Das Bundesverwaltungsgericht hat den Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld zum Großflughafen "Berlin-Brandenburg International (BBI)" vorläufig gestoppt. In der Verhandlung vom 14. April wurde den Eilanträgen von etlichen Anwohnern gegen den Sofortvollzug des Planfeststellungsbeschlusses vom August 2004 stattgegeben. Bis das Gericht über die Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss entschieden hat, dürfen keine Bauarbeiten durchgeführt werden. Nur noch vorbereitende Arbeiten, wie Vorbereitung des Baugrundes oder Untersuchungen zu Altlasten, sind erlaubt - auf eigenes Risiko der Flughafengesellschaft. Auch mit dem Bau des unterirdischen ICE-Bahnhofs darf nicht begonnen werden.
Das Bundesverwaltungsgericht begründete seine Entscheidung damit, das Interesse der Kläger, bis zum Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache von Vollzugsmaßnahmen verschont zu bleiben, sei höher einzuschätzen als das Interesse der Gegenseite am sofortigen Baubeginn. Das Planvorhaben sei nämlich mit schwerwiegenden Eingriffen verbunden, die geeignet seien, das Gesicht des davon betroffenen Raumes weit über den vorhandenen Flughafen hinaus nachhaltig zu verändern. Den endgültigen Ausgang des Gerichtsverfahrens bezeichnete das Gericht ausdrücklich als offen. Rund 4 000 Personen haben Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss eingereicht. Die Richter wollen über einige Musterfälle im ersten Halbjahr 2006 entscheiden. Nach dem Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz ist das Bundesverwaltungsgericht in diesen Verfahren erste und letzte Instanz.
Ein Sprecher der Berliner Flughafengesellschaft sagte, der geplante Eröffnungstermin im Jahr 2010 sei nach der Entscheidung des Gerichts voraussichtlich nicht einzuhalten. Man wolle versuchen, weitere Verzögerungen wenigstens "auf ein Minimum reduzieren". Nach Meinung von Fachleuten könnte die Verzögerung bis zu einem Jahr betragen - vorausgesetzt, der Planfeststellungsbeschluss hat Bestand.
An einen Bestand des Planfeststellungsbeschlusses glauben die Berliner Ausbau-Gegner nicht. Sie zeigten sich mit der Entscheidung des Gerichts über die Eilanträge sehr zufrieden und rechnen damit, dass ihre Klagen auch in der Hauptverhandlung erfolgreich sein werden. "Wenn das Gericht jetzt dem Eilantrag Recht gab, zeigt das, dass die Gesamtpalette unserer Bedenken sehr schwerwiegend ist", sagten die Anwälte der Kläger. "Dass das Gericht so entschied, verdeutlicht, dass die vielen und schwerwiegenden Fehler nicht so einfach zu beheben sind".
Beim Bürgerverein Brandenburg-Berlin (BVBB), der den Protest organisierte, hieß es: "Schönefeld ist tot". BVBB-Chef Ferdi Breidbach meinte gegenüber der Berliner Zeitung, er freue sich über den Erfolg, seie aber andererseits auch traurig: "Ich bin sicher, daß wir in Leipzig auch im Hauptverfahren gewinnen werden. Aber wenn die Politik jetzt nicht endlich bereit ist, den Großflughafen in Sperenberg statt in Schönefeld zu bauen, dann koppelt sich Berlin für alle Zeit vom Internationalen Flugverkehr ab." Die Ausbaugegner in Berlin sind nicht prinzipiell gegen einen neuen Flughafen, nur gegen den Standort Schönefeld. Sie möchten den neuen Flughafen auf dem Gelände des ehemaligen DDR-Militärflughafens in Sperenberg bauen.
Die zuständigen Politiker zeigten sich von der Entscheidung des Gerichts ziemlich unbeeindruckt - jedenfalls in der Öffentlichkeit. Der Regierende Bürgermeister in Berlin, Wowereit, verwies darauf, dass die Entscheidung des Gerichts keine Entscheidung in der Hauptsache sei, außerdem könne man ja die Bauvorbereitungen vorantreiben. Auch andere Mitglieder des Berliner Senats zeigten unverdrossen Zweckoptimismus. Die Stadtentwicklungssenatorin schloss "zeitliche Verzögerungen" explizit aus, der Wirtschaftssenator meinte, die Entscheidung sei "kein Rückschlag". Politiker im Land Brandenburg äußerten sich ähnlich. Das Bundesverkehrsministerium gab extra eine Pressemitteilung heraus, um mitzuteilen, man gehe hier davon aus, dass es "keine nennenswerten Verzögerungen bei der Realisierung des Großflughafens Berlin-Brandenburg gibt und der Planfeststellungsbeschluss Bestand haben wird". Nur Brandenburgs Innenminister Schönbohm meinte, die Gerichtsentscheidung sei ein "politisch-psychologisch verheerendes Signal". Einzelne Oppositionspolitiker übten ebenfalls Kritik.
Vertreter der Wirtschaft sehen die Angelegenheit nicht so locker wie die Politik. "Es handelt sich um einen herben Rückschlag für die gesamte Region", sagte der IHK-Präsident Schweitzer. Ohne den neuen Airport könnten Berlin und Brandenburg im internationalen Wettbewerb um Firmenansiedlungen nicht mithalten.
Bereits Mitte Februar hatten die Ausbaugegner einen Erfolg vor Gericht erreicht: das Oberverwaltungsgericht Frankfurt/Oder hatte den Landesentwicklungsplan "Flughafenstandort", mit dem eigentlich Rechtssicherheit für das Ausbauprojekt geschaffen werden sollte, wegen erheblicher Abwägungsmängel für nichtig erklärt.
Mehr:
- Pressemitteilung Bundesverwaltungsgerichts zum Urteil vom 14.04.2005
- Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts (Originaltext)
- OVG Frankfurt/Oder erklärt Landesentwicklungsplan zu Flughafen Schönefeld für nichtig
- Heute eine Ruine, morgen ein Trümmerhaufen?
- Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld
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Siehr: "Falsche Schlussfolgerungen"