Der Ausbau des Frankfurter Flughafens ist genehmigt. Wirtschaftsminister Rhiel hat heute den Planfeststellungsbeschluss unterschrieben und in einer Pressekonferenz die Eckdaten verkündet.
Am 7. Januar 2008 wird der Planfeststellungsbeschluss offiziell der Fraport zugestellt und soll auch im Internet veröffentlicht werden. Die 14-tägige öffentliche Auslage in den Kommunen beginnt am 11. Januar 2008. Ab dann läuft auch die Klagefrist.
Minister Rhiel zum Planfeststellungsbeschluss:
Der Planfeststellungsbeschluss enthält, wie erwartet, kein absolutes Nachtflugverbot, sondern eine Regelung, die von Rhiel als "gerichtsfestes Nachtflugverbot" bezeichnet wird. Danach werden in der "Mediationsnacht" Zwischen 23 und 5 Uhr (im Jahresdurchschnitt) bis zu 17 planmäßige Flugbewegungen zugelassen, und zwar nur für Fluggesellschaften, deren Heimatflughafen Frankfurt ist; Frachtflüge haben Priorität vor anderen Flügen. Verspätete Landungen sollen bis 0 Uhr, verfrühte Landungen vor 5 Uhr nicht zulässig sein. Die neue Landebahn Nordwest soll zwischen 23 und 5 Uhr geschlossen werden. In der gesamten Nacht von 22-6 Uhr soll die Zahl der planmäßigen Flüge auf 150 beschränkt werden (heute sind es insgesamt ca. 130 Flüge). Leiser wird es nachts also insgesamt nicht.
Minister Rhiel begründete seine Zustimmung zum Flughafenausbau vor allem mit dem wirtschaftlichen Nutzen des Flughafens für die Region. Der Flughafen könne nur durch den Ausbau seinen Platz unter den 8 größten Flughäfen und als eine der größten zentralen europäischen Drehscheiben halten. Durch den Ausbau würden mehr als 40000 neuen Arbeitsplätze geschaffen, unter Berücksichtigung der "katalytischen Arbeitsplätze" sogar 100000. Die von Rhiel mit offensichtlicher Begeisterung vorgetragene Argumentation zeigte, dass die Planfeststellungsbehörde bei Bedarfs- und Arbeitsplatzprognosen die Angaben von Fraport praktisch unverändert übernommen hat - die Marketing-Abteilung der Fraport hätte die Rede kaum besser halten können. Die vielen guten Argumente von Experten und Einwendern wurden hier in keiner Weise berücksichtigt.
Die Abkehr vom Nachtflugverbot rechtfertigte Rhiel damit, dass ein absolutes Nachtflugverbot ohne Ausnahmen keinen Bestand vor Gericht haben werde. Er zog dazu die jüngsten Urteile des Bundesverwaltungsgerichts, insbesonder zum Flughafen Berlin-Schönefeld, zur Begründung heran. Vor allem müsse die Anbindung an die internationale Luftfracht gesichert werden. Nach Gutachten, die das Ministerium in Auftrag gegeben habe, bestehe ein Bedarf von 71 Flugbewegungen in der "Mediationsnacht". Eine Beschränkung auf 17 Flugbewegungen sei daher die Untergrenze, die gerade noch zu rechtfertigen sei. Man habe damit den Interessen der Bevölkerung das "größtmögliche Gewicht" beigemessen.
Weiterhin sprach Rhiel kurz über die Komponenten des Planfeststellungsbeschlusses. Dabei hob er besonders die zahlreichen Kompensations- und Ausgleichsmaßnahmen auf dem Gebiet des Naturschutzes hervor. So würden für die 282 Hektar Wald, die wegen des Ausbaus gerodet werden müßte, 288 ha Wald neu aufgeforstet (unsere Enkel und Urenkel wird es freuen). Für die Hirschkäfer würden 250 Baumstümpfe umgesiedelt, für die Fledermäuse 150 neue Wohnhöhlen angelegt. Gegen die Vogelschlaggefahr werde am Mönchwaldsee ein 300m langer und 10m hoher Schutzvorhang errichtet. Die Ausgleichsmaßnahmen würden Fraport bis zu 100 Millionen Euro kosten.
Beim Lärmschutz verwies Rhiel auf den "Anti-Lärm-Pakt" des Regionalen Dialogforums. Der hier vorgeschlagene "Lärmindex" soll offenbar zur Beurteilung der Lärmauswirkungen herangezogen werden. Näheres sagte Rhiel zum Thema Lärmschutz nicht.
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HMWVL: Wirtschaftsminister Dr. Alois Rhiel genehmigt Flughafenausbau mit rechtssicherem Nachtflugverbot
Pressemitteilung des hessischen Wirtschaftsministeriums vom 18.12.2007
Die gesamte Rede von Minister Rhiel (45 Minuten) kann man auf hr-online im Internet ansehen. Dazu auf www.hr-online.de gehen, auf der Startseite befindet sich unter dem Titel "Der Flughafenausbau kommt" der Video-Beitrag "Rhiel gibt grünes Licht". Direktlink hier - ohne Gewähr, dass der Beitrag hier auf Dauer verfügbar ist.
Erste Reaktionen
Politik:
Ministerpräsident Koch sprach von "einem guten Tag für die Region". Mit Blick auf die Ausnahmen vom Nachtflugverbot räumte Koch ein, er habe "nur 95% bekommen". Es gebe aber keine Alternative. Ohne Ausbau würden 40000 neue Arbeitsplätze nicht entstehen, und es würde nachts viel lauter werden. Die SPD-Spitzenkandidatin Ypsilanti warf Koch erneut Wortbruch beim Nachtflugverbot vor. Sie kündigte an, falls sie die Wahl gewinne, werde sie nach Möglichkeiten suchen, doch noch ein totales Nachtflugverbot zu erreichen. Die Ausnahmen seien juristisch nicht notwendig. Die FDP begrüßte die Ausbaugenehmigung. Die 17 Nachtflüge würden aber nicht den Vorstellungen der FDP nach einer vollständigen Umsetzung des Mediationsergebnisses entsprechen. Die Grünen sprachen von der "Vollendung des seit langem angekündigten Wortbruchs“. Die Landesregierung habe die Bevölkerung systematisch für dumm verkauft, sagte der Vorsitzende Al Wazir.
- Michael Boddenberg: "Weg zur Schaffung zehntausender Arbeitsplätze ist frei"
Pressemitteilung der CDU vom 18.12.2007 - Dieter Posch: "Baurecht für Flughafen wichtigster Beschluss und Meilenstein in dieser Legislaturperiode"
Pressemitteilung der FDP vom 18.12.2007 - Grüne: Wortbruch vollendet
Pressemitteilung der hessischen Grünen vom 18.12.2007 - Ypsilanti: Nachtfluglizenz eklatanter Wortbruch gegenüber der Region
Pressemitteilung der SPD vom 18.12.2007 - Das Nachtflugverbot ist gestorben
Informationen zur Landtagsdebatte über das Nachtflugverbot am 12.12.2007
Die Frankfurter Oberbürgermeisterin Roth lobte das teilweise Nachtflugverbot als "gelungenen Kompromiss". Die rheinland-pfälzische Landesregierung will das ihrer Meinung nach "aufgeweichte Nachtflugverbot" prüfen. Es wäre der Landesregierung "lieber gewesen, wenn gar keine Nachtflüge stattfinden würden", sagte ein Sprecher. Roth will auch nicht klagen. Gegen den Stadtverordneten-Beschluss vom 13. Dezember, in dem es heißt: "Sollte es zu einer Aufweichung des Nachtflugverbotes kommen, wird die Stadt Frankfurt dagegen Klage erheben" will sie Widerspruch einlegen, weil sie dadurch "das Gemeinwohl beeinträchtigt sieht".
Ausbau-Befürworter:
Bei Fraport herrschte natürlich Freude über die Genehmigung des Ausbaus. Der Vorstandsvorsitzende der Fraport Bender sprach von einem "historischen Tag für den Frankfurter Flughafen und für die nationale Luftfahrt". Bender kündigte an, man werde "keine vollendeten Tatsachen vor einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in Kassel in den Eilverfahren schaffen". Lufthansa zeigte sich über die Plangenehmigung zwar erfreut, man sie allerdings enttäuscht über die geringe Zahl der zulässigen Nachtflüge. Ob Lufthansa deswegen klagen wird, ließ der Sprecher offen. Der Ferienflieger Condor sieht sich als in Frankfurt beheimatete Fluggesellschaft stark von der Nachtflugregelung benachteiligt. Es sei zu befürchten, dass Condor die nächtlichen Flüge stark einschränken müsse, was die Wettbewerbsfähigkeit gefährde.
- Fraport-Chef: Meilenstein auf dem Weg zum Flughafenausbau
Pressemitteilung der Fraport vom 18.12.2007
Der Vorsitzende des Regionalen Dialogforums Prof. Wörner forderte angesichts der Ausnahmen vom Nachtflugverbot eine "zügige Umsetzung des Anti-Lärm-Pakts". Dies sei unabdingbar, um die Balance der Mediation aufrecht zu erhalten. Es sei erfreulich, dass offenbar wesentliche Elemente des RDF "Anti-Lärm-Pakts" in den Planfeststellungsbeschluss eingeflossen seien.
- Wörner: Umsetzung des Anti-Lärm-Pakts jetzt unabdingbar
Pressemitteilung des RDF (Prof. Wörner) vom 18.12.2007
Die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU) begrüßte die Planfeststellung als "Durchbruch für die Region.
Bürgerinitiativen und Umwelt-Verbände
Der BUND kritisierte die Zunahme der Lärmbelastung, die gewaltige Naturzerstörung und die völlige Ignoranz gegenüber dem Klimaschutz an und kündigte eine Verbandsklage gegen den Planfeststellungsbeschluss (und einen Eilantrag gegen deb Sofort-Vollzug) an. Ansätze für Klagen sieht der BUND vor allem beim Naturschutztecht. Zudem ist dem BUND aufgefallen, dass Minister Rhiel bei den Nachtflügen mit falschen Zahlen operiert hat: rechnet man die ungeplanten Flüge ein, wird es nach dem Ausbau trotz "Nachtflugverbot" mehr Nachtflüge geben als heute. Das Bündnis der Bürgerinitiativen bezeichnete die Ausbaugenehmigung schon gestern als "unverantwortlich". Der VCD warnte vor den negativen Folgen des Ausbaus auf die Stadt- und Regionalentwicklung.
- Flughafenausbau: BUND kündigt Verbandsklage an
- BUND: Schon wieder die Unwahrheit
Landesregierung nennt falsche Zahl - nach Ausbau mehr Nachtflüge als je zuvor (PM 19.12.2007) - BBI: Ausbaugenehmigung unverantwortlich
- VCD warnt vor brutalstmöglichem Flughafenausbau
2 Pressemiteilungen zum Planfeststellungsbeschluss vom 17.12.2007
Der Deutsche Fluglärmdienst (DFLD) kritisierte die im Planfeststellungsbeschluss vorgesehenen Lärmschutzmaßnahmen als "Feigenblatt". Der in der "gemeinsamen Erklärung zum Lärmschutz" als Kontrollinstrument vorgeschlagene Lärmindex sei kein geeignetes Instrument zur Eindämmung des Lärms, sondern eine "unverfrorene Lobbyisten-Konstruktion":
Die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) hat aus Ärger über das nicht verwirklichte Nachtflugverbot ihren Austritt aus dem Regionalen Dialogform (RDF) erklärt. Die hessische Landesregierung habe zu wenig für eine erfolgreiche Umsetzung des Nachtflugverbots getan, kritisierte der SDW-Landesvorsitzende Mehler. Dagegen habe die Regierung alleine in den letzten fünf Jahren das hessische Naturschutz- und Forstrecht vier Mal geändert, um den Ausbau des Flughafens rechtskonform umsetzen zu können.
Kommunen
Bei den Kommunen im Umfeld des Flughafens Löste der Planfeststellungsbeschluss Wut und Empörung aus.
Die Initiative Zkunft Rhein-Main sprach von einem "Weihnachtsgeschenk für die Luftverkehrswirtschaft" und kündigte Klagen an.
Für den Kelsterbacher Bürgermeister Engisch war der Tag des Planfeststellungsbeschlusses natürlich kein guter Tag, müssen doch fast 300 Hektar des Kelsterbacher Bannwaldes für die Landebahn enteignet und gerodet werden. "Wenn man kämpft und sich für die Belange und die Interessen dieser Region und für die hier lebenden Menschen einsetzt, und durch einen Federstrich zugunsten eines börsennotierten Unternehmens, das alles wettgemacht wird, dann kann einem schon der Gaul durchgehen", ärgert sich Engisch. Kelsterbach will sich gegen die Enteignung wehren.
Der Flörsheimer Bürgermeister Antenbrink sprach von einem "Schwarzen Tag für unsere Stadt". Aber noch sei nicht aller Tage Abend, gab sich Antenbrink kämpferisch. "wir werden auf jeden Fall gegen den Ausbau klagen und mit einem Eilantrag einen Baustopp erzwingen. Ob der Planfeststellungsbeschluss wirklich so rechtssicher ist, wie Rhiel glaubt, wird sich dabei noch erweisen".
Auch Rüsselsheim plant eine Klage. Oberbürgermeister Gieltowski sagte: "die hehren Worte Roland Kochs waren reine Luftakrobatik. Der hessische Ministerpräsident hat sein Wort gegenüber den Menschen in der Region gebrochen". Die Stadt fordert ein neues Planfeststellungsverfahren.
Die Stadt Hofheim hat ebenfalls juristische Schritte gegen den Ausbau beschlossen. Im Stadtparlament stimmten trotz Meinungsverschiedenheiten im Detail alle Fraktionen dafür. Besonders das aufgeweichte Nachtflugverbot löste hier großen Zorn aus.
Der Raunheimer Bürgermeister Jühe äußerte sich enttäuscht. Seine Stadt werde von den zu erwartenden Milliarden-Investitionen und den Arbeitsplätzen wohl nicht profitieren, hier würden die negativen Folgen im Vordergrund stehen. Ob seine Stadt klagen werde, hinge davon ab, ob die im Planfeststellungsbeschluss vorgesehenen (aktiven) Lärmschutzmaßnahmen ausreichend seien, sagte Jühe bei hr-online.
Die Stadt Offenbach hat dagegen bereits angekündigt, dass sie durch alle Instanzen gegen den Ausbau klagen will. Oberbürgermeister Schneider kritisierte, der Ausbau gehe allein im östlichen Rhein-Main-Gebiet zulasten von 150 000 Menschen. Schneider: "Im Unterschied zu bedrohten Tierarten kann man die Bewohner Offenbachs nicht einfach umsiedeln".
Landrat Gall (Main-Taunus-Kreis) meinte, der Planfeststellungsbeschluss sei alles andere als eine gelungene Weihnachtsüberraschung, sondern bedeute den GAU (größter anzunehmender Unfall) für die Städte der Mainschiene. Der Main-Taunus-Kreis müsse alle rechtlichen Möglichkeiten ausloten, um einen Baubeginn am Frankfurter Flughafen zu verhindern.
Unterschiedlich ist die Reaktion der Politiker aus dem Rheingau-Taunus-Kreis. Während der CDU-Landtagsabgeordnete Beuth den Flughafenausbau als "Jobmaschine" für die Region lobt, sprach der Landtagskandidat der SPD Hannes, von einem "eklatanten Wortbruch" der Regierung Koch.
Nicht gegen den Ausbau klagen will die Stadt Wiesbaden. Das verwundert nicht, denn Wiesbaden ist seit langem für den Ausbau.
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