachtflugverbot
anlässlich des Beginns der Verhandlung beim VGH Kassel macht die Luftfahrt-Lobby Front gegen ein Nachtflugverbot. So sieht die BARIG - die Organisation der Fluggesellschaften - ohne Nachtflüge keine Wachstumschance für die deutsche Wirtschaft. BARIG wünscht sich eine Lösung, bei der das "volks- und betriebswirtschaftliche Gleichgewicht des deutschen Luftverkehrs im internationalen Wettbewerb oberste Priorität hat".
Die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände legt nach und gibt den Richtern gleich Hinweise: "Einen Weltflughafen nachts zu schließen kostet tausende Arbeitsplätze und widerspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts." Die VHU begrüßt auch die Ankündigung von Minister Posch, die Zahl der im Planfeststellungsbeschluss zugelassenen Ausnahmen vom Nachtflugverbot nicht zu verringern.
Die Kasseler Richter hatten im Januar in der Begründung der Ablehnung der Eilverfahren Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Nachtflüge geäußert.
20.05.2009: VGH Kassel kündigt Verhandlung an
Der VGH Kassel hat heute die Verhandlung gegen den Flughafenausbau offiziell auf seiner Internetseite angekündigt und die Modalitäten zum Einlass von Zuschauern konkretisiert.
19.05.2009: Verhandlung von Flörsheimer Musterklage verschoben
Der VGH Kassel hat auf Antrag der Anwälte der Stadt die Verhandlung der Flörsheimer Musterklage vom 2. Juni auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Die Anwälte hatten mit Erfolg geltend gemacht, dass ihnen nicht genug Zeit zu einer angemessenen Reaktion auf umfangreiches von Fraport neu ins Verfahren eingebrachtes Material eingeräumt wurde. Für Flörsheim rückt Neu-Isenburg als Musterkläger nach.
18.05.2009: VGH will nur 50 Zuhörer zulassen
Der VGH Kassel hat auf die Ankündigung des BBI, dass ca. 300 Betroffene am Eröffnungstag an der Verhandlung teilnehmen wollen, geantwortet: der Saal sei zu klein, wahrscheinlich sei nur für 50 Zuhörer Platz. Das BBI sieht darin eine weitere Brüskierung der betroffenen Bürgerinnen und Bürger. Trotzdem werden alle wie geplant nach Kassel fahren.
Klage (vor Gericht) Hessischer Verwaltungsgerichtshof (VGH) Nachtflugverbot