KREIS GROSS-GERAU – In Reaktion auf eine vom Vorstandvorsitzenden der Fraport AG an alle Haushalte im Flughafenumland versandte Wurfsendung hat sich Landrat Thomas Will direkt an die Bürgerinnen und Bürger des Kreises Groß-Gerau gewandt:
„Sehr geehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger,
viele von Ihnen haben in den letzten Tagen ein Schreiben des Vorstandvorsitzenden der Fraport AG erhalten. Lassen Sie mich eingangs feststellen: Es ist gut, wenn Fraport und Herr Dr. Schulte nun endlich offen zugeben, dass der Ausbau des Flughafens erhebliche Belastungen für die Menschen im Umland des Flughafens mit sich bringt. Zahlreiche von Herrn Dr. Schulte in seinem Brief aufgestellte Behauptungen fordern jedoch meinen entschiedenen Widerspruch heraus.
So ist es unredlich, dass der Flughafenbetreiber behauptet, viele Maßnahmen zur Lärmminderung seien konkret geplant oder vielleicht sogar bereits umgesetzt. In Wirklichkeit, das können Sie alle täglich hören, ist bisher fast nichts geschehen. So hätte zum Beispiel der aktive Lärmschutz, (d.h. andere Anflugverfahren, veränderte Routenführungen, Verbot von lauten Flugzeugen) bereits seit Jahren verwirklicht sein können. Fraport hat seine Zusagen nicht erfüllt, kostbare Zeit verstreichen lassen und darf sich deshalb über die berechtigte Empörung der vom Ausbau betroffenen Bürgerinnen und Bürger nicht wundern. Zudem sind die von Dr- Schulte gemachten Versprechungen wenig glaubhaft: Die Deutsche Flugsicherung hat erst kürzlich ausgeführt, dass eine wirksame Lärmreduzierung im unmittelbaren Anflugbereich nicht zu realisieren ist.
Es ist weiterhin unredlich, wenn Fraport so tut, als gebe es nach Inbetriebnahme der neuen Landebahn zwar neue Lärmbetroffenheiten, aber auch ebenso viele Menschen, die Entlastung erfahren hätten. Es ist zwar richtig: Für viele ist es viel lauter, und für einige derzeit etwas leiser geworden. Spätestens aber, wenn im Jahr 2020 in Frankfurt tatsächlich 700.000 oder, so wie es technisch möglich ist, sogar 900.000 Flugzeuge starten und landen, werden auch die wenigen jetzt temporär entlasteten Bereiche wieder unerträglich verlärmt sein.
Es ist richtig: Der Frankfurter Flughafen ist ein wichtiger Arbeitgeber in und für die Region – und soll es auch bleiben. Daran haben alle Anrainerkommunen nie einen Zweifel gelassen. Es ist aber unredlich, jetzt wieder das Schlagwort „Jobmaschine“ als Argument für den Ausbau ins Feld zu führen. Denn wissenschaftliche Studien haben erwiesen, dass es keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Ausbau und der Zunahme von qualifizierten Arbeitsplätzen im Flughafenumfeld gibt. Und unlängst erst ist deutlich geworden, dass es sich bei den allermeisten der angeblich „neuen“ Stellen am Flughafen in Wirklichkeit um die Verlagerung von Arbeitslätzen aus der Region handelt.
Fraport geht mit ihrem Rundschreiben also nur scheinbar auf Ihre, auf die Sorgen und Nöte der Flughafenanwohner, ein. Aber selbst dieser Brief des Vorstandsvorsitzenden wäre wohl nie geschrieben worden, hätten nicht engagierte Bürgerinnen und Bürger jeden Montag am Flughafen demonstriert und die unerträgliche Lärmbelastung in unserer Region zu einem bundesweit beachteten Thema gemacht. Dafür danke ich Ihnen ganz herzlich und versichere Sie meiner Solidarität.“