Manchmal kommt es noch schlimmer als man glaubt. Da liegen gerade die Planfeststellungsunterlagen in der zweiten Runde aus. Die Bürgermeister der betroffenen Kommunen fordern die Bürger zu Einwendungen auf und versprechen ihnen, dass sie wie die Löwen gegen den Ausbau kämpfen werden, bis zur letzten Gerichtsinstanz. Gleichzeitig verhandeln vier vom Fluglärm besonders betroffene Kommunen - nämlich Offenbach, Neu-Isenburg, Raunheim und Flörsheim - im Regionalen Dialogforum (RDF) hinter verschlossenen Türen mit Fraport, DFS und Fluggesellschaften, wie der Fluglärm aktiv verringert werden kann. Ziel: den Lärm soweit zu vermindern, dass die beteiligten Städte den Ausbau akzeptabel finden und auf Klagen verzichten.
Der BUND zerrte den eigentlich ungeheurlichen Sachverhalt letzte Woche mit einer Pressemitteilung ins Licht der Öffentlichkeit und fragte: was geht hier vor? Auf ein wirkliches Dementi warteten aufrechte Ausbaugegner vergebens. Die Existenz der Verhandlungen wurde auf Nachfrage der Presse bestätigt - gefolgt von vagen Andeutungen und merkwürdigen Ausreden. Die Beteiligten zeigten nicht die Spur von schlechtem Gewissen.
Von Geheimverhandlungen könne man nicht reden, meinte der RDF-Vorsitzender Wörner, schließlich gebe es die Arbeitsgruppe schon ein Jahr und das Thema "Anti-Lärm-Pakt" sei auch schon lange bekannt. Auf die Idee, dass für den Bürger jede Verhandlung "geheim" ist, über deren Inhalt er nichts erfährt, kam Wörner natürlich nicht. Die beteiligten Bürgermeister beeilten sich zu versichern, man ließe sich das Klagerecht keineswegs für Geld abkaufen. Für weniger Lärm aber vielleicht doch, stand oft zwischen den Zeilen. Dass die Verhandlungen geheim sind, fanden alle Teilnehmer in Ordnung.
Nun wird wohl niemand so naiv sein anzunehmen, dass hier gefüllte Geldkoffer gegen Klageschriften den Besitzer wechseln sollen. Auch einen Vertrag mit dem Inhalt "Fraport gibt uns x Millionen Euro, wir verzichten auf eine Klage" wird wohl kein Bürgermeister unterschreiben. Doch darum geht es auch gar nicht.
Ziel des Anti-Lärm-Paktes der "Mediation" ist es, die zusätzlichen Fluglärmbelastungen durch den Ausbau in Grenzen zu halten und damit die Betroffenen dazu zu bringen, den Ausbau zu akzeptieren und nicht durch Klagen zu verzögern oder gar aufzuhalten. Die vier Städte, die an den Geheimverhandlungen beteiligt sind, sind durch den Fluglärm am stärksten belastet und hätten deshalb die besten Chancen bei einer Klage. Kann man diese Städte durch Zugeständnisse beim Lärm oder bei anderen Dingen aus der Front der Kläger herausbrechen, haben Fraport und Landesregierung weitere gefährliche Stolpersteine aus dem Weg zum Ausbau weggeräumt. Es reicht auch schon, wenn man durch Entlastungsmaßnahmen in den am stärksten betroffenen Kommunen den Lärm ein wenig unter die nur knapp überschrittenen Grenzwerte drückt und damit die Erfolgsaussichten einer Klage stark mindert. Der Widerstand gegen den Ausbau würde dadurch geschwächt, wie die Ausbaubefürworter schon mit Freude bemerkt haben.
Und selbst wenn für die Teilnehmer der Geheimrunde im Einzelfall etwas Brauchbares oder sogar besseres wie bei einer Gerichtsverhandlung herauskommen würde - für viele andere vom Ausbau geschädigten Kommunen lauert hier eine böse Falle. Nicht jede Maßnahme des "aktiven Schallschutzes" wirkt sich positiv auf alle Betroffenen aus. Um eine wirklich durchgreifende Entlastung von Raunheim, Offenbach oder Flörsheim zu erreichen, muss man den Lärm umverteilen, etwa durch andere Nutzung oder Verlegung der Flugrouten. Genau das wird auch angestrebt. So sagte der Offenbacher Stadtrat Weiß gegenüber der FR, die Forderungen Offenbachs seien im wesentlichen dieselben, für die OB Grandke unter dem Begriff der "Demokratisierung des Lärms" gestritten habe. Die Erfüllung solcher Forderungen geht natürlich auf Kosten anderer Kommunen, die nicht am geheimen Verhandlungstisch sitzen.
Es ist schon schlimm genug, wenn Diskussionen zur "gerechten Verteilung des Fluglärms" nicht-öffentlich in der Fluglärmkommission oder in Arbeitsgruppen des RDF geführt werden. Noch weit schlimmer wäre es, wenn solche Maßnahmen jetzt in einer noch kleineren Geheimrunde zwischen Fraport und nur vier strategisch ausgewählten Sädten im Schlepptau des Ausbaus ausgekungelt würden. Über einen allgemeinen Anti-Lärm-Pakt kann man natürlich diskutieren. Aber bitte öffentlich und mit allen Beteiligten, wie es etwa in der Schweiz geschieht. Und unabhängig von den Ausbauplänen. Zustimmung zum Ausbau als Preis für eine Lärmminderung in der eigenen Stadt, womöglich zum Nachteil und auf Kosten anderer Kommunen darf es nicht geben!
Für betroffenen Bürger sollte die Nachricht über die Geheimverhandlungen hinter ihrem Rücken eine Warnung sein. Auch den engagiertesten Kommunalpolitikern sollten sie nicht vertrauen, sondern ihnen auf die Finger schauen - und notfalls auf die Füße treten. Bis jetzt hält sich die Empörung über die "Geheimverhandlungen"in erstaunlich engen Grenzen. Wahrscheinlich haben die meisten noch nicht gemerkt, dass sich einiger Ärger über ihren Köpfen zusammenbrauen könnte.