Frankfurt/M., 17. Dezember 2007. Vor den negativen Auswirkungen des Flughafenausbaus auf die Stadt- und Regionalentwicklung hat der Verkehrsclub Deutschland (VCD) angesichts des bevorstehenden Planfeststellungsbeschlusses der Hessischen Landesregierung gewarnt. Bewohner und Betriebe würden vor dem Fluglärm fliehen und in Gebiete mit höherer Lebensqualität abwandern. Immobilien würden an Wert verlieren. "Immer größere Teile der Kernbereiche des Rhein-Main-Gebiets werden zu Siedlungsbeschränkungsgebieten und damit faktisch für unbewohnbar erklärt", kritisiert Helmut Richter vom VCD-Kreisverband Frankfurt / Main-Taunus. Der VCD fordere daher die Bevölkerung auf, bei der Landtagswahl im Januar 2008 bei ihrer Wahlentscheidung die negativen Folgen des Flughafen-Ausbaus zu bedenken.
Durch die aktuelle Debatte um die Zahl der Nachtflüge sei das Vertrauen in die Landesregierung erheblich erschüttert, so der VCD. Das ursprüngliche Versprechen Roland Kochs, der Ausbau werde an ein Nachtflugverbot gekoppelt, habe mittlerweile keine Gültigkeit mehr. Die Landesregierung spreche zwar derzeit von "nur" 15 geplanten Flügen pro Nacht, doch könnte allein die Lufthansa ca. 40 Flüge verlangen und die übrigen Fluggesellschaften etwa ebenso viele. Zu dem sich verstärkenden Lärm der tagsüber zusätzlich startenden und landenden Jets würde sich also in der Nacht eine regelrechte "stark gesundheitsgefährdende Lärmfolter" gesellen. Der Verkehrslärm sei Ursache für einen negativen Strukturwandel, der in verlärmten Stadtteilen von Frankfurt, Hanau und Offenbach bereits unübersehbar sei. Von den Folgen für die Natur wie die Zerstörung des Kelsterbacher Waldes, der als Bannwald der Gesundheit und Erholung der Menschen dienen sollte, rede ohnehin niemand mehr.
Das ständig wiederholte Argument von der "Jobmaschine Flughafen", mit angeblich 100.000 Stellen, sei "bloßes Wunschdenken" so der VCD. Es entstünden hierbei höchstens Billigjobs bei Luftfahrt-Unternehmen und Dienstleistern, während qualifizierte Arbeitsplätze sogar abwanderten. Und selbst die entstehenden Jobs seien häufig nicht neu, sondern würden aus anderen Regionen Deutschlands abgezogen oder es käme zu Verlagerungen innerhalb des Rhein-Main-Gebietes. Dies zwänge die betroffenen Menschen zum Umzug oder zu stundenlangem Pendeln. Arbeitsplätze oder Kaufkraft in der Region würden durch den Ausbau kaum generiert, weil die Fraport AG die Zukunft des Flughafens vor allem als Mega-Umsteigeknoten für Millionen weltweit reisender Fluggäste sehe. Der Flughafen selbst erwarte künftig zudem nur noch einen Bruchteil seiner Erträge vom eigentlichen Flugverkehr und stelle sich in den aktuellen Planungen als weiteres Einkaufs- und Dienstleistungszentrum in Konkurrenz zur Frankfurter City auf. Diese Entwicklungen dienten dabei ausschließlich den Kapitalgebern des Flughafens, aber nicht den Menschen der Region.
Offiziell würden die Ausbaupläne mit der unablässig wachsenden Nachfrage nach Flugverkehr begründet, kritisiert der ökologisch ausgerichtete Verkehrsclub. Doch dieses Argument sei nicht schlüssig: Erstens stünde in Deutschland noch genügend freie Flughafenkapazität zur Verfügung. Zweitens seien die Steigerungsraten im deutschen Flugverkehr in den vergangenen Jahren hauptsächlich durch Billigflugangebote erzielt worden. Diese Entwicklungen stehen, so Richter "im eklatantem Widerspruch zur Verpflichtung der Bundesregierung, in Deutschland die klimaschädigenden Umweltbelastungen deutlich zu verringern". Würde, wie vom VCD gefordert, der Flugverkehr endlich mit der Mineralölsteuer belastet sowie dem Emissionshandel unterworfen, dann würde - aufgrund der damit einhergehenden Verteuerung - die Nachfrage schnell an ihre Grenzen stoßen, statt gleichsam einen großen Teil des deutschen Umweltbelastungskontingents aufzubrauchen.
Holger Greiner, Pressesprecher VCD Frankfurt / Main-Taunus
Flughafenausbau: VCD sieht Abwägungsfehler
Gravierende Abwägungsfehler beim Verfahren zum Ausbau des Frankfurter Flughafens wirft der Verkehrsclub Deutschland (VCD) dem hessischen Verkehrsministerium vor. "Die Landesregierung möchte Handlungsfähigkeit beweisen und den Planfeststellungsbeschluss noch vor der Wahl durchboxen. Sie riskiert dabei einen Planfeststellungsbeschluss, der nicht rechtssicher ist", erklärt der VCD-Landesvorsitzende Werner Geiß.
Das Argument, der Ausbau des Flughafens bringe Arbeitsplätze sei nicht stichhaltig. Das Regierungspräsidium Darmstadt habe bereits vor längerer Zeit erklärt, dass Arbeitsplatzeffekte für das Abwägungsergebnis nicht relevant seien.
Es sei zudem leicht ersichtlich, dass durch den Ausbau nicht nur Arbeitsplätze entstehen, sondern auch in großem Umfang in anderen Branchen und anderen Regionen wegfallen. "Ministerpräsident Roland Koch spricht mittlerweile selbst nur noch von 40.000 statt 100.000 neuen Jobs. Gäbe es nähere Untersuchungen, wie viele Arbeitsplätze auf der anderen Seite wegfallen, müsste er vermutlich zugeben, dass der Ausbau gar keinen positiven Effekt auf den Arbeitsmarkt hat", ist Geiß überzeugt.
Die wirtschaftlichen Interessen der Fraport AG würden beim jetzigen Beschluss über den Anspruch der Anwohner auf Schutz vor Lärm und Abgasen gestellt. "Der prognostizierte Bedarf, also die wachsende Nachfrage nach Flugverkehr, ist für die Landesregierung das einzige relevante Entscheidungskriterium." Die Klimaschutzziele der Bundesregierung seien in dem Verfahren überhaupt nicht berücksichtigt worden. 130.000 Einwendungen von Bürgern seien einfach vom Tisch gewischt worden. "Die Landesregierung räumt den Bannwald ebenso beiseite wie Sachargumente und Bürgerrechte", sagte der VCD-Vorsitzende.
Das Verfahren offenbare die Schwächen deutscher Verkehrsplanung. Diese sei immer noch geprägt von der falschen Vorstellung, dass wachsender Verkehr den Wohlstand mehre. Das Gegenteil sei der Fall: Deutschland habe das dichteste Netz von Flughäfen und Schnellstraßen in Europa, Realeinkommen und Beschäftigung entwickelten sich aber schlechter als in den Ländern, die ihre Verkehrsinfrastruktur differenzierter und weitsichtiger planen.
Jan M. Stielike, Verkehrsreferent, VCD Landesverband Hessen