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Die Ohren kann man nicht schließen
Von: @ZRM EXTRABLATT <2014-10-19>
Die neueste Studie der Mainzer Universitätsmedizin zeigt erneut die schädliche Wirkung von Fluglärm für die Gesundheit. Prof. Münzel erläutert die Studie und fordert Aktionen von der Politik.

Fluglärm: ein neuer Herz-Kreislauf-Risikofaktor, den weder die Patienten noch die behandelnden Ärzte, sondern nur die Politik positiv beeinflussen kann.
Gastbeitrag von Thomas Münzel

Operation nicht ausgeschlossen: Fluglärm erhöht deutlich das Risiko, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden.
Bild: sudok1 - Fotolia.com

Am 12.3.2012 äußerte sich der damalige Präsident des Umweltbundesamts, Jochen Flasbarth (49), zu dem Thema »Krach durch Autos, Flugzeuge und Züge« in der Zeitschrift DER SPIEGEL: »Nach unseren Umfragen fühlen sich 55 Prozent der Deutschen durch Straßenlärm belästigt. Bei Fluglärm ist es jeder Dritte, bei Schienenlärm jeder Fünfte« (DER SPIEGEL 11/2012).

Lärm ist das am stärksten unterschätzte Umweltproblem in Deutschland. Wir wissen durch eine Reihe von Studien definitiv, dass er – gerade wenn er nachts auftritt – die Gesundheit schädigt.

In einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation zum Thema Lärm und Gesundheit nimmt die WHO zur globalen Krankheitslast, ausgelöst durch Lärm, Stellung. Nach eher konser vativen Schätzungen gehen pro Jahr lärmbedingt 61.000 gesunde Jahre aufgrund von Herzdurchblutungsstörungen, 45.000 gesunde Jahre aufgrund von kognitiven Beeinträchtigungen von Kindern, 903.000 gesunde Jahre aufgrund von Schlafstörungen, 22.000 gesunde Jahre aufgrund von Tinnitus (Hörgeräusche) und 654.000 gesunde Lebensjahre aufgrund von Ärgerreaktion (Annoyance) verloren; oder anders ausgedrückt: eine Million gesunde Lebensjahre pro Jahr in Westeuropa gehen durch Lärm verloren.

Wie schädigt Lärm unser Herz-Kreislauf- System? Durch Flugzeuge ausgelöste erhöhte Schallpegel führen zu einer Störung von Leistung, Schlaf und Kommunikation und es kommt zu kognitiven und emotionalen Reaktionen und zur Auslösung von Ärger (Annoyance). Ärger wiederum führt zu Stressreaktionen, die durch eine Aktivierung des autonomen Nervensystems (Sympathikus) und der endokrinen Systeme (zum Beispiel erhöhte Katecholamin- und Kortisonspiegel) charakterisiert sind. Chronische Stressreaktionen führen per se zu einer vermehrten Ausbildung von Herz-Kreislauf- Risikofaktoren, wie zum Beispiel Erhöhung des Blutdruckes, Erhöhung der Blutfette und des Blutzuckers, zu einer Steigerung der Herzleistung und zu einer Aktivierung der Blutgerinnung und damit zur vermehrten Ausbildung von Bluthochdruck, Gefäßverkalkung (Arteriosklerose), einer koronaren Herzerkrankung und Schlaganfall.

Gefäßfunktionsstudien von Dr. Frank Schmidt von der Universitätsmedizin in Mainz konnten zeigen, dass Nachtfluglärm zu einer Gefäßfunktionsstörung und zu Stressreaktionenbei gesunden Probanden und zu einer Verschlechterung der Gefäßfunktion bei Patienten mit einer koronaren Herzerkrankung führt. Diese Verschlechterung der Gefäßfunktion (Verlust der Elastizität) wiederum kann ein vermehrtes Auftreten von Bluthochdruck, Herzinfarkt und Schlaganfall durchaus erklären.

Wichtig ist festzuhalten, dass die verwendeten Untersuchungsprotokolle in der Lärmwirkungsforschung üblich sind. Dadurch, dass die Beschallung zu Hause stattfindet, handelt es sich hier nicht um einen Schlaflaborversuch, sondern um einen Feldversuch, der der realen Situation deutlich näher kommt. Zudem wurde das Protokoll für diese Untersuchungen mit einem ehemaligen Mitglied des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, kurz DLR, entwickelt.

Fazit: Die Augen kann man schließen, die Ohren nicht. Fluglärm ist ein neuer Herz- Kreislauf-Risikofaktor wie Diabetes, hoher Blutdruck, hohes Cholesterin und auch Rauchen, nur: Fluglärm ist der einzige Risikofaktor, den nicht die Patienten oder wir Ärzte sondern nur die Politik durch eine vernünftige Fluglärmgesetzgebung beeinflussen kann, die die Anwohner und nicht die Betreiber von Flughäfen schützt.

Zur Person:
Thomas F. Münzel (59) ist seit 2004 Professor für Kardiologie und Angiologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Direktor der 2. Medizinischen Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.



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