Die Verfahrensführung zu den Klagen der Städte Mörfelden-Walldorf und Neu-Isenburg gegen die Errichtung der A380-Werft am Flughafen Frankfurt durch den Verwaltungsgerichtshof (VGH) Kassel muss nach der gestrigen mündlichen Verhandlung als erschreckend bezeichnet werden, stellte Bürgermeister Heinz-Peter Becker ernüchtert fest.
Im ersten Teilurteil, dass bereits im Juni 2005 erging, wurde der Bau der Halle genehmigt und gleichzeitig wurde unsere Auffassung bestätigt, dass zur Klärung der Lärmauswirkungen viele offene Fragen bestanden haben und diese durch ein unabhängiges Sachverständigen- Gutachten geklärt werden sollten.
Zu Beginn der mündlichen Verhandlung am Dienstag, 19.01.2010 stellte nun der Vorsitzende Richter Dr. Zysk fest, dass mit dem Teilurteil aus 2005 und die in der Zwischenzeit gewonnenen Erkenntnissen eigentlich keine Sachverhaltsaufklärung mehr erforderlich gewesen wäre. „Der Stadt Mörfelden-Walldorf wurde damit bereits zu Beginn der Verhandlung deutlich gemacht, dass wir von diesem Senat in Kassel keine wirksamen Lärmschutzauflagen für die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt zu erwarten haben,“ beschreibt Bürgermeister Becker den Verhandlungsauftakt.
Dieses Verhalten des VGH verwundert umso mehr, da mit dem Planfeststellungsbeschluss zur Landebahn und Terminal 3 vom 18.12.2007 ein Schutzniveau für Triebwerksprobeläufe festgesetzt wurde, dass über die ursprünglichen Bestimmungen des Planfeststellungsbeschlusses zur A380-Werft (2004) hinaus geht. Wenn also der VGH den Beschluss von 2007 und das dort festgelegte Schutzniveau für angemessen hält – siehe Urteil vom 21.08.2009 – dann muss doch der Beschluss von 2004 fehlerhaft gewesen sein. Diese unterschiedliche Behandlung der gleichen Thematik ist auch für Juristen nicht mehr nachvollziehbar, kommentierte RA Bernhard Schmitz das unverständliche Vorgehen des VGH.
2004 sollte ein Dauerschallpegel in der Nacht von 62 dB(A) akzeptiert werden, 2007 wurde die Einhaltung von 50 dB(A) für erforderlich gehalten und festgesetzt.
In der mündlichen Verhandlung am Dienstag wurden eine ganze Reihe von Sach- und Detailfragen zum Sachverständigen Gutachten diskutiert, die aus unserer Sicht nicht zufriedenstellend beantwortet wurden. Allerdings hat der VGH unmissverständlich signalisiert, dass er diese Fragen für nicht entscheidungsrelevant hält. Am Beispiel Tonalität der Triebwerksprobeläufe wurde dies besonders deutlich. Unstrittig ist die besondere Störwirkung dieser pfeifenden Geräusche. Der VGH zieht sich aber auf die Position zurück, dass dies nicht einbezogen werden müsse, weil es dazu keine gesetzliche Vorgabe gebe. Die existierenden DIN-Normen, die den Stand der Wissenschaft und Technik abbilden, hält der VGH nicht für maßgebend. Nach unserer Auffassung hätten sie aber in der Abwägung auch in Hinblick auf die im Grundgesetz verankerten Grundrechte auf Gesundheit berücksichtigt werden müssen.
Unzufrieden muss man auch mit der Behandlung der Rechnungsstellungen durch den sachverständigen Gutachter sein. Mehrere offenen Fragen ergaben sich, die uns im weiteren Verfahren zur Kostenfestsetzung nach der Urteilsverkündung noch beschäftigen werden. Wir haben allerdings davon abgesehen, diese Fragen mit den inhaltlichen Fragestellungen zu verknüpfen – wie es die Vertreter der Stadt Neu-Isenburg in der Begründung ihres Befangenheitsantrages gegen die Richter getan haben – weil nicht zu erwarten ist, dass sich nach einer Vertagung ein günstigeres Urteil für uns ergeben könnte und zusätzlich weitere Verfahrenskosten entstehen würden. Gleichwohl können wir die Beweggründe der Stadt Neu-Isenburg nachvollziehen, da deren Anträge auf Akteneinsicht mit wenig überzeugenden Argumenten abgelehnt wurden. Im Ergebnis führte der Befangenheitsantrag zur Trennung derVerfahren und zur Vertagung des Prozesses für die Stadt Neu-Isenburg.
Der VGH hat im Verfahren der Stadt Mörfelden-Walldorf nach dem Verlauf der mündlichen Verhandlung von dem ursprünglichen Vorhaben abgesehen, noch am gestrigen Tage die Entscheidung zu verkünden. Ein Verkündungstermin für das Urteil wurde für den 18. Februar 2010, 12.00 Uhr angesetzt. Offensichtlich muss die bereits vorformulierte Entscheidung noch mal überarbeitet werden. Einen Erfolg in der Sache erwarten wir allerdings nicht mehr.
Man muss allerdings festhalten, dass durch unsere hartnäckige Klage die ursprünglichen Gutachten und der Planfeststellungsbeschluss von 2004 in Frage gestellt wurden, die letztendlich auch zu einem Planfeststellungsbeschluss von 2007 mit deutlich besseren Schutzzielen geführt hat. Die Volllastprobeläufe dürfen künftig nicht im „freien Feld“ (Rollbahn C) durchgeführt werden, sondern müssen vor der Halle an einer Schutzwand durchgeführt werden. Das ist gegenüber dem heutigen Stand eine Verbesserung, ein noch effektiverer Schutz mit einer Lärmschutzhalle war vor diesem Senat nicht zu erreichen.
Im Rückblick bleibt festzustellen, dass wegen eines enormen angeblichen Zeitdruckes über 20 ha Wald für eine ganze Halle gerodet wurden, bis heute nur eine halbe Halle gebaut wurde und die Lufthansa statt bereits 2007 auch in 2010 noch immer nicht über einen einsatzbereiten A380 verfügt, stellte Bürgermeister Heinz-Peter Becker abschließend fest.
PFV A380-Werft Mörfelden-Walldorf Hessischer Verwaltungsgerichtshof (VGH)