Eine neue Studie des Bremer Mediziners Prof. Greiser zeigt ein weiteres Mal: Fluglärm gefährdet die Gesundheit.
Menschen, die Fluglärm ausgesetzt sind - ganz besonders in der Nacht - haben ein deutlich höheres Risiko, wegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen in einer Klinik behandelt werden zu müssen, als Menschen aus nicht belasteten Gebieten. Bei einer nächtlichen Fluglärmbelastung von 55 dB(A), bei der nach dem neuen Fluglärmgesetz die Nachtschutzzone beginnt, ist das Risiko für Herzinfarkt um 80% für Männer bzw.95% für Frauen erhöht. Für Schlaganfälle erhöhte sich das Risiko für Männer um 87% und für Frauen um 130%. Auch das Risiko für koronare Herzkrankheit ist in ähnlichem Maße erhöht. Die Risiko-Erhöhung beginnt schon bei deutlich niedrigerer Lärmbelastung, etwa bei 40 dB(A).
In seiner neuen Studie wertete Prof. Greiser die (anonymisierten) Daten von mehr als einer Million von gesetzlich Krankenversicherten aus, die im Umkreis des Flughafens Köln-Bonn leben - mehr als die Hälfte der dortigen Bevölkerung. Die Entlassungsberichte nach Krankenhausbehandlungen wurden mit der Fluglärmbelastung am Wohnort der Patienten in Beziehung gesetzt. Die vom Umweltbundesamt in Auftrag gegebene Studie ist die bisher weltweit umfangreichste Untersuchung dieser Art.
Weitere Auswertungen haben auch ein erhöhtes Krebsrisiko durch Fluglärm ergeben. So ist für Frauen das Risiko für Brustkrebs und Leukämie deutlich erhöht. Dies könnte durch Störungen im Immunsystens verursacht werden, die wiederum eine Folge gestörten Schlafs sind. Lang andauernde Schlafstörungen sind als Risikofaktor für Brustkrebs nachgewiesen.
Bereits im Jahr 2006 hatte Prof. Greiser eine ähnliche epidemiologische Studie rund um den Flughafen Köln-Bonn durchgeführt, bei der die Menge von Arzneimittelverordnungen für Versicherte gesetzlicher Kassen in Beziehung zu der Fluglärmbelastung der Patienten untersucht worden war. Damals hatte sich gezeigt, dass in fluglärmbelasteten Gebieten wesentlich mehr Medikamente zur Behandlung des Bluthochdrucks verordnet wurden als in ruhigen Vergleichsgebieten. Es ist daher nicht überraschend, dass in der Nachfolgestudie auch stark erhöhte Risiken für Herz-Kreislauf-Krankheiten gefunden wurden, die mit zu hohem Blutdruck einhergehen. Aber auch andere Krankheiten, wie Depressionen, wurden in fluglärmbelasteten Gebieten häufiger gefunden.
Die Ergebnisse sind im Prinzip auf andere Flughäfen mit ähnlicher Bevölkerungsstruktur und ähnlicher Lärmbelastung übertragbar. So müssten nach einer entsprechenden Abschätzung in Berlin 10 Jahre nach dem Ausbau des Flughafens Schönefeld mit etwa 5000 zusätzlichen Fällen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen gerechnet werden.
Als Konsequenz aus seinen Studien fordert Greiser eine Verbesserung des Fluglärmgesetzes und bei Nachtflügen ein "sorgfältiges Abwägen von zusätzlichen, teilweise lebensbedrohenden Erkrankungen und dem wirtschaftlichen Nutzen".
Die Studie fand in den Medien große Beachtung und schaffte es sogar zur besten Hauptsendezeit ins ZDF "heute journal". Mehr (Links eventuell nicht beliebig lange verfügbar):
- Beitrag in ZDF "heute" zur studie vom 28.12.2009
- Bericht bei hr online vom 14.12.2009
- Pressemitteilungen zur Vorstellung der neuen Studien von Prof. Greiser in Siegburg vom 24.08.2009
Die Original-Studien von Prof. Greiser finden Sie hier zum Download:
- Risikofaktor nächtlicher Fluglärm. Abschlussbericht ...
Die neue Studie von Prof. Greiser im Auftrag des Umweltbundesamtes (November 2009) - "Im Krankenhaus behandelte Krebserkrankungen
als Folge einer Exposition gegenüber nächtlichem Fluglärm ..."
Unter-Studie im Auftrag des Rhein-Sieg-Kreises (Juni 2009) - Ergebnisse der Studie "Arzneimittelverordnungen und Fluglärm" von 2006
Prof. Greiser in Flörsheim
Am 7. Januar 2010 stellte Prof. Greiser in der voll besetzten Flörsheimer Stadthalle seine Studie vor. Die Zuhörer zeigten sich schockiert von den Ergebnissen. Sie sind grob (wegen der unterschiedlichen Fluglärmbelastung allerdings nicht exakt) auf die Region um den Frankfurter Flughafen übertragbar. Nach einer entsprechenden Schätzung könnte es laut Greiser durch den Fluglärm hier etwa 6000 Schlaganfälle, 14500 Erkrankungen der Herzkranzgefäße und 2500 Brustkrebsfälle zusätzlich geben. In einigen stark betroffenen Gebieten, z.B. Flörsheim, würde sich das Risiko durch den Ausbaufast verdoppeln. Greiser forderte eine deutliche Senkung der aktuellen Grenzwerte.
42 bis 46 Dezibel täglich müsse mit 5500 zusätzlichen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, rund 6000 zusätzlichen Schlaganfällen und 3000 zusätzlichen Brustkrebserkrankungen als Folge des Fluglärms gerechnet werden. Auf Wunsch der Flörsheimer Initiative rechnete Greiser die Belastung der Stadt am Main bis zum Jahr 2020 hoch - und prognostizierte eine Zunahme der Herz-Kreislauf-Erkrankungen um 100 Prozent, der Zahl der Schlaganfälle um 150 Prozent und der Brustkrebsfälle um 200 Prozent.Aus dem Publikum kam die Forderung, eine entsprechende Studie auch für die Rhein-Main-Region durchzuführen, um auch hier "harte Fakten" zu den Gesundheitsshäden durch den Fluglärm zu bekommen. Das Bündnis der Bürgerinitiativen unterstützt diese Forderung ebenso wie die Grünen im Landtag. Die LINKE im hessischen Landtag will einen netsprechenden Antrag im Lndtag einbringen. Für die Kommunen und das kürzlich gegründete überregionale Bündnis gegen die Änderung des Luftverkehrsgesetzes sagte Bürgermeister Jühe, dass man eine solche Studie unterstütze. Prof. Greiser könnte die Studie (wenn Krankenkassen und Kommunen die Daten liefern) innerhalb eines Jahres und für etwa 500000 Euro durchführen - gegen die sonstigen Kosten des Ausbaus von mehreren Milliarden wäre diese Summe ein Klacks und gut angelegt. Greiser versicherte den Zuhörern, dass er trotz eventueller "politischer Komplikationen" bereit wäre, die Studie durchzuführen: "Sie können auf mich zählen".
An der im Mai letzten Jahres vorgestellten Studie "Fluglärm und Gesundheit" der Stadt Frankfurt, nach der es keine Beeinträchtigung der Gesundheit durch Fluglärm geben soll, ließ Greiser kein gutes Haar: "Wissenschaftlich eine einzige Katastrophe".
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