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Offener Brief an Kanzlerin Merkel zur Inbetriebnahme der Landebahn Nordwest
Pressemitteilung vom 11.10.2011
Von: @BIL Offenbach <2011-10-14>
Offenbacher Ausbau­gegner haben in einem offenen Brief Bundes­kanzlerin Merkel gebeten, nicht zur Ein­weihung der neuen Landebahn zu kommen.

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Dr. Merkel,

sehr geehrter Herr Ministerpräsident Bouffier,

am 21.10.2011 soll die neue Landebahn Nordwest in Frankfurt am Main offiziell in Betrieb genommen werden, obwohl noch die Revisionsentscheidung vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen den Planfeststellungsbeschluss anhängig ist und kein dringender Bedarf für die Inbetriebnahme der Landebahn Nordwest besteht. Das Flugverkehrsaufkommen liegt derzeit rund 15% unter dem prognostizierten Aufkommen.

Offenbach soll eine neue, eine dritte Lärmschneise bekommen, einen fast flächendeckenden Lärmteppich, weitere Luftschadstoffe und erhebliche Beschränkungen für die Stadtentwicklung. Die Großstadt und das Oberzentrum Offenbach sind mit dem Fluglärm und den daraus folgenden Beschränkungen kaum noch handlungsfähig. Sie Frau Bundeskanzlerin haben angekündigt, mit einem Landeanflug an den Festlichkeiten zur Inbetriebnahme teilzunehmen.

Wir bitten Sie: Kommen Sie nicht zur Inbetriebnahme der Landebahn. Unterstützen Sie uns in unserem Kampf für unsere Gesundheit und die Entwicklungschancen unserer Stadt!

Schon mit ihrem Einweihungsfest im Juni hat die Fraport AG Kläger, Lärmbetroffene und mehr als 150.000 Einwender verhöhnt. Die Landebahn vor dem Urteil des BVerwG in Betrieb zu nehmen zeugt zudem vor fehlendem Respekt vor der Dritten Gewalt. Mit der Inbetriebnahme sollen schon vor der Entscheidung des BVerwG Fakten geschaffen werden, was eine versuchte Beeinflussung der Dritten Gewalt darstellt.

Seit Jahren werden wirtschaftliche Interessen vor die Gesundheit hunderttausender Menschen gestellt. Es ist inzwischen belegt, dass ständiger Fluglärm zu ernsthaften Erkrankungen und in hohem Maße auch zu Schulversagen führen kann. 20 von 24 Offenbacher Schulen werden in den Schutzzonen nach Fluglärmschutzgesetz liegen. Unsere Kinder werden benachteiligt, denn die permanente Lärmbelastung stört ihre Konzentrationsfähigkeit nachhaltig. Frau Bundeskanzlerin, Sie selbst haben in einem Interview gegenüber Günter Jauch angemerkt:

„... und außerdem bin ich auf dem Lande aufgewachsen, da habe ich ruhig geschlafen und das gibt mir wahrscheinlich heute auch viel Kraft – für den Rest meines Lebens!“

Wir bitten Sie: Setzen Sie sich dafür ein, dass auch unsere Kinder diese Kraft schöpfen können!

Die Menschen in Offenbach sind bereits stark durch Fluglärm belastet. Doch für den Betrieb der neuen Landebahn ist selbst ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr noch immer nicht gesichert. Und auch die Möglichkeiten zur Reduzierung des Fluglärms durch aktiven Lärmschutz wurden weder genutzt noch wird seitens der Luftverkehrswirtschaft eine Umsetzung ernsthaft erwogen. Auch Fragen des passiven Lärmschutzes sind noch nicht geklärt. Lärmschutzfenster oder Lüfter in den Schlafräumen sind keine ausreichende Lösung. Menschen können nicht in „Käfigen“ gehalten werden!

Die derzeitige deutliche Mehrbeachtung wirtschaftlicher Belange vor der Gesundheit der Bevölkerung einer ganzen Region ist menschenverachtend. Nach dem Fluglärmschutzgesetz sind mehr als 300.000 Menschen betroffen.

Doch nicht nur für die AnwohnerInnen ist dieses Vorgehen von großer Bedeutung, auch für Offenbach als Stadt. Offenbach befindet sich im Umbruch von einer Industrie- in eine Dienstleistungsstadt, weitere Entwicklungschancen würden der Stadt mit der Inbetriebnahme der neuen Landebahn genommen. 80% des Offenbacher Siedlungsgebiets fallen in eine der drei Bauverbotszonen; hier dürfen weder neue Schulen, KITAs, Pflegeheime und Krankenhäuser errichtet, noch erweitert oder ergänzt werden - und das in einer Großstadt mit oberzentraler Funktion! Die wohnortnahe Versorgung der Bevölkerung kann langfristig nicht mehr sichergestellt werden. Die Inbetriebnahme der Landebahn wirft unsere Stadt meilenweit zurück.

Für die Offenbacher Bürgerinnen und Bürger ist bei der Lärmbelastung die Grenze des Zumutbaren schon jetzt überschritten. Wir fordern Sie auf, sich dank des Ihnen übertragenen Amtes gegen die Respektlosigkeit der Fraport AG gegenüber der unabhängigen Dritten Gewalt auszusprechen: Für die Gesundheit von über 300.000 Einwohnerinnen und Einwohnern in der Stadt Offenbach und der Umgebung des Flughafens Frankfurt. Die Entscheidung des BVerwG Anfang nächsten Jahres muss ohne Nachteile für alle Beteiligten, auch für die Fraport AG, abgewartet werden.

Mit freundlichen Grüßen
Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner

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