Der nächtliche Fluglärm wird in nächster Zeit nicht weniger werden. Das hessische Wirtschaftsministerium verschob die Entscheidung über die an sich fällige Verschärfung der Nachtflugbeschränkungen um ein Jahr. Damit wird eine veränderte Regelung - wenn überhaupt - nicht vor Herbst 2006 in Kraft treten.
Im Jahr 2001 hatte die Landesregierung den Lärm durch Nachtflüge durch ein Punktesystem begrenzt. Minister Posch hatte damals versprochen, mit dem Sommerflugplan 2006 das Punktekontingent um 5 Prozent zu verkleinern, wenn die Zahl der Nachtflüge bis dahin stark zugenommen hätte. Diese Bedingung trifft zu. Von 2001 bis 2004 stieg die Zahl der nächtlichen Flugbewegungen von durchschnittlich 128 pro Nacht auf 138 - trotz Luftfahrtkrise. Im Jahr 2005 waren es nach sieben Monaten bereits 144 Flüge pro Nacht. Insgesamt könnte in 2005 leicht ein Wert von 150 erreicht werden, da die verkehrsreichsten Monate noch nicht eingerechnet sind. In einzelnen Augustnächten wurden im Vorjahr schon Werte deutlich über 200 erreicht. Das bedeutet, dass alle zwei bis drei Minuten ein Flugzeug startet oder landet.
Grund für die Verschiebung sind nach Aussage des zuständigen Abteilungsleiters im Wirtschaftsministerium, Klaus-Peter Güttler, ablehnende Stellungnahmen der Fluggesellschaften. Angeblich bestreiten diese die Berechtigung des Landes zu einer solchen Maßnahme. Sie berufen sich dabei auf das Schallschutzprogramm der Fraport, das sie indirekt über die Start- und Landegebühren mitfinanzieren müssten. Zudem seien viele nächtliche Landungen die Folgen von Verspätungen, für die die Fluggesellschaften nicht verantwortlich wären.
Das Ministerium sieht laut Güttler ein zu hohes Risiko, einen eventuellen Rechtsstreit mit den Fluggesellschaften zu verlieren, deshalb wolle man die Regelung noch einmal überarbeiten. Ein schlechtes Vorzeichen für ein Nachtflugverbot beim geplanten Ausbau des Flughafens will Güttler in dem Rückzieher aber nicht sehen, bei einem Ausbau habe man weitgehendere Möglichkeiten als im laufenden Betrieb.
Fluglärm-Betroffene übten heftige Kritik. Der BUND sagte, mit dieser Politik provoziere die Landesregierung die Betroffenen. Es sei unerträglich, dass die Zahl der gesundheitsgefährdenden Nachtflüge trotz der Zusage zum Nachtflugverbot von 23 Uhr bis fünf Uhr ständig zunehme. Die IG Fluglärm forderte das Ministerium auf, endlich zu handeln und die Nachtflüge sofort zu reduzieren. "Es ist absolut unverständlich, dass die Hessische Landesregierung vor den Fluggesellschaften kneift", erklärte IGF-Sprecher Dirk Treber.
Die Fraktion der Flughafenausbaugegner im Frankfurter Römer warf dem Ministerium vor, "Erfüllungsgehilfe der Luftfahrtbranche" zu sein. Das von der Landesregierung bei einem Ausbau des Flughafens versprochene Nachtflugverbot sein eine "Mogelpackung". Wenn die Fluggesellschaften schon eine Senkung des Lärmkontingents um fünf Prozent verhindern könnten, könnten sie auch ein Nachtflugverbot kippen. Auch Bürgerinitiativen kritisierten, die Versprechungen von Fraport und Politik für ein Nachtflugverbot seien nicht glaubwürdig.
Die Fluglärmkommission fordert nicht nur eine Verkleinerung des Lärmkontingents, sondern auch eine absolute Beschränkung der Zahl der Flugbewegungen in einer Nacht auf maximal 150. Der Trend zu immer mehr Nachtflügen müsse gestoppt werden. Die Stadt Raunheim will eventuell eine Klage einreichen.
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