Nachdem die Ticona beim Erörterungstermin zum Flughafenausbau entschiedenen Widerstand gegen den Bau einer Nordwestbahn angekündigt hat, hat Ministerpräsident Koch seine Drohung wiederholt, das Werk zu enteignen, falls es der Nordwestbahn im Wege steht.
In einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (Ausgabe 29. Januar) sagte Koch, Ticona habe viele Jahre Genehmigungen bekommen, weil das Unternehmen überzeugend vorgetragen habe, daß die parallele Existenz seines Betriebes und des Flughafens problemlos möglich ist. "Wenn die heutigen Eigentümer nach dem "Alles-oder-nichts-Prinzip" den Flughafenausbau verhindern wollen, dann werden sie am Ende wegen des überwiegenden großen öffentlichen Interesses am wachsenden Flughafen und der damit verbundenen Schaffung Zehntausender Arbeitsplätze alles verlieren. Ticona muß zu einer Kooperation bereit sein und sollte sich nicht zu sehr auf die laute Rhetorik ihrer vielen Anwälte verlassen."
Weiterhin meinte Koch zum Erörterungstermin: "Das ganze Verfahren in seiner jetzigen Form trägt nicht sehr zur Wahrheitsfindung bei, sondern nur zur üppigen Gebührenabrechnung vieler Beteiligter." Das Verfahren dauere viel zu lange: "Zehntausende Arbeitsplätze könnten längst geschaffen sein." Deshalb wolle das Land Hessen auch die Planungsverfahren verkürzen. Fünf Jahre sollten in einem modernen Industriestaat wie Deutschland für einen Flughafenausbau genügen.
Vertreter der Ticona hatten am ersten Tag der Risiko-Debatte beim Erörterungstermin darauf bestanden, die Nordwestbahn und der normale Betrieb der Ticona seien nicht vereinbar. Der zuständige Vorstandbeauftragte der Muttergesellschaft Celanese hatte bei der einführenden Debatte beim Erörterungstermin bezeichnete Bau der geplanten Nordwestbahn als "Torheit" bezeichnet. Ticona hätte es für unmöglich gehalten, dass man "ernsthaft plane, bewusst und mutwillig" ein unakzeptables Risiko einzugehen. Dies würde man nicht mitmachen. Die Rechtsanwälte der Ticona kündigten an, man wolle gegen eine Genehmigung bis zum Europäischen Gerichtshof klagen.
Durch Hindernisfreiheits- und Bauschutzbereiche, die sich aus dem Betrieb der Landebahn ergeben, wäre Ticona gezwungen, einen Teil ihrer Anlagen abzureißen und dürfte praktisch nichts mehr erweitern oder neu bauen. Dadurch könnte sich der Betrieb nicht mehr entwickeln und wäre sogarin seiner Existenz gefährdet. Durch niedrige Überflüge mit über 100 dB(A) Maximalpegel und Wirbelschleppen wäre der normale Betrieb und die Gesundheit der Mitarbeiter gefährdet. Auch das Absturzrisiko wäre zu hoch - dies sei ein Verstoß gegen die Seveso-II-Richtlinie.
Mehr:
- Bericht zur Erörterung vom 26.1.2006
- "Risiko Ticona: die aktuelle situation und die Zukunft des Werks (Startseite)
Die SPD-Fraktion im Wiesbadener Landtag hält die Ankündigung der Ticona, gegen eine Nordwestbahn bis zur letzten Instanz zu klagen für eine "ernst zu nehmende Gefahr für die Ausbauplanung". Der Fraktionsvorsitzende walter warf Ministerpräsident Koch vor, in den vergangenen zwei Jahren "außer einer hilflosen Enteignungsdrohung keinen Beitrag dazu geleistet zu haben, die Ticona-Problematik zu lösen". Die Landesregierung torkele "orientierungslos im Dschungel des Ausbauverfahrens". Der BUND meinte, Fraport verfolgt keine Vorzugs-, sondern eine Risikovariante.
Mehr:
Ministerpräsident Koch hatte bereits im Januar 2004 damit gedroht, die Ticona zu enteignen, falls sich der Konflikt zwischen der Nordwestbahn und dem Betrieb des Werkes nicht anders lösen lässt. Kommentare von Januar 2004 (leider noch nicht überholt):
Ticona Gefahren durch Flughafenausbau FRA Enteignung Hessische Landesregierung