Am heutigen 18. Dezember jährt sich der Tag, an dem der Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau einer neuen Landebahn im Kelsterbacher Wald vom zuständigen Landesminister unterschrieben wurde – welcher quasi die Baugenehmigung für eine Flughafenerweiterung darstellt, die den Menschen um den Airport herum noch mehr Lärm und Belastungen bringen wird. "Das ist wahrlich kein Tag zum Geburtstag feiern," stellen die Stadtoberhäupter Jens Beutel (Mainz), Michael Antenbrink (Flörsheim am Main), Hans Franssen (Hattersheim am Main) sowie Angelika Munck (Hochheim am Main) und Enno Siehr (Landrat des Kreises Groß-Gerau) fest.
"Trügerische Ruhe vor dem Sturm: Irreparabler Schaden droht"
Mehr als 200 Privatpersonen, 31 Städte und Gemeinden sowie der BUND haben Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss erhoben. Sie liegen beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel vor. Verhandelt wurden diese noch nicht. Von diesen weit über 200 mit großem Aufwand und mit stichhaltigen Argumenten gegen den Flughafenausbau gespickten Klagen will der Verwaltungsgerichtshof gar nur deren elf (!) als Musterklagen zulassen.
Dazu Enno Siehr, Landrat des Kreises Groß-Gerau und gemeinsam mit OB Beutel und Bürgermeisterin Munck auch Sprecher der Aktion "Zukunft Rhein-Main" (ZRM): "Das ist die Ruhe vor dem Sturm - eine trügerische Ruhe! Der Region droht ein irreparabeler Schaden, bevor die Richter in Kassel im Hauptverfahren Recht gesprochen haben."
Wer ist Herr des Verfahrens? Offenkundige Vorabsprachen
Der Grund für diese Befürchtung: Die Fraport will die zur Rodung vorgesehenen Waldflächen bereits jetzt zwangsweise in Besitz nehmen und verhandelt mit dem Regierungspräsidium in Darmstadt bereits über die Modalitäten. Ein Sprecher der Behörde hatte zwar am 8. Dezember 2008 der Presse gegenüber beschwichtigt, dass es der Fraport nicht um die Rodung selbst gehe; aber die Fraport selbst widerlegt dies: In einem Brief an das Regierungspräsidium vom 13. November, dessen Text der ZRM vorliegt, steht wörtlich zu lesen: "Für Fraport ist insoweit entscheidend, dass die Besitzeinweisung jedenfalls für die Rodungsbereiche wie beantragt bereits effektiv zum 12. Januar 2009 erfolgt, um die gesetzlich angeordnete Vollziehbarkeit der Planfeststellung entsprechend der Absprache mit dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) unmittelbar ab Zustellung der Eilbeschlüsse für die geplanten Rodungen ausnutzen zu können."
Über die Klagen im Eilverfahren wird der Hessische Verwaltungsgerichtshof voraussichtlich Anfang Januar 2009 entscheiden. Dies dürfte dann der Startschuss für Rodungen im Kelsterbacher Wald sein. Die Waldfläche, die für den Ausbau gerodet werden soll, entspricht der Größe von rund 350 Fußballfeldern! "Mit dem Planfeststellungsbeschluss hat sich die Hessische Landesregierung über alle berechtigten Bedenken und das von ihr selbst propagierte Nachtflugverbot hinweg gesetzt. Wie kann das Regierungspräsidium - mit dem zitierten Fraport-Brief in Händen - allen Ernstes beteuern, dass Fraport die Ausbauflächen nur in Besitz nehmen möchte, ohne die Holzfälleraxt zu schwingen?", fragt Angelika Munck, Bürgermeisterin in Hochheim am Main. "In dem Brief steht klipp und klar, dass man mit dem Gericht Absprache getroffen habe, Anfang Januar zu roden. Es ist sogar ein konkreter Termin genannt: Der 12. Januar, sechs Tage vor der Landtagswahl!"
In Mainz ist das Misstrauen nicht minder groß: "Es ist offensichtlich, dass Fraport so schnell wie möglich all jene Bäume fällen will, die der neuen Bahn im Wege stehen würden", ahnt Oberbürgermeister Jens Beutel nichts Gutes. "Fraport schreckt nicht einmal davor zurück, sich auf Absprachen mit den Kasseler Richtern zu beziehen, die eindeutig rechtswidrig sind."
"Wenn die Bäume erst einmal abgeholzt sind, ist die Bahn frei - im wahrsten Sinne des Wortes," bekräftigt Hattersheims Rathauschef Hans Franssen.
Moralisch vertretbar? Bannwald-Rodung ehe VGH Urteil fällt?
Um zu verhindern, dass vollendete Tatsachen geschaffen werden, ehe die Richter in einem fairen Verfahren Recht gesprochen haben, forderten die drei Stadtverordnetenversammlungen der Mainstädte und der Stadtrat in Mainz Mitte November 2008 vom Hessischen Wirtschafts- und Verkehrsminister, den Sofortvollzug des Planfeststellungsbeschlusses aufzuheben.
"Damit", so Michael Antenbrink, Flörsheims Bürgermeister, "wäre die Planfeststellungsbehörde in der Lage, Herr des Verfahrens zu bleiben - und zu verhindern, dass Fraport wertvollen Bannwald und Lebensraum für Menschen und Tiere vernichtet, bevor die Richter überhaupt Recht gesprochen haben." Aus dem Wiesbadener Ministerium haben die vier Vertretungskörperschaften bislang jedoch weder eine Eingangsbestätigung noch eine Antwort auf ihre Resolution bekommen.
Beutel, Antenbrink, Franssen sowie Siehr und Munck abschließend: "Wir erwarten und fordern nachdrücklich, dass kein Baum fällt, bevor nicht die Verfahren in Kassel oder Leipzig in einer fairen juristischen Auseinandersetzung abgeschlossen sind. Dabei sind wir davon überzeugt, dass der Planfeststellungsbeschluss nicht ausgeführt wird, weil er nicht tragfähig ist: Weder juristisch noch politisch. Es wäre geradezu paradox, wenn die Bahn nicht gebaut werden würde - sei es aus den genannten Gründen oder einfach deshalb, weil den Bauherren das Geld ausgeht - und aus dem in vielerlei Hinsicht wertvollen Kelsterbacher Wald eine karge Mondlandschaft geworden wäre, weil zu früh die Axt geschwungen wurde."
Klage (vor Gericht) Sofortvollzug