Thema am 14.02.2006 war die Betroffenheit von Grundstücken und Betrieben (Enteignung, Wertverlust). Vor allem ging es um die Betriebe im Kelsterbacher Taubengrund, die nach dem Ausbau in 40 - 70 Meter Höhe überflogen würden und in ihrer Existenz bedroht sind. Was Fraport dazu zu sagen hatte, verschlug so manchem Einwender die Sprache. Wer sich Hoffnung auf eine Entschädigung gemacht haben sollte, musste einsehen: ohne Klage wird hier gar nichts laufen. Fraport sieht nämlich für Entschädigungen, die über CASA hinausgehen, keinen Anlass.
Der Bericht vom Vormittag wurde mit Hilfe eines kommunalen Protokolls, der vom Nachmittag anhand eigener Aufzeichnungen erstellt. Weil es oft um ganz private Dinge sind, sind einige Ausführungen gekürzt. Vorträge von Einwendern können gekürzt sein, da es teilweise um private Belange ging.
Gewerbegebiet Taubengrund: faktische Enteignung
Wie üblich begann die Erörterung mit einem Vortrag der wichtigsten Einwendungen durch das RP und der einleitenden Stellungnahme der Fraport. Danach sprach als erster Rechtsanwalt Moeller-Meinecke über die Betroffenheit im Gewerbegebiet Taubengrund, Kelsterbach. Das Gebiet würde nach einem Ausbau mit einer Nordwestbahn im Sicherheitsbereich der Landebahn liegen und in einer Höhe von etwa 60-70 Meter überflogen werden. Bei Westbetrieb wären tagsüber ein Dauerschallpegel von 78 dB(A) und nachts von 69 dB(A) zu erwarten - 20 dB(A) mehr als bisher. Bei gekippten Fenstern wäre in den Büros oder Verkaufsräumen mit einem Dauerschallpegel von 62 dB(A) nur durch den Fluglärm zu rechnen - maximal erlaubt wären nach der Arbeitsstättenverordnung 55. Neben dem Lärm wären auch Wirbelschleppen eine Gefahr für die Bewohner und die Angestellten und Kunden der Betriebe, dazu käme eine psychische Bedrohung durch die geringe Überflughöhe. Die Absturzgefahr wäre ebenfalls sehr hoch. Immobilien wären praktisch nicht mehr vermietbar, Betriebe würden wegziehen. Für die Besitzer der Immobilien hätte das faktisch eine enteignende Wirkung. Moeller-Meinecke beantragte, die Belange der einzelnen Einwender privat zu erörtern, da hier auch Betriebsgeheimnisse zur Sprache kämen.
Ein Einwender stellte die Betroffenheit seines Betriebes im Taubengrund dar. Seit der Ausbau im Gespräch sei, sei keine Vermietung von Bürogebäuden mehr möglich. Er fragte nach der genauen Überflughöhe im Grünen Weg. Fraport antwortete, die Höhe sei 60 Meter. Der Einwender wollte wissen, ob es gesetzlich erlaubt sei, dass Flugzeuge sein Wohnhaus in der dann geschätzten Höhe von 40m überfliegen würden. Fraport sagte dazu, es gebe hier keine gesetzliche Regelung. In diesem Fall sehe man aber ein, das das Gebiet besonders betroffen sei. Herr Vizthum verwies auf das CASA-Programm, das allerdings nur für Wohnhäuser gelte. Eine Absiedlung des Betriebes hielt Fraport in diesem Fall für möglich. Herr Lurz (Fraport) hielt eine Büronutzung in diesem Gebiet noch für möglich und verwies auf die Diskussion bei TOP 5, Lärm. Der Einwender wollte wissen, ob Fraport schon Pläne zur Verlagerung der Betriebe habe. Er könne sich keine Verlagerung nach außerhalb von Kelsterbach vorstellen, weil er dort einen großen Kundenstamm habe. Herr Vizthum antwortete, darüber habe sich Fraport noch keine Gedanken gemacht. Es könne schon sein, dass der Einwender in der Nähe umgesiedelt würde. Er sehe keine Notwendigkeit für Entschädigungsprogramme, die über CASA hinausgingen.
Noch mehr Betriebe in Existenz bedroht
Ein Einwender vom Hessischen Gartenbauverein berichtete über eine Baumschule in Bischofsheim, die durch den Ausbau 80% der bewirtschafteten Flächen verlieren würde und dadurch in ihrer Existenz bedroht sei. Ersatzlösungen in der Kommune seien nicht möglich. Fraport meinte hier, man sei einer Verlagerung nicht abgeneigt und werde gemeinsam mit der Baumschule nach einem neuen Standort suchen. Der Einwender meinte, von Gesprächen über eine Verlagerung wisse er nichts.
Einwender, die einen Gemüsebaubetrieb bewirtschaften, berichteten über den Verlust von 10% ihrer Fläche. Die verbleibenden Restflächen seien jeweils so klein, dass man sie nicht mehr nach modernen Standards bewirtschaften könne. Fraport sagte hier, es gebe eine Zustimmung des Bauernverbandes. Mit der Stadt Frankfurt sei bereits über einen Verkauf der Fläche verhandelt worden, der Betrieb sei ja "nur verpachtet" . Herr Gaentzsch meinte hier, ob Eigentum oder Pacht sei egal, wenn die Existenz gefährdet sei.
Enteignung bei Ticona nicht zulässig
Danach ging es um die Ticona. Die Ticona besitzt im Anschluss an ihr Werksgelände eine Erweiterungsfläche, die für die Landebahn gebraucht würde und enteignet werden müsste. Ein Vertreter des Werkes beschwerte sich, das Projekt habe bisher keinen Fortschritt gebracht. Noch immer seien die Auswirkungen auf die Ticona nicht genau untersucht. Fraport und die Anhörungsbehörde unterschätzten die Risiken. Da Ticona im Raumordnungsverfahren nicht beteiligt gewesen sei, gebe es keine Raumverträglichkeit zwischen Ticona und Nordwestbahn. Fraport hätte es auffallen müssen, dass sich eine Nordwestbahn nicht mit einem Störfallbetrieb in der Nachbarschaft verträgt. Fraport müsste die Verträglichkeit beweisen, eine Beweislastumkehr sei nicht akzeptabel.
Danach hielt der Gutchter der Ticona, Prof. Steinebach einen Vortrag zum Thema "Grundstücksinanspruchnahme durch Raumordnung", der vor allem Kritik an den Festlegungen im Entwurf des neuen Landesentwicklungsplans enthielt. Fazit: dieser sei wegen grober Fehler keine Begründung dafür, Grundstücke der Ticona in Anspruch zu nehmen. Rechtsanwalt Scheidmann ergänzte, durch die Änderung des Landesentwicklungsplans seien die Grundstücke der Ticona stark betroffen. Er ging dann auf die rechtlichen Aspekte des Themas ein. Das RP nahm das prompt wieder zum Anlass, darauf hinzuweisen, dass der LEP hier nicht besprochen werden solle. Scheidmann verwahrte sich gegen die Unterbrechung. Die Änderungen im LEP-Verfahren seien von großer Bedeutung in diesem Verfahren.
Rechtsanwalt Friedrich erläuterte die Betroffenheit von Mandanten, z.B. von Wohnungsbaugenossenschaften in Rüsselsheim. Diese befürchteten Mietminderungen wegen des zu erwartenden Fluglärms und einen Wertverlust der Immobilien.
Beeinträchtigung von Kelsterbacher Grundstücken
Rechtsanwalt Fislake beschwerte sich darüber, dass Fraport offenbar völlig unvorbereitet in diese Verfahren gekommen sei. Er führte aus, dass der Stadt Kelsterbach eine große Fläche durch den Ausbau verloren gehen würde. Fraport werde jeden einzelnen Quadratmeter enteignen müssen, die Stadt werde nichts freiwillig herausgeben. Er verwies auf die Kelsterbacher Einwendung, in der sich eine Zusammenfassung der Eigentümer befindet, deren Grundstücke durch den Ausbau beeinträchtigt würden und fragte, ob Fraport gegen diese Liste sachlich etwas einzuwenden habe. Fraport meinte, die in der Einwendung genannten Beeinträchtigungen der Grundstücke würden ihrer Meinung nach nicht eintreten, deshalb habe man die Liste auch nicht weiter nachgeprüft. Wenn die Grundstücke beeinträchtigt werden sollten, müsse dies zu gegebener Zeit geprüft werden. Herr Gaentzsch erläuterte, Fraport bestreite wohl kaum, dass die Grundschule XYZ in Kelsterbach Eigentum der Stadt Kelsterbach sei, aber man bestreite, dass Beeinträchtigungen dieses Eigentums auftreten würden.
Fislake befürchtete dagegen Beeinträchtigungen durch Fluglärm in den Schulen, eventuell werde man einige Einrichtungen nicht weiter betreiben können. Die Stadt als Eigentümer der Schulen und anderer öffentlicher Gebäude werde ihre Interessen durchsetzen - wenn die Bahn genehmigt werden sollte, müsse Fraport die entsprechenden Schallschutzmaßnahmen finanzieren. Er führe das nur an zur Vermeidung möglicher Präklusion, eine Diskussion habe keinen Zweck. Fraport werde sowieso behaupten, dass es keine Beeinträchtigungen durch Lärm gebe und die Gerichte müssten es entscheiden.
Mülltonnen nicht auf dem Nachbargrundstück aufstellen
Fislake zitierte dann aus einem älteren Rechtsfall. Danach dürfe man das Eigentum Dritter nur dann in Anspruch nehmen, wenn man selbst nichts mehr habe. Wenn also der Staat Flächen von Privatleuten in Anspruch nehmen solle, müsse er erst einmal nachsehen, ob es nicht noch öffentliche Flächen gebe, die man verwenden könne. Er fragte, warum Fraport-Miteigentümer Frankfurt die Bahn nicht vorrangig auf dem Gelände der Stadt Frankfurt realisiere; die Nordostbahn liege auf Frankfurter Gelände. Fraport meinte, der vorgetragene Fall sei nicht vergleichbar. Nicht die Stadt Frankfurt, sondern die Fraport AG wolle die Bahn bauen. Fislake antwortete, auch die DB Netz AG (um die es hier wohl ging) sei eine AG, gehöre aber der Bundesrepublik. Herr Vizthum meinte für Fraport, die Stadt Frankfurt habe nur einen Minderheitsanteil, er denke etwa 20%. Fislake war entsetzt, dass nicht einmal Fraport selbst den genauen Anteil kenne. Fraport meinte, ob 20% oder 22%, sei egal. "20% reicht", antwortete Fislake. "Eine Eigentümergemeinschaft kann doch auch nicht ihre Mülltonnen auf dem Nachbargrundstück aufstellen".
Sitzungsleiter Hoepfner merkte an, diese Frage sei bei der Konfigurationsanalyse entschieden. worden, was Fislake bestritt: die Frage des Eigentums tauche bei der Alternativenprüfung gar nicht auf. Herr Gaentzsch meinte dazu, der Grundsatz "öffentliches Eigentum vor privatem Eigentum" gelte nicht absolut, es sei ein Abwägungsproblem. Dies gelte auch für die Grundstücke der Stadt Kelsterbach: „Ihr Argument ist nicht sehr stark“. Fislake antwortete, bei der Abwägung sei die Frage, welches öffentliche Interesse überwiege. Gaentzsch sagte, er habe es notiert: "Sie sehen ja, Fraport sagt nichts". Fislake: "Das ist ja das Schlimme".
Fraport hatte mittlerweile den genauen Anteil der Stadt Frankfurt recherchiert (20,3%). Die Nordwestbahn sei die beste Lösung, die Frage der Inanspruchnahme anderer Grundstücke stelle sich deshalb nicht. Sonst müsste man ja in ganz Hessen gucken.
Weiterhin führte Fislake den Mönchwaldsee an. DIe Stadt KKelsterbach habe sich große Mühe gegeben, naturschutzrechtliche Auflagen zu erfüllen. Alle Investitionen für den Kelsterbacher Wald seien nun für die Katz. Er merkte an, dass die Polizeidirektion aus Sicherheitsgründen eine Beleuchtung des neuen Flughafenzauns fordere, was eine schädliche Wirkung auf Insekten und Vögel habe, Fraport sage dagegen, der Zaun werden icht beleuchtet. Weiterhin betreffe der Bauschutzbereich für die Landebahn eine Fläche von mehr als 4000 ha. Die wirtschaftliche Nutzung dieser Grundstücke sei erschwert. In einem Exkurs beschwerte sich Fislake über die gigantische Planung in Gateway Gardens (54 ha). Frankfurt genehmige sich hier eine Bebauung, die sonst nirgends zulässig wäre. Die Planung würde 27000 zusätzliche PKW bedeuten, dies könnte Kelsterbach beeinträchtigen. Das RP meinte, diesen Punkt habe man schon ausreichend diskutiert. Fislake schloss seinen Vortrag mit den Worten, eine scheibchenweise Planung auf dem Rücken von Kelsterbach sei nicht akzeptabel. Dann gab es erst einmal eine Pause.
Standort Taubengrund nicht haltbar
Nach der Pause man wieder ein Einwender zu Wort, der Eigentümer einer Gewerbe-Immobilie im Taubengrund ist. Das Grundstück würde nach einem Ausbau in weniger als 70m Höhe und einem geringen seitlichen Abstand überflogen. Dies bedeute eine Gefahr für die Gesundheit der Mitarbeiter (Lärm und Wirbelschleppen). Die Hindernisfreiheit sei, wie bei Ticona, nicht gewährleistet. Ein störungsfreier Betrieb der zahlreichen EDV-Anlagen in dem Betrieb sei wahrscheinlich nicht mehr möglich. Der Standort könne aus seiner Sicht nicht gehalten werden, die Mieter würden wegen der unzumutbaren Bedingungen weglaufen. "Fraport kann das nur recht sein", beschwerte sich der Einwender. "Cargo City Süd ist eine unmittelbare Konkurrenz. Fraport muss uns das Grundstück abkaufen oder uns ein gleichwertiges Grundstück übertragen", forderte er, und fragte Fraport nach den entsprechenden Planungen. Ob Fraport die Objekte übernehmen wolle? Welche Art von Schallschutzmaßnahmen wolle man alternativ bezahlen?
Unglaubliche Erörterung!
Danach meldete sich der Sachbeistand des Einwenders zu Wort. Er sei früher selbst Leiter einer Planfeststellungsbehörde gewesen, stellte er sich vor, und er wisse, wie ein Erörterungstermin eigentlich ablaufen müsse. Danach brachte er die Kritik an der Erörterung kurz und präzise auf den Punkt - wenige Stunden Anwesenheit hatten ihm für die Einschätzung genügt: "Es ist unglaublich, dass Fragen hier vom Vorhabensträger nicht beantwortet werden. Ich kenne es so, dass bei der Erörterung der Vorhabensträger genauestens zu den einzelnen Einwendungen Stellung nimmt. Ziel einer Erörterung ist es einen Konsens zu finden. Der Vorhabensträger muss auf die Bedenken der Einwender eingehen. Nicht einmal Mindestanforderungen einzelner massiv betroffener Einwender werden hier berücksichtigt. Fraport tut alles, um das Vorhaben zu verhindern. Normalerweise bleibt nur ein kleiner Teil der Fragen ungelöst und werden dann von der Planfeststellungsbehörde entschieden. Hier sind es 100%. Der riesige Aufwand lohnt doch nicht, nur um hier die Meinungen auszutauschen. Was sich der Vorhabensträger hier leistet, ist das absolut äußerste Übel was ich bisher erlebt habe. Ich bin zuversichtlich, dass das Bundesverwaltungsgericht den berechtigten Interessen der Einwender Geltung verschaffen wird". Die Zuhörer unterstützten diese Äußerung mit Beifall.
Sitzungsleiter Hoepfner kommentierte die massive Kritik: "Wir wären alle weltfremd, wenn wir meinen würden, bei diesem umstrittenen Verfahren sei ein Konsens zu finden."
Fraport: Einzelfälle nicht bekannt!
Fraport hatte inzwischen die Adresse des Einwenders herausgesucht. Herr Vizthum meinte: "Sie sind 200m von der Überfluggrundlinie entfernt, die Höhe beträgt 50m. Wir kommen hier in den Bereich, wo keine nachteiligen Wirkungen zu befürchten sind. Sie äußern Vermutungen. Aufgrund unserer Gutachten sind diese unberechtigt." Er wolle etwas zur Ehrenrettung von Fraport sagen. Die Adressen privater Einwender seien Fraport nicht bekannt, deshalb habe man die Grundstücke nicht ansehen und die Einzelfälle nicht prüfen können. "Das kann doch wohl nicht sein", meinte der Beistand des Einwenders leicht fassungslos dazu: "Sie haben das Betretungsrecht für das Grundstück erbeten! Sie können doch nicht sagen Sie wissen nichts! Nennen Sie doch die Fälle, wo sie erwerben wollen und wo nicht. Sie haben keine der Fragen nach den vorgesehenen Maßnahmen vernünftig beantwortet. Sie sind völlig ahnungslos in dieses Verfahren gegangen. Sie sind eventuell möglicherweise vielleicht bereit, sich noch einmal an ein Grundstück heranzuwagen. Das ist eine Farce!"
70 dB(A): Einfach Fenster schließen!
Jetzt antwortete Herr Lurz für Fraport: "Wir sehen nicht die Notwendigkeit, im Taubengrund generell Maßnahmen durchzuführen. Wenn uns das im Planfeststellungsbeschluss verordnet wird, machen wir es eben. Die Arbeitsstättenverordnung sieht für geistige Arbeiten einen Grenzwert von 55 db(A) vor. Bei 70 dB(A) Dauerschallpegel genügt hier schon das Schließen der Fenster, da braucht man nicht mal Schallschutz. Im Einzelnen könne man nichts sagen, da man die Einwendungen nicht habe.
Die Gebäude im Taubengrund würden im Sicherheitsbereich nach Luftverkehrsgesetz liegen, Fraport müsse selbst ein Interesse daran haben, dass diese Bereiche frei seien, meinte der Einwender. Die Eigentümer im Taubengrund hätten nichts von Fraport gehört. Fraport sagte dazu, wenn die Bebauung schon da sei, entscheide die Luftverkehrsbehörde, was im Sicherheitsbereich sein könne und was nicht. Der Taubengrund fiele nicht in den Bereich, wo man die Höhen reduzieren müsse. [Wie tröstlich! ]
das RP sagte, gegen die Weitergabe der Adressen privater Einwender habe der Hessische Datenschutzbeauftragte Einspruch erhoben.
[Anmerkung: Das verwundert: wir wissen von einigen Einwendern, bei denen das RP die Anträge auf Nicht-Weitergabe der Adresse sogar aus besonderen Gründen, abgelehnt hat]
Keine Entschädigung für Außenbereiche
Anschließend sprach Rechtsanwalt Mehler für seine Mandanten. Die Stadt Trebur habe Wald in der Gemarkung Mörfelden-Walldorf, der für den geplanten Autobahnanschluss gebraucht werde. Die Stadt lehne dies ab. Auch durch die Planung von Ausgleichsflächen sei Trebur betroffen. Auch diese Planungen lehne die Stadt ab, da sie etwas anderes mit den Flächen vorhabe. Fraport habe gesagt, im Wohnräumen solle ein Dauerschallpegel von 40 dB(A) eingehalten werden. Wenn man 25 dB(A) Dämpfung für ein Fenster annehme, müssten es vor dem Fenster 65 dB(A) sein, bevor man Schutz bekommen. Seine Mandanten würden so alle keinen Schutz bekommen. Mehler zitierte die Werte aus anderen Planfeststellungsbeschlüssen, die deutlich besser seien. Weiterhin fehle es an Entschädigungen für Außenbereiche und für den Nachteil, dass man die Fenster nicht mehr öffnen könne. Einige Gerichte hätten die Käfighaltung für unzumutbar gehalten.
Zu den Außenbereichen habe Fraport nichts gesagt, fuhr Mehler fort. Hier helfe nur aktiver Schallschutz, sonst seien Entschädigungen nötig. Einen Ausgleich für Gesundheitsbeeinträchtigung könne es aber nicht geben. Wenn es Außenbereiche gebe, wo Gesundheitsschäden zu befürchten seien, müsse es aktiven Schallschutz geben oder das Vorhaben dürfe nicht genehmigt werden. Im Antrag gebe es keine Anhaltspunkte, wann Fraport eine Entschädigung vorsehe. Der Außenbereich sei eine Fortsetzung des Lebens innen. Das OVG Hamburg habe im Außenbereich besonders die Kommunikation für wichtig gehalten.
Mehler ging dann auf die bekannte Gaststätte Gundhof ein. Der Biergarten des Lokals sei eine besonders wichtige Quelle für den Umsatz und wichtig für die Existenz . Die Gäste kämen dorthin wegen der Ruhe und der Idylle, wenn man sich dort nicht mehr erholen könne, würde keiner mehr kommen. Auf dem Grundstück finde das gesamte Leben des Besitzers statt, beruflich und privat, bei Tag und bei Nacht. Zudem wolle der Eigentümer weitere Investitionen tätigen, aber angesichts der Bedrohung durch zunehmenden Fluglärm sei das nicht möglich. Das RP fragte Fraport nach der Meinung dazu.
Fraport sagte, eine Entschädigung komme nicht in Betracht, solange die Unzumutbarkeit des Lärms durch passiven Schallschutz ausgeglichen werden könne. Eine Entschädigung für Außenbereiche sei nicht nötig, Fraport gehe von der Annahme aus, das Außenbereiche weniger schutzbedürftig sind. Unter dieser Annahme sei die Kommunikation nicht betroffen. Es sei zumutbar, gewisse Aktivitäten ins Innere des Hauses zu verlagern . Herr Lurz meinte: "Aktiver Schallschutz widerspricht den Zielen unseres Vorhabens". Wenn der Lärm denn völlig unzumutbar sei, würde man eher eine Entschädigung zahlen.
Mehler meinte, Entschädigung für entgangene Nutzung der Außenbereiche und Schallschutzmaßnahmen könne es nebeneinander geben. Im Antrag fehle eine Grenze, ab der Fraport ein Grundstück übernehmen wolle. Fraport habe hier mit 67 dB(A) wieder einmal die obere Grenze der Rechtsprechung verwendet. In den Unterlagen gebe es leider nur eine 64 dB(A)-Kontur nach der Sigma-Regelung. Bei Anwendung der 100/100-Regel wären einige Kommunen betroffen.
Wertverlust? Privates Lebensrisiko!
Mehler erwähnte danach einen Einwender aus Büttelborn, der im Schallschutzprogramm sei und Schallschutzfenster und Lüfter im Schlafzimmer habe. Weitere Räume seien auf Kosten des Eigentümers mit Schallschutz versehen worden. Die Wirkung des Schallschutzes sei aber nicht so gut wie sich der Einwender versprochen habe. Der Wert des Hauses sei 360000 Euro. Welcher Wert wäre nach dem Ausbau noch zu erzielen, welche Entschädigung würde Fraport zahlen? Der Einwender gehe von einer Wertminderung von 20% aus. Fraport sagte, die Verschlechterung der wirtschaftlichen Erwartungen gehörte zum allgemeinen Lebensrisiko. Solche Wertverluste müssten nicht in die Abwägung eingehen. Der Eigentümer müsse dies wegen der Sozialbindung des Eigentums dulden.
Rechtsanwalt Friedrich trug vor, seine Mandanten in Frankfurt-Sachsenhausen (Lerchesberg) würden heute schon durch Fluglärm gestört, die Grundstücke seien im aktuellen Nachtschutzbereich. Es gebe bereits heute etwa 20% Wertminderung der Immobilien, die Außenbereiche seien nicht mehr nutzbar. Bei Realisierung der Nordwestbahn würde das noch schlimmer werden. Er habe auch Mandanten, die Bürogebäude im Taubengrund besitzen. Nach Aussagen der Debakom sei bei einem Dauerschallpegel von 70 dB(A) außen eine Büroimmobilie nicht mehr zu vermieten. Bereits heute würden Mietverträge im Taubengrund nur mit "Ausstiegsklauseln" geschlossen, die im Falle eines Ausbaus ein schnelles Wegziehen ermöglichten. Er verlangte, dass Fraport die Gebäude zum Verkehrswert (vor dem Ausbau) übernehmen solle. Zudem vertrete er auch eine Privatklinik in Königsstein, die befürchtet, dass ihre ruhige Lage durch eine mögliche Veränderung von Flugrouten beeinträchtigt werden könne. Er forderte, im Planfeststellungsbeschluss alle möglichen Flugrouten zu betrachten.
Im Kelsterbacher Wald jagen?
Rechtsanwalt Diederichsen war der nächste auf der Rednerliste, wollte aber wegen der fortgeschrittenen Zeit nicht mehr anfangen. Rechtsanwalt Fislake erklärte sich bereit, die Lücke zu füllen. Er erwähnte, die Aussage von Fraport, man wolle den Sicherheitsanforderungen der Polizeibehörde - den Flughafenzaun nicht zu beleuchten - nicht nachkommen, sondern sich dazu nur durch die Planfeststellungsbehörde zwingen lassen, würde eine schöne Schlagzeile ergeben. Fraport sagte dazu, bei dem Bau der A380-Werft habe es erst auch eine Auflage für einen zusätzlichen Sicherheitszaun gegeben, die aber dann nicht umgesetzt worden sei. Fislake sprach dann das Problem der Jagdausübung an. Die Stadt Kelsterbach habe entsprechende Rechte, wie solle die Stadt nach dem Ausbau den den Süden des Waldes kommen, um dort zu jagen? Das RP erwähnte, die Obere Jagdbehörde habe hier auch Beeinträchtigungen erwähnt, die entschädigt werden müssten. Fislake meinte, eine Landebahn mitten im Jagdgebiet sei eine merkwürdige Vorstellung. Schon das Jagen an Eisenbahnstrecken sei ein ziemliches Problem. Die Jagdberechtigung werde nichts mehr wert sein.
Außerdem habe die Stadt Kelsterbach ein Wildgehege, und zwar genau dort, wo die Landebahn geplant sei. Er wolle sissen, wohin das Wildgehege verlegt werden solle. "Gar nicht", meinte Fraport dazu. Fislake meinte, es gehe nicht an, dass das Wildgehege einfach zerstört werde: "So lange, bis der ganze Wald platt ist, wollen wir es behalten." Kelsterbach werde auf jeden Fall Eratz fordern. Fraport erklärte nach kurzer Prüfung erneut, Ersatz sei nicht vorgesehen. Auf die Frage warum, antwortete Herr Gaentzsch: "Vielleicht wurde es einfach übersehen". Fraport wusste auch auf weitere Nachfrage nicht, warum man nichts vorgesehen habe. Vielleicht habe man keine Notwendigkeit gesehen. Wenn es gar nicht anders gehe, werde man es eben ersetzen, das müsse die Planfeststellungsbehörde entscheiden. Mit diesem Thema wurde die Erörterung für diesen Tag um 18:58 abgeschlossen - die letzten zwei Minuten wurden den Teilnehmern vom RP erlassen.
Wir haben heute etwas von Fraport gelernt. "Eigentum verpflichtet" (Grundgesetz) bedeutet: Eigentümer müssen den Wertverlust Ihre Hauses durch den Ausbau tolerieren, denn der Ausbau ist ja im öffentlichen Interesse.
Sprüche des Tages:
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"Aktiver Schallschutz widerspricht den Zielen unseres Vorhabens".
Fraport -
"Die Verschlechterung der wirtschaftlichen Erwartungen gehört zum allgemeinen Lebensrisiko
".
Fraport, zum Wertverlust von Immobilien durch den Ausbau -
"Wir wären alle weltfremd, wenn wir meinen würden, bei diesem umstrittenen Verfahren sei ein Konsens zu finden".
RP, zum Vorwurf, in dieser Erörterung versuche man nicht, einen Konsens zu finden