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FFR-Maßnahmenpaket "Aktiver Schallschutz" - bringt es etwas?
Von: @cf <2012-06-27>
"Das Forum Flughafen und Region" hat einen Monitoring-Bericht über die Wirksamkeit der bisher realisierten Maßnahmen zum aktiven Schallschutz veröffentlicht.

Das Forum Flughafen und Region (FFR) hat am 22. Juni 2012 einen "Monitoringbericht" zu den Auswirkungen der im Sommer 2010 verkündeten Maßnahmen aus dem "Maßnahmenpaket aktiver Schallschutz" vorgestellt. Darin wird untersucht, ob die vorgesehenen Maßnahmen im praktischen Betrieb umsetzbar sind und welche Wirkungen sie auf die Fluglärmbelastung haben.

Das Maßnahmenpaket wurde von einer Arbeitsgruppe beim FFR, der "Expertengruppe Aktiver Schallschutz" ausgearbeitet. Nicht alle Maßnahmen sind unumstritten, da sie den Lärm verteilen. Mehr zu den Vorgänge rund ums Maßnahmenpaket finden Sie unserem Blog Der Streit um die Verteilung des Fluglärms.

In der Pressemitteilung des FFR äußert sich der Vorstand verhalten optimistisch: "Wir sehen uns darin bestätigt, dass man mit Aktivem Schallschutz Lärmminderungen erreichen kann. Aber wir stehen erst am Anfang". Man will jetzt die Maßnahmen optimieren als auch weitere Maßnahmen in Angriff nehmen, die in der "Allianz für Lärmschutz 2012" vereinbart wurden. Konkretere Aussagen findet man hier nicht. Auch dem Wirtschaftsministerium war die Veröffentlichung des Monitoringberichtes eine kleine Pressemitteilung wert.

Die Ergebnisse des Berichtes sollen demnächst in einer Veranstaltung den Mitgliedern des Konvents des FFR und der Fluglärmkommission erläutert. Der FFR-Vorstand lobt die Transparenz (tatsächlich wurde der Bericht ins Internet gestellt) und weist besonders auf die "Möglichkeiten neuer Navigationsverfahren" hin, die beim aktiven Schallschutz noch "weitere Potentiale erschließen könne".

Was steht im Monitoring-Bericht?

Der Monitoringbericht ist sehr technisch gehalten und für den Laien nur schwer verständlich. Wir haben uns an einer vereinfachten Zusammenfassung der Ergebnisse und Schlussfolgerungen versucht, soweit dass mit den uns zur Verfügung stehenden Informationen möglich ist. Eine genauere Diskussion der Maßnahmen im Paket "Aktiver Schallschutz" finden Sie in unserem Bericht zur der Ankündigung des Paktes in 2010.

Aus dem Maßnahmenpaket wurden 6 Maßnahmen getestet, die zum Teil nur für die "Mediationsnacht" vorgesehen waren und mit der Einführung des Nachtflugverbots ausgesetzt wurden. Die Anhebung des Gleitwinkels beim Anflug auf die Nordwestbahn soll ab Herbst 2012 getestet werden.

  1. Vertikale Optimierung von Abflugverfahren

    Durch eine Geschwindigkeitsbegrenzung soll errreicht werden, dass die Flugzeuge nach dem Start langsamer fliegen, dafür aber schneller steigen und Wohngebiete dadurch höher überflogen werden. Entlastung verspricht man sich bis zu einer Entfernung von 11 km vom Flughafen.

    Ergebnis: der erwartete Entlastungseffekt trat praktisch nicht ein. Grund: für die lauten mittleren und schweren Flugzeuge veränderte sich das Höhenprofil praktisch nicht, weil die ohnehin langsamer fliegen als die Geschwindigkeitsbegrenzung (sie können nicht schneller). Dies hatte etwa die BVF schon von Beginn an befürchtet. Auch eine bessere Einhaltung der Flugrouten konnte nicht festgestellt werden. Nun will man überlegen, ob man nicht auf andere Weise auf die Höhenprofile positiven Einfluss nehmen kann.

  2. Umrüstung der Triebwerke der B737-Flotte mit speziellen Schalldämpfern

    Die gesamte B373-Flotte der Lufthansa wurde bis Ende 2011 umgerüstet und Zertifiziert. Die Flugzeuge erfüllen nun die strengsten Grenzwerte bei der Lärmeinstufung, nach ICAO Kapitel 4. Rechnerisch sollte sich durch die Umrüstung eine deutliche Verbesserung ergeben. Genau quantifizierbar ist diese allerdings nicht, weil bei den Zertifizierungstests ein anderes Lärmmaß verwendet wird, was man nicht direkt in die üblichen dB(A) umrechnen kann.

    Ergebnis: bei Lärm-Messungen unter realen Bedingungen war die Streuung der Messwerte mit 11 dB(A) viel größer als die zu erwartende Lärmreduktion. Versucht man, nach den vielen möglichen Einflußgrößen (Wetter, Startgewicht, Flughöhe, etc. ) zu gruppieren, bleiben nicht mehr genug Fälle pro Gruppe übrig. Man will versuchen, weitere Untersuchungen durchzuführen. Fazit: ein durchschlagender Entlastungserfolg ist die Maßnahme wohl nicht. Schade, denn leisere Triebwerke sind eine der wenigen Maßnahmen, die für alle Beteiligten positiv wirken. Für die Lufthansa dürfte sich die Maßnahme aber wegen geringerer Landeentgelte durch die neue Lärmschutzklasse lohnen.

  3. Optimierung beim Betriebsrichtungswechsel

    Diese Maßnahme lässt sich kurz mit "weniger Ostbetrieb, mehr Westbetrieb" beschreiben. Dadurch werden die bei Ostbetrieb besonders niedrig überflogenen Städte im Westen des Flughafens entlastet. Die Maßnahme bewirkt eine Umverteilung des Lärms und ist deshalb durchaus umstritten. Zunächst wurden nur die Lotsen angewiesen, in Grenzfällen die zugelassenen 5 Knoten Rückenwind auch auszureizen, also nicht vorschnell auf Ostbetrieb umzuchalten. Eine Erhöhung der zulässigen Rückenwindkomponente auf 7 Knoten könnte rechnerisch 6-12 Tage weniger Ostbetrieb bringen, bedarf aber der Zulassung durch die ICAO (die noch nicht vorliegt).

    Ergebnis: praktisch keine Wirkung. Im Untersuchungszeitraum konnte der Anteil des Westbetriebs um sage und schreibe 9 Stunden gegenüber dem Mittelwert der letzten 10 Jahre erhöht werden. Ob das an der Maßnahme liegt oder schlicht am Wetter, kann man nicht sagen. Für eine verläßliche Aussage müsste man viele Jahre auswerten. Die Tabelle zeigt allerdings, dass die oft genannte Verteilung "75% Westbetrieb, 25% Ostbetrieb" so nicht stimmt. Es sind eher 72 % zu 28%, sowohl von der Zeit als auch von der Zahl der Flugbewegungen her. Ob die Erhöhung der Rückenwindkomponente auf 7 Knoten genehmigt und auch eingeführt wird, ist noch unklar.

  4. Gekrümmter Landeanflug ("Segmented RNAV Approach")

    Der gekrümmte Landeanflug ist die umstrittenste Maßnahme aus dem Paket. Durch den Anflug in einer Kurve und späteres Eindrehen auf die gerade Endanflugstrecke sollen große Städte wie Mainz, Offenbach oder Hanau umflogen und damit entlastet werden. Durch die Veränderung der Flugroute werden jedoch dann andere Städte (wie Rüsselsheim im Westen und Heusenstamm im Osten) vom Fluglärm neu oder stärker betroffen, was diese gar nicht gut finden (es gab sogar Klagen). Der gekrümmte Anflug sollte zunächst nur in der Nachtzeit zum Einsatz kommen und wurde von Februar 2011 bis zur Verkündung des Nachtflugverbots Ende Oktober 2011 getestet.

    Ergebnis: Sicher festgestellt wurde, dass im Mittel etwas mehr als 50% der Flugzeuge den segmentierten Anflug nutzten. Außerdem wird an den Radarspuren deutlich, dass die Anflüge (wegen der auch in der Kurve vorgeschriebenen Strecke) stärker auf eine Linie gebündelt werden als beim klassischen Anflugverfahren. Quantitative Aussagen zur Lärmentlastung oder -Belastung sucht man im Bericht dagegen vergebens. Statt des sonst beliebten Dauerschallpegels über ein halbes Jahr an Messpunkten an der alten und der neuen Flugstrecke findet man im Report nur Maximalpegelverteilungen vorher/nachher, teilweise noch normiert, für verschiedene Stellen (aber keineswegs alle interessanten). Daran sieht man, dass es an den teilweise umflogenen Messstellen etwas leiser geworden ist, dafür an neu überflogenen Stellen lauter - was nicht sonderlich überraschend ist.

    Fazit: der segmentierte Anflug funktioniert im Prinzip. Aussagen zur Lärmwirkung im Bericht sind nicht wirklich aussagekräftig. Auswirkungen auf neu betroffene Gebiete wurden nur sehr punktuell untersucht. Der "politische Wille" zur Umverteilung des Lärms ist aber da, deshalb soll das Verfahren weiter verfolgt, mehr verwendet und auch auf weitere Zeitabschnitte (erst Nachtrandstunden, später Tag) ausgedehnt werden.

  5. DROPS - wechselnde Bahnnutzung nachts

    Bei dieser Maßnahme sollen jede zweite Nacht alternative Bahnen zum Starten und entsprechend alternative Flugrouten genutzt werden. Damit sollen Lärmpausen geschaffen werden, auch wenn der Lärm insgesamt nicht geringer wird.

    Ergebnis: Man kann sehen, dass das Verfahren im Prinzip funktioniert wie erwartet (wenn auch im Untersuchungszeitraum eine genaue quantitative Vergleichbarkeit wegen unterschiedlicher Betriebsrichtungen oder Sperrung der Startbahn West nicht immer gegeben war). Der ideale Sollzustand (eine Nacht völlige Ruhe, die nächste mehr Lärm) wird aber meist nicht erreicht, die Entlastungen liegen eher bei 1-2 dB(A). Der Bericht geht im Detail auf verschiedene Messpunkte ein, ist aber für Nicht-Insider nur schwer zu lesen. Wer es versuchen will, sollte den zugehörigen Anhang heranziehen. Wegen des Nachtflugverbots entfällt DROPS für die Nacht, soll aber statt dessen zwischen 5 und 6 Uhr angewendet werden. Ein Nachtflugverbot in dieser Zeit wäre den Betroffenen aber sicherlich viel lieber.

  6. Optimierung des kontinuierlichen Sinkflugs (CDO)

    Die Nutzung des kontinuierliche Sinkflugs in der Mediationsnacht (schon seit einigen Jahren angewendet; die Beschreibung im Bericht ist verständlich) sollte durch bessere Kommunikation von Informationen zwischen Fluglotsen und Piloten (Übermittlung der Entfernungsinformation) erhöht werden.

    Ergebnis: Eine Erhöhung der Nutzung ist wohl nicht gelungen; sie liegt bei etwa 56% bei Betriebsrichtung West und 65% bei Betriebsrichtung Ost. Die Nutzung soll nun durch "systematische Änderungen" erhöht werden. Der kontinuierliche Sinkflug soll seit dem 31.05.2012 auch tagsüber eingesetzt werden, wenn möglich. Eine quantitative Auswertung oder auch subjektive Aussagen von Betroffenen, ob die Nutzung des CDO-Anflugs in der Nacht wirklich eine signifikante Lärmentlastung bringt, ist uns nicht bekannt und auch in diesem Bericht nicht enthalten.

Reaktionen

Allzu viele Reaktionen auf den Monitoring-Bericht in der Öffentlichkeit gab es nicht. Nur in der Offenbach-Post findet sich ein Artikel, der Hoffnung auf eine Entlastung von Offenbach durch den segmentierten Anflug macht. Interessant auch die Leserbriefe im Anschluss an den Artikel (vom Spam abgesehen): der Streit um die Verteilung des Fluglärms ist höchst aktuell.


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