Nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs in Kassel (VGH) für ein einstweiliges Nachtflugverbot ab dem 30. Oktober fordert die Bundesvereinigung gegen Fluglärm (BVF) zur Inbetriebnahme der Landebahn Nordwest am Frankfurter Flughafen ein dauerhaftes Nachtflugverbot von 22.00 bis 6.00 Uhr.
Außerdem erwartetet die BVF von der Hessischen Landesregierung eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes, um Lärmschutz als die neben der Sicherheit vorrangige Aufgabe der Flugsicherung gesetzlich zu verankern. Darüber hinaus sollen die Bürgerinnen und Bürger in Zukunft bei den Verfahren zur Festlegung von Flugrouten und Flughöhen beteiligt werden.
Die schwarz-gelbe Landesregierung hat acht Jahre lang versprochen, dass es einen Ausbau des Flughafens ohne Nachtflugverbot nicht geben wird. Der zusätzlichen Lärmbelastung am Tag sollte „als Ausgleich“ wenigstens sechs Stunden der Nachtruhe gegenüberstehen. Doch daran wollten sich CDU und FDP offensichtlich nie halten. Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) in Kassel legt jetzt fest, dass es in den kommenden Monaten – mindestens bis zu einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) in Leipzig – keine planmäßigen Flugbewegungen zwischen 23 Uhr und 5 Uhr geben darf.
„Wenn jetzt der Lufthansa-Chef Franz allen Ernstes fordert, die Eröffnung der Nordwest-Landebahn zu verschieben, weil ihm das Nachtflugverbot ein zu hoher Preis für den Ausbau ist, dann ist dies an Zynismus nicht mehr zu überbieten. Wenn der Lufthansa das Nachtflugverbot zu teuer ist, dann hätte sie in der Logik der Ausbaubefürworter von Anfang an gegen den Ausbau sein müssen. Offensichtlich ging die Lufthansa immer davon aus, dass der Ausbau ohne das Nachtflugverbot kommt. Es gab ja auch immer willfährige Helfershelfer in der Hessischen Landesregierung. Der frühere Ministerpräsident Roland Koch hat am vergangenen Samstag in der FAZ noch einmal sehr deutlich gemacht, dass ihn seine Versprechen von früher heute einen feuchten Dreck scheren. Diesem Wortbruch hat der Verwaltungsgerichtshof jetzt einen Riegel vorgeschoben“, so Dirk Treber, Pressesprecher der BVF. „Die Verantwortung dafür, dass sich die Luftverkehrswirtschaft jetzt so kurzfristig auf das Nachtflugverbot einstellen muss, tragen wegen ihrer gebrochenen Versprechen eindeutig die Landesregierung, die Hessische CDU- und FDP-Landtagsfraktion. Aber auch die Fraport AG ist daran beteiligt, denn nach der Beantragung des Nachtflugverbots im Planfeststellungsverfahren hat der Flughafen sehr schnell den Kampf für nächtliche Flugbewegungen wieder aufgenommen. Schon sehr früh war bei der Fraport AG vom einem Nachtflugverbot keine Rede mehr: Die selbst beantragte sechsstündige Nachtruhe wurde geflissentlich unter den Tisch gekehrt.“
Dass der Lärm bereits im Vorfeld der Inbetriebnahme der neuen Landebahn durch die Verschiebung von Flugrouten und der Verminderung von Flughöhen stark zugenommen hat, macht einmal mehr deutlich, dass die Lärmbelästigung auch am Tag dringend reduziert werden muss. „Schon jetzt leiden viele tausend Menschen in der Rhein-Main-Region stärker als früher unter Fluglärm. Die Belastungen werden in den kommenden Jahren immer weiter steigen, da die Zahl der Flugbewegungen auf 126 pro Stunde anwachsen soll. Danach 2020 wahrscheinlich mit 900.000 und mehr Flügen pro Jahr gerechnet werden muss, ist ein Ende der Belastungen nicht abzusehen. „Die Forderung nach einer Begrenzung des Flugverkehrs und nach verbindlichen Lärmobergrenzen muss daher mit großer Dringlichkeit gestellt werden“, betont Dirk Treber.
Lärmschutz als Aufgabe der Deutschen Flugsicherung (DFS)
DIE BVF fordert, dass die Flugsicherung in Zukunft den Lärmschutz als gleichwertige Arbeitsvorgabe zu beachten hat. Zurzeit haben im Luftverkehrsgesetz (§ 27c) die Sicherheit und die maximale Kapazitätsauslastung Priorität, während der Schutz vor Fluglärm in diesem Zusammenhang überhaupt nicht erwähnt wird. „Das muss sich ändern, damit der Lärmschutz endlich die notwendige Beachtung auch in der Praxis erfährt. Wenn in das Luftverkehrsgesetz mit aufgenommen wird, dass die Fluglärmbelastung zu verringern ist, würden durch auch verstärkt technische Entwicklungen zugunsten des Lärmschutzes etwa bei der Entwicklung von Flugverfahren berücksichtigt werden.“
Öffentlichkeitsbeteiligung bei Festlegung von Flugrouten und Flugverfahren
Bei grundlegenden Entscheidungen über Flugrouten und Flugverfahren fordert die BVF zukünftig eine Bürgerbeteiligung. Die öffentliche Erörterung im Planfeststellungsverfahren nützt wenig, solange die konkreten Folgen im Verborgenen blieben. Dies sei solange der Fall, als nicht auch die generelle Festlegung von Flugrouten, Flugverfahren und Flughöhen erst nach Offenlage der konkreten Planungen hierfür und einer öffentlichen Erörterung erfolge. „Eine umfassende Beteiligung der betroffenen Kommunen und der Öffentlichkeit muss bei großen grundlegenden Änderungen wie bei den jetzt am Berliner und Frankfurter Flughafen anstehenden Festlegungen, unbedingt erfolgen. Die Menschen am Boden dürfen nicht mehr ohne transparente Entscheidungsprozesse von Fluglärm plötzlich aufgeschreckt werden.
Einwendungen aus der Bevölkerung müssen vielmehr umfassend in das Verfahren einbezogen werden, damit die Arroganz der Deutschen Flugsicherung als Wissensmonopolist im Luftverkehr nicht weiterhin als dominiert.“ Abschließend fordert Dirk Treber, die Kompetenzen und Einflussmöglichkeiten der Fluglärmkommissionen deutlich zu verbessern, damit sich die Kommunen und Landkreise im Flughafenumland stärker an den Entscheidungsprozessen zur Fluglärmreduzierung beteiligen können.