Die heute vom Bundestag beschlossene Novellierung des Fluglärmschutzgesetzes genügt nicht den selbst gesetzten Ansprüchen auf einen ausreichenden Lärmschutz. Die vorgesehenen Grenzwerte für den Einsatz von passivem Schallschutz sind viel zu hoch und befinden sich hart an der Grenze zur Gesundheitsgefährdung, so der Präsident der Bundesvereinigung gegen Fluglärm, Helmut Breidenbach (Köln) – ein präventiver Schutz der Bevölkerung findet nicht statt.
Die Grenzwerte orientieren sich, entgegen den Aussagen der Regierung, nicht an den neueren Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung und können keinen ausreichenden Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm sicherstellen. Menschen im Umfeld bestehender Flughäfen sollen künftig ungeschützt noch weitaus höhere Lärmwerte (entspr. dem etwa dreifachen Verkehr) ertragen als Lärmbetroffene an neu zu errichtenden Flughäfen.
Die Grenzwerte für den Einsatz von passivem Schallschutz wurden im Vergleich zum alten Fluglärmgesetz zwar deutlich abgesenkt - allerdings werden die neuen Lärmschutzbereiche mit anderen Parametern gerechnet und sind nicht mehr direkt vergleichbar. Zudem haben Gerichte und Behörden in den vergangenen Jahren weitaus niedrigere Grenzwerte festgesetzt – hier bewirkt das Gesetz sogar einen Rückschritt.
Die bei bestehenden Flughäfen für den Einsatz von passivem Schallschutz vorgesehenen Grenzwerte, Dauerschallpegel von 65 dB(A) für den Tag und 55 dB(A) für die Nacht (jeweils außen) sind deutlich zu hoch. Fraglich ist, ob sie den Anforderungen des Art. 2 (2) GG zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung genügen. Ein Dauerschallpegel tags von 65 dB(A) wird mit Ausnahme von zwei Messstellen auch an keinem Verkehrsflughafen der Bundesrepublik erreicht. Bereits bei Fluglärmbelastungen von 60 dB(A) tags werden Gesundheitsbeeinträchtigungen von Experten nicht mehr ausgeschlossen, oberhalb von 65 dB(A) sind diese in Form von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu erwarten.
Auch der Schutz vor nächtlichem Fluglärm ist bei einem vorgesehenen Dauerschallpegel (außen) von 55 dB(A) als Grenzwert für die Einrichtung von passivem Schallschutz völlig unzureichend. Hier sind bereits bei 50 dB(A) Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht mehr auszuschließen, ab 55 dB(A) sind diese sogar in Form von Herz-Kreislauferkrankungen zu erwarten. Um die Grenze zur erheblichen Belästigung einzuhalten, dürften nachts Dauerschallpegel von 45 dB(A) nicht überschritten werden.
Aktive Schutzmaßnahmen (z.B. Nachtflugbeschränkungen) sind überhaupt nicht vorgesehen. Damit widerspricht der Gesetzentwurf auch der europäischen Absicht, der in der Betriebsbeschränkungsrichtlinie einen ausgewogenen Ansatz vorsieht und den Schutz vor Fluglärm nicht allein auf passiven Schutz beschränken will.
Ungenügend geschützt werden auch die Menschen unter Betriebsrichtungen, die zumeist Wetter bedingt nur in bestimmten Zeiten aber durchaus mehrere Wochen hintereinander beflogen werden. Der vorgesehene passive Schallschutz wird voraussichtlich erst ab 2013 gewährt - der Umfang der Leistungen ist dabei noch offen. Durch die räumliche Reduktion der Schutzzonen und viele Ausnahmeregelungen können die Siedlungsgebiete wiederum so dicht an die Verkehrsflughäfen heranrücken, dass auch die Zielsetzung des Fluglärmgesetzes, gesunde Wohnverhältnisse sicherzustellen, nicht erreicht wird.
Die viel zu hohen Grenzwerte aus dem Fluglärmgesetz sollen künftig auch in das Luftverkehrsgesetz übernommen werden und als Maßstab für Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren gelten. Nach Inkrafttreten des Gesetzes könnten damit noch nicht bestandskräftige Bescheide, wie zu Berlin/Brandenburg International und Leipzig/Halle, wieder einkassiert und auf ein niedrigeres Schutzniveau verschlechtert werden. In Frankfurt wird die Umsetzung des Schutzkonzeptes der Mediation gefährdet.
Entgegen seinem Namen wird das neue Fluglärmschutzgesetz eher die Flughäfen vor den Menschen als die Menschen vor Fluglärm schützen. Die Bundesvereinigung gegen Fluglärm wird die erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken prüfen lassen, so Breidenbach.