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VGH Kassel: Die A 380-Wartungshalle darf gebaut werden
Pressemitteilung des VGH vom 28. 06. 2005
Von: @Hessischer Verwaltungsgerichtshof <2005-06-28>
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat alle Klagen auf Aufhebung des Planfeststellungs-Beschlusses für die A380 Werft und alle Eilanträge abgelehnt: die A380-Halle darf gebaut werden. Eventuell wird es Auflagen für mehr Lärmschutz geben.
Der 12. Senat des Hess.VGH hat nach insgesamt vier Verhandlungstagen am 24., 25. und 31. Mai sowie am 7. Juni 2005 heute mehrere Entscheidungen zu dem Bau der A 380-Wartungshalle am Flughafen Frankfurt am Main verkündet: Das Gericht hat die Klagen abgewiesen, soweit sie auf eine Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, also auf eine Verhinderung des Baus der Halle ge­richtet waren. Auch die Eilanträge, mit denen ein vorläufiger Baustopp erreicht werden sollte, hatten keinen Erfolg.

Noch nicht entschieden hat der Hess. VGH allerdings die Frage, ob der Planfeststel­lungsbeschluss durch Lärmschutzauflagen zugunsten von Wohngebieten in Mörfelden-Walldorf, Neu-Isenburg und Raunheim zu ergänzen ist; insoweit hat das Gericht beschlossen, ein Sachverständigengutachten über die künftige Lärmbelastung durch Triebwerksprobeläufe einzuholen.

Durch Beschluss vom 26. November 2004 hat das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Ver­kehr und Landesentwicklung den Plan für den Bau der A 380-Werft (mit einer Länge von ca. 350 m, Breite von ca. 140 m und Höhe von ca. 45 m) einschließlich einer Vorfeldfläche sowie die dadurch veranlasste Verlegung der Okrifteler Straße und des Tores 31 des Flughafens festge­stellt. Gegen den Plan haben der BUND, der Kreis Groß-Gerau, die Städte Mörfelden-Walldorf, Rüsselsheim, Neu-Isenburg und Raunheim, private Kläger aus Neu-Isenburg sowie die Gemein­nützige Baugesellschaft Offenbach geklagt. In fünf Verfahren haben die Kläger auch Eilanträge ge­stellt, mit denen der sofortige Vollzug des Planfeststellungsbeschlusses vorläufig verhindert werden sollte.

Das Verfahren des BUND hat eine Reihe naturschutzrechtlicher Fragen aufgewor­fen. In diesem Zusammenhang sieht es das Ge­richt aus ornithologisch-fachlicher Sicht als vertretbar an, dass die zuständige Natur­schutzbehörde den Vorhabensbereich nicht in das Vogelschutzgebiet "Mark- und Gund­wald zwi­schen Rüsselsheim und Walldorf" einbezogen hat. Zwar sei kurz vor Erlass des Plan­feststel­lungsbeschlusses eine Grunddatenerfassung für das gemeldete FFH-Gebiet gleichen Na­mens bekannt geworden, in der mehr Brutreviere des Mittel­spechts kartiert worden seien als bis­her bekannt. Gleichwohl hat das Gericht die Abgrenzung des Vogelschutzgebiets nicht bean­standet, weil insbesondere schon der Lebensraum von 40 bis 50% der in Hessen lebenden Mit­telspecht­paare unter Schutz gestellt sei, so dass der streitige Bereich nicht zu den "geeignetsten" Gebieten von Hessen gehöre (im Sinne des Art. 4 Abs. 1 der Richtli­nie 79/409/EWG über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten).

Wie das Gericht weiterhin festgestellt hat, soll die A 380-Werft in einem Bereich errichtet werden, der in Erfüllung der Richtlinie 92/43/EWG zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen - FFH-RL - an die EU-Kommission gemeldet, aber noch nicht ausgewiesen ist. Nach Ansicht der Richter werde dieses Ge­biet hinsichtlich des Lebensraumtyps "alte bodensaure Eichenwälder auf Sandebenen mit Quercus robur", des Lebensraums des Hirschkäfers und eines Jagdreviers der Bechsteinfleder­maus durch den Bau der Wartungshalle auch erheblich beeinträchtigt. Es sei aber gerichtlich nicht zu beanstanden, dass die Planfest­stellungsbehörde diese Nachteile für die Natur den insgesamt für die Werft streitenden öffentlichen Interes­sen untergeordnet habe, zumal durch Ausgleichsmaßnahmen sichergestellt sei, dass die globale Kohärenz von "Natura 2000" geschützt sei. Nach der Überzeu­gung des Gerichts bestehe ein erhebliches öffentliches Interesse an der Errich­tung der A 380-Werft, weil eine ge­eignete Wartungseinrichtung am Flughafen Frankfurt/Main nicht vorhanden, aber notwendig sei. Mit dem Bau der Werft werde zudem ein Wartungsengpass für Flugzeuge der Interkontinental­flotte beseitigt und gleichzeitig die Funktion des Flughafens als Drehkreuz sowie als Heimat­flughafen der Deutschen Lufthansa AG gestärkt. Auch wirt­schaftliche Gründe, insbesondere die Sicherung und Schaffung hochqualifizierter und zukunfts­orientierter Arbeitsplätze belegten ein überwiegendes öffentliches Interesse am Bau der Halle.

Die Fraport AG könne nicht darauf verwiesen werden, die Werft an einem anderen Standort in­nerhalb des bisherigen Flughafengeländes zu bauen. Insbesondere eine Inanspruchnahme des Airbase-Bereiches scheitere an den Planungen der Fraport, dort ein drittes Terminal zu errichten. Die Belegung dieses Geländes mit der A 380-Werft würde die Ausbauplanung und Entwicklungsfähigkeit des Flughafens in einem Maß einschränken, das au­ßer Verhältnis zu der dadurch erreichten Schonung des gemeldeten FFH-Gebietes stehe.

Der Planfeststellungsbeschluss vom 26. November 2004 sei auch nicht deshalb zu beanstanden, weil er eine Abweichung von dem Regionalplan Südhessen aus dem Jahr 2000 und eine Teilauf­hebung des Bannwaldes zulasse. Beide Entscheidungen seien durch die Planfeststellung ersetzt worden und auch in der Sache durch überwiegende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt, entschied das Gericht.

Zu einem, allerdings nur geringen Teil, hatte die Klage des BUND Erfolg. Die Richter bean­standen, dass die Planfeststellungsbehörde Maßnahmen zur Aufwertung einzelner Flächen im Naturschutzgebiet "Mönchbruch von Mörfelden und Rüsselsheim" als naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen anerkannt habe, obwohl diese Maßnahmen zu einem erheblichen Teil aufgrund der Verordnung über dieses Naturschutzgebiet schon von den Naturschutzbehörden hätten durchgeführt werden müssen. Deshalb hat der Verwaltungsgerichtshof das beklagte Land verpflichtet, diesen Teil des Planfeststellungsbeschlusses unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu ergänzen.
Teilweise hat sich des Verfahrens des BUND erledigt. Dies beruht darauf, dass die Planfeststellungsbehörde einigen Einwendungen des BUND während des gerichtlichen Verfahrens - u. a. auf Hinweise des Gerichts - durch zumindest klarstellende Ergänzungen des Planfeststellungsbeschlusses Rech­nung getragen hat.

Die Klagen des Kreises Groß-Gerau und der Stadt Rüsselsheim wurden insgesamt und die der Städte Mörfelden-Walldorf, Neu-Isenburg und Raunheim so­wie der privaten Kläger aus Neu-Isenburg durch Teilurteil insoweit abgewiesen, als sie auf eine Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses gerichtet sind. Die Abweisung der Klagen beruht im Wesentlichen auf der Erwägung, dass sich Kommunen und durch Lärm betroffene private Kläger nicht mit Erfolg auf Belange des Naturschutzes oder auf naturschutzrechtliche Ziele der Regio­nalplanung berufen können.

Über die zuletzt genannten Klagen (der Städte Mörfelden-Walldorf, Neu-Isenburg und Raun­heim und der privaten Kläger aus Neu-Isenburg) hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch noch keine ab­schließende Entscheidung getroffen. Er hat beschlossen, durch Einholung eines Sachverständi­gengutachtens zu klären, in welchem Umfang durch den Betrieb der A 380-Halle Triebwerks­probeläufe veranlasst und welche Lärmbeeinträchtigungen dadurch verursacht werden. Sollte die Beweisaufnahme ergeben, dass die Lärmschutzbelange der Bewohner der betroffenen Bauge­biete nicht ausreichend geschützt worden sind, müsste dem durch weitere Lärmschutzauflagen (z. B. in Form von Betriebsregelungen bis hin zur Errichtung einer Lärmschutzhalle für Stand­läufe) Rechnung getragen werden. Das würde allerdings nur zur Ergänzung, nicht aber zur Auf­hebung des Planfeststellungsbeschlusses führen. Dagegen haben einige der Kläger eingewendet, der Planfeststellungsbeschluss sei schon allein aus Lärmschutzgründen aufzuheben, weil das A 380-Projekt unzulässigerweise von dem Gesamtausbauplan abgekoppelt worden und dadurch die eigentliche Lärmproblematik unbewältigt geblieben sei. Dieser Auffassung hat sich der Verwal­tungsgerichtshof nicht angeschlossen, weil die A 380-Wartungshalle ihre flughafenbetriebliche Funktion unabhängig von der Realisierung der Ge­samtausbaukonzeption erfülle.

Die Klage der Gemeinnützigen Baugesellschaft Offenbach hat der Verwaltungsgerichtshof mit der Begründung abgewiesen, der angefochtene Planfeststellungsbeschluss für den Bau der A 380-Halle könne nicht als Zulassung für weitere Flugbewegungen angesehen werden mit der Folge, dass auch Lärmbeeinträchtigungen oder Sicherheitsrisiken, die durch weitere Flugbewegungen ausgelöst werden könnten, nicht mit Erfolg gegenüber dem Planfeststellungsbeschluss vom 26. November 2004 geltend gemacht werden können. Diese Flugbewegungen fänden ihre Rechtsgrundlage vielmehr in dem Planfeststellungsbeschluss aus dem Jahr 1971.

Die Eilanträge hatten insgesamt keinen Erfolg. Der Planfeststellungsbeschluss vom 26. November 2004 ist kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Eine gerichtliche Aussetzung der Voll­ziehung komme daher nur in Betracht, wenn mit erheblicher Wahrscheinlichkeit damit zu rech­nen sei, dass der Plan im gerichtlichen Verfahren keinen Bestand haben werde. Eine solche Prognose sei aufgrund der abweisenden Urteile und Teilurteile hier aber nicht gerechtfertigt. Eine später eventuell erforderliche Planergänzung durch Anordnung von Lärmschutzmaßnahmen stehe dem sofortigen Bau der Wartungshalle nicht entgegen.

Soweit die Klagen durch Urteil oder Teilurteil abgewiesen wurden, hat das Gericht die Revision nicht zugelassen. Gegen die Nichtzulassung der Revision kann Beschwerde beim Bundesver-waltungsgericht in Leipzig eingelegt werden.

Die Ablehnung der Eilanträge ist unanfechtbar.


Aktenzeichen:
12 A 3933/04 Klage Stadt Mörfelden-Walldorf
12 A 3/05 Klage Stadt Rüsselsheim
12 A 8/05 Klage BUND
12 A 11/05 Klage Stadt Raunheim
12 A 35/05 Klage Kreis Groß-Gerau
12 A 216/05 Klagen Stadt u. private Kläger aus Neu-Isenburg
12 A 226/05 Klage Gemeinnützige Baugesellschaft Offenbach
12 Q 7/05 Eilantrag Stadt Rüsselsheim
12 Q 9/05 Eilantrag BUND
12 Q 10/05 Eilantrag Stadt Raunheim
12 Q 34/05 Eilantrag Kreis Groß-Gerau
12 Q 221/05 Eilanträge Stadt Neu-Isenburg und private Antragsteller
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