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Roland Koch fordert Vereinfachung und Beschleunigung von Großprojekten
Pressemitteilung vom 18.10.2005
Von: @Hessische Landesregierung <2005-10-18>

Der Hessische Ministerpräsident Roland Koch hat sich vehement für eine Vereinfachung und Beschleunigung des deutschen Planungsrechts für Infrastrukturprojekte ausgesprochen und die heute vorgelegten Ergebnisse der eigens dafür von der Landesregierung eingesetzten Expertenkommission ausdrücklich begrüßt. "Unser Planungsrecht ist über Jahre wild gewuchert und seine stark verzweigten Verästelungen verhindern oder verzögern mittlerweile die dringend erforderliche Landesentwicklung und schwächen die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland gegenüber dem europäischen Ausland", begründete Koch die Notwendigkeit einfacherer Verfahrenswege. Umwelt- und naturschutzrechtliche Regelungen würden derzeit mit oberster Priorität bis in kleinste Details durchgeprüft, während Kriterien wie wirtschaftlicher Fortschritt, Arbeitsplätze und Wohngebietsentlastungen nicht der erforderliche Stellenwert eingeräumt werde. "Hier müssen wir dringend neue Maßstäbe setzen, so dass Infrastrukturprojekte von überregionaler und nationaler Bedeutung, die nachweislich die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes stärken und tausende neue Arbeitsplätze schaffen, in vereinfachten Verfahren zügig umgesetzt werden können", forderte Koch.

Zur Beschleunigung derartiger Planungsverfahren habe die im Juli eingesetzte Kommission unter der Leitung des ehemaligen Wirtschaftsministers Dieter Posch jetzt fundierte Vorschläge unterbreitet, für die er Posch und der gesamten Kommission sehr dankbar sei. "Das Ergebnis ist ein umfassender Gesetzentwurf, dessen schnelle Erarbeitung die Dringlichkeit der Veränderungen nochmals unterstreicht. Mit diesen konkreten Vorschlägen wird Hessen das Ziel der Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung nun auf Bundesebene vorantreiben", kündigte Koch an.

Die Kommission habe sich zunächst im Wesentlichen mit der Beschleunigung des Bundesfernstraßenbaus beschäftigt, erklärte ihr Vorsitzender Dieter Posch. "Hier ist der Handlungsbedarf besonders groß. Zudem konnten wir eine Vielzahl bereits auf Bundes- und Länderebene diskutierter Vorschläge in den Entwurf einflechten", so Posch.

Der Entwurf sieht unter anderem den Wegfall des Raumordnungsverfahrens zu Gunsten einer landesplanerischen Stellungnahme vor, was nach Schätzung der Experten eine zeitliche Ersparnis von bis zu drei bis vier Jahren bedeuten würde. Mit der Einbeziehung von Abweichungsverfahren in die Planfeststellung könne sich der Zeitaufwand um nochmals bis zu zwei Jahren verkürzen. Zugleich sollte die Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung an bestimmte Kriterien gebunden werden oder aber entfallen können.

Nächstes Ziel der Expertengruppe sei die Erarbeitung gesetzlicher Vorschriften, die auch für den Eisenbahn- und den Luftverkehr gültig sind. "Dabei sollen die nun vorliegenden Vorschläge für den Fernstraßenbereich soweit als möglich übernommen werden. Zugleich wollen wir die Grundlage für die stärkere, verbindliche Einbeziehung des Parlaments in Genehmigungsentscheidungen schaffen und Änderungen zur Vereinfachung des Europarechts erarbeiten", umriss Posch die zukünftigen Aufgaben der Kommission.

Der Kommission gehören neben Posch der Kasseler Bundestagsabgeordnete und frühere Richter am Verwaltungsgerichtshof Kassel Dr. Jürgen Gehb, der hessische Datenschutzbeauftragte Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch und Prof. Dr. Rudolf Steinberg, Staatsrechtler und Präsident der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, an.

Die Eckpunkte des Gesetzentwurfs:

  1. Wegfall des Raumordnungsverfahrens zu Gunsten einer landesplanerischen Stellungnahme. Das zweistufige Verfahren, bestehend aus Raumordnungsverfahren und Planfeststellungsverfahren wird aufgegeben. An die Stelle eines eigenständigen Raumordnungsverfahrens tritt die landesplanerische Stellungnahme, die im Planfeststellungsverfahren in den Abwägungsvorgang eingebracht wird. Die zeitliche Einsparung kann sich auf 3 bis 4 Jahre belaufen.
  2. Abweichungsverfahren von den Regionalplänen werden gleichzeitig mit dem Planfeststellungsverfahren durchgeführt. In vielen Fällen bei Verkehrsprojekten größerer Bedeutung sind Abweichungsverfahren von den Regionalplänen erforderlich. Die Einbeziehung dieser Verfahren in das Planfeststellungsverfahren führt ebenfalls zu einer erheblichen Verkürzung. Diese kann bis zu 2 Jahren und mehr betragen.
  3. Ob ein Erörterungstermin durchgeführt wird, liegt künftig im Ermessen der Anhörungsbehörde. Damit kann, insbesondere bei Großverfahren, auf die Durchführung eines Erörterungstermins verzichtet werden, wenn beispielsweise nicht zu erwarten ist, dass der Termin seiner Befriedungsfunktion erfüllen kann. In Großverfahren handelt es sich in aller Regel um die Erörterung von Problemen zwischen den Trägern öffentlicher Belange oder anerkannten Naturschutzvereine. Der Erörterungstermin ist sehr aufwendig und besteht in der darin, dass vorgefertigte Stellungnahmen einer Erörterung zugeführt werden. Der Verzicht auf einen mündlichen Erörterungstermin kann zu erheblichen Einsparungen führen. In Großverfahren können die Erörterungstermine einschließlich ihrer Vorbereitung sich über einen Zeitraum von mehreren Monaten erstrecken.

    In Einzelfällen, bei denen es um die Erörterung mit privaten Einwendern geht, besteht nach wir vor die Möglichkeit, eine mündliche Erörterung durchzuführen.
  4. Der Erörterungstermin soll künftig nur mit den Beteiligten durchgeführt werden. Dies bedeutet, nur derjenige kann an einem Erörterungstermin teilnehmen, der zuvor auch Einwendungen vorgetragen hat. Dies führt zu einer Straffung des Erörterungstermins, sofern er überhaupt noch stattfindet.
  5. Es sollen Schwellenwerte und Kriterien zur Feststellung der Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung eingeführt werden. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung bei dem Bau von Verkehrsinfrastruktur ist dann notwendig, wenn folgende Kriterien erfüllt werden.
    • Die Strecke muss auf einer Länge von mehr als 3 Kilometer in einem Wasserschutzgebiet, in einem Nationalpark oder in einem Naturschutzgebiet liegen,
    • die Strecke muss auf einer Länge von mehr als 4 Kilometer in die Biosphärenreservaten, Landschaftsschutzgebieten, Denkmalbereichen oder Gebiete liegen, die historisch, kulturell oder archäologisch von Bedeutung sind,
    • die Strecke muss auf einer Länge von mehr als 2,5 Kilometer in Gebieten oder Ballungsräumen liegen, für die eine Luftreinhalteplanung erforderlich ist,
    • die Strecke muss in geschlossenen Ortslagen mit überwiegender Wohnbebauung liegen und auf mehr als 1 Kilometer eine durchschnittliche tägliche Verkehrsbelastung von mindestens 5000 Kfz./ 24 h warten lassen,
    • die Strecke muss auf einer Länge von mehr als 5 Kilometer in einem Naturschutzpark oder in Waldgebieten liegen.

    Wenn diese Werte nicht erreicht werden, sind UVP Überprüfungen nicht erforderlich. Diese Regelung entspricht in ihrem wesentlichen Inhalt den Regelungen des Hessischen Landesstraßengesetzes sowie des Landesstraßengesetzes von Brandenburg.

    Hierdurch kann eine Zeitersparnis von bis zu einem Jahr erreicht werden.
  6. Das Gesetz sieht vor, die erstinstanzliche Zuständigkeit für alle Straßenplanfeststellungen bei den Oberverwaltungsgerichten anzusiedeln. Diese Regelung gilt bereits heute für Bundesfernstraßen. Eine Übertragung auf die Landes- und Kreisstraßen würde eine erhebliche Einsparung von zwischen 2 bis 4 Jahren erbringen.
  7. Es soll eine Änderung des Fernstraßenausbaugesetzes herbeigeführt werden. Diese Änderung soll bewirken, dass die gesetzliche Planrechtfertigung auch dann Gültigkeit hat, wenn eine zusätzliche naturschutzfachliche Überprüfung erforderlich ist. Es führt zu einer nicht genau zu beziffernden Zeitersparnis im Hinblick auf eventuelle Prozesse und dient der Rechtssicherheit.
  8. Es soll ferner die Möglichkeit eingeräumt werden, anstelle von Planfeststellungsverfahren Plangenehmigungen mit Umweltverträglichkeitsprüfungen für das gesamte Bundesgebiet zu erteilen. Die Erfahrung zeigt, dass Plangenehmigungen etwa die halbe Bearbeitungszeit im Verhältnis zu Planfeststellungsverfahren benötigen.
  9. Es soll eine Angleichung der Rechtstellung der anerkannten Naturschutzverbände mit privaten Personen erreicht werden. Dies erfolgt durch die Wiedereinführungen der so genannten materiellen Präklusion. Gegenwärtig ist die Situation so, dass ein Planfeststellungsverfahren, das z. B. nach 10 Jahren abgeschlossen worden ist und kurz vor der Unterschrift steht, erneut zeitlich beeinträchtigt werden kann, wenn Verbände neue Einwendungen, die sie bisher nicht vorgetragen haben, vortragen. Dies kann bedeuten, dass das gesamte Verfahren im Hinblick auf einen bislang nicht genannten naturschutzfachlichen Belang erneut aufgerollt werden muss.
  10. Die Geltungsdauer von Planfeststellungsbeschlüssen soll auf 10 Jahren ohne Verlängerungsmöglichkeit ausgeweitet werden. Dies führt zu einer erheblichen Verwaltungsvereinfachung.
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