Die Probleme auf der Baustelle des Terminals des neuen Großflughafens Berlin Brandenburg (BER) sind noch längst nicht im Griff: die für Oktober 2013 geplante Eröffnung ist erneut verschoben worden, diesmal auf unbestimmte Zeit. Dafür steigen die Kosten immer weiter. Die Beteiligten schieben sich gegenseitig die Schuld für die Pleite zu.
Nun werden Großprojekte meistens teurer und dauern länger als geplant. Doch der Berliner Flughafen nimmt in der Statistik einen traurigen Spitzenplatz ein. Schon zum vierten Mal wurde die Eröffnung verschoben, die Kosten stehen zur Zeit bei 4,3 Mrd. Euro - mehr als doppelt so viel wie ursprünglich geplant, zu zahlen vom Steuerzahler. Dazu kommt finanzieller Schaden für Dritte, wie Fluggesellschaften, die die Kapazität brauchen, und Unternehmer, die am Flughafen ein Geschäft eröffnen wollten und jetzt mit Equipment und Krediten, aber ohne Einnahmen dastehen. Wer kann, wird auf Schadenersatz klagen. Der Imageschaden für die Hauptstadt ist enorm. Überall schüttelt man den Kopf über "Deutschlands peinlichste Baustelle", auch über die Landesgrenzen hinaus (siehe z.B. einen Artikel in der Neuen Zürcher Zeitung). Wieso schafft man es in Berlin nicht, in angemessener Zeit einen funktionierenden Flughafen zu bauen?
Der aus Frankfurt importierte neue Planungschef Amann, der das Chaos auf der Baustelle in den Griff bekommen soll. spricht von "grauenhaften Problemen", deren Aufarbeitung er mit mindestens einem halben Jahr veranschlagt. Erst dann könne man einen neuen Eröffnungstermin nennen. Mehr dazu bei hr info. Noch viel pessimistischer äußert sich der Offenbacher Flughafenplaner Faulenbach da Costa in der Berliner Morgenpost. Er hält es für möglich, dass die Flughafeneröffnung sich bis 2016 oder 2017 verzögern könnte, wenn man die Probleme vernünftig lösen will. Außerdem hält er das neue Terminal schon heute für zu klein. Selbst die radikale Alternative "Abreißen und neu bauen" wurde schon ins Spiel gebracht.
Wer hat Schuld an dem Chaos?
Erste Köpfe sind inzwischen gerollt. Den Architekten wurde schon vor Monaten gekündigt, seitdem steht der Betrieb auf der Baustelle faktisch still. Der Chef der Flughafengesellschaft wurde kürzlich entlassen. Berlins Regierender Bürgermeister Wowereit ist von seinem Posten als Aufsichtsratsvorsitzender zurückgetreten und wird durch Ministerpräsident Platzeck ersetzt. Ein Misstrauensvotum der Opposition im Parlament hat Wowereit heute überstanden. Ob er sich angesichts der fortdauernden Probleme auf Dauer als Regierungschef halten kann, ist fraglich. Ebenso fragt man sich, wieso Platzeck (bisher stellvertretender Vorsitzender im Aufsichtsrat) es besser machen soll als sein Vorgänger. Hinter den Kulissen wird angeblich nach einem Fachmann gesucht, der später den Aufsichtsratsvorsitz übernehmen kann. Bundesverkehrsminister Ramsauer hat angekündigt, er wolle alle Verantwortlichkeiten und Haftungsfragen durch externe Stellen klären lassen. Zur Zeit will es nämlich niemand gewesen sein, die Beteiligten schieben sich gegenseitig die Schuld zu.
Ein Flughafen-Untersuchungsausschuss soll nun prüfen, wie es zu dem ganzen Schlamassel kommen konnte. Etwa 100 Aktenordner mit Unterlagen hat der Ausschuss bisher erhalten. Der Vorsitzende Delius (Piraten) hat gefordert, alle Unterlagen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Einige brisante Details sind bereits durchgesickert. So heißt es in einem vertraulichen Vermerk, dass die Politik dem Standort Schönefeld den Vorzug vor dem technisch geeigneteren Sperenberg gegeben hat, weil man dort weniger Widerstand erwartet hat. In Sperenberg wurde mit massiven Protesten von Naturschützern gerechnet. Dass die Lärmbelästigung in Schönefeld sehr viel höher sein würde als in Sperenberg, war bekannt und wurde offenbar in Kauf genommen. Mehr dazu beim Berliner Tagesspiegel.
Einen ausführlichen Versuch, aufzuklären, was eigentlich schief gelaufen ist und warum, findet man in der Dokumentation "Fluchhafen Berlin", ZDF-Mediathek (ca. 45 min). Achtung, ev. nur kurze Zeit verfügbar!
Die FAZ veröffentlichte am 14.01.2013 eine lange Liste von den Dingen, die am Flughafen Berlin nicht so funktionieren, wie sie sollen. Da kann man sich nur die Haare raufen.m Lesen Sie mehr in der "geheimen Mängelliste" in der FAZ.
Schon die Planung war ein Chaos ...
Doch nicht nur auf der Baustelle des neuen Berliner Flughafens gibt es jede Menge Probleme, auch der davor liegende Planungsprozeß verlief frei nach Murphys Gesetz: Alles, was schief gehen kann, geht auch schief. Die Vorgänge zwischen dem Planungsstart in 1991 und 2001 kann man in einem unserer ersten Beiträge im Flughafen-Forum aus dem Jahr 2001 nachlesen. Danach begann das offizielle Planungsverfahren, in dessen Verlauf der gesamte Rechtsweg bis zum Bundesverfassungsgericht beschritten wurde (nachzulesen im Beitrag Der Rechtstreit um den Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld). 2006 wurde schließlich mit dem Bau begonnen, mit der Hoffnung, den Flughafen in 2011 in Betrieb nehmen zu können.
Flugrouten - neuer Ärger droht aus Brüssel
Probleme für den Berliner Flughafen gibt es aktuell aber nicht nur auf der Baustelle, seit neuestem droht auch noch Ärger aus Brüssel. Die EU-Kommission erwägt ein Vertragsverletzungs-Verfahren, weil die neuen Flugrouten europäische Umwelt- und Vogelschutz-Richtlinien verletzen. Die Flugrouten waren - nach langem Streit - deutlich abweichend von den Annahmen im Planfeststellungsverfahren festgelegt worden, eine Umweltverträglichkeitsprüfung dafür fand nicht statt. Eine Bürgerinitiative hatte deshalb Beschwerde bei der EU eingereicht. Bis heute halten die zuständigen Politiker eine Umweltprüfung der Flugrouten nicht für erforderlich. Setzt sich die EU-Kommission durch, muss die Umweltverträglichkeitsprüfung nachgeholt werden - das kostet Zeit und bringt neue Unsicherheit. Mehr in der ARd-Sendung "Kontraste".
Detaillierte Unterlagen zum Bau des neuen Flughafens Berlin (Planverfahren, Untersuchungsausschuss) findet man im Archiv beim DFLD.
Flughafen Berlin-Schönefeld (BER) Flugrouten EU-Kommission
Siehr: "Falsche Schlussfolgerungen"