Die BfU Eddersheim führt derzeit eine Kampagne mit dem Ziel, die Eröffnung der Landebahn am 21.10.2011 auszusetzen. Nach Recherchen der BFU und den Feststellungen des Gutachters Henning ist das System zur Vogelschlagvorwarnung ("MIVOTHERM") nicht in dem im Planfeststellungsbeschluss geforderten Umfang errichtet und getestet worden. Ausgelöst durch die Analyse des Ornithologen Henning vom 19.08.2011 haben die BfU-Vorstände Schuch und Wolf ein dringendes Ersuchen nach § 3 HUIG an das Regierungspräsidium Darmstadt gerichtet, die offenen Fragen zu klären. Bisher liegt keine Antwort des Regierungspräsidiums vor.
PRESSEMITTEILUNG BFU Eddersheim vom 13. September 2011
Landebahn-Nordwest: Grosses Federlesen um Mivotherm®
Regierungspräsidium Darmstadt schweigt zu BfU-Eilantrag
Die Eddersheimer BfU fordert die Genehmigungsbehörden dringend auf, noch vor Landebahneröffnung endlich den überfälligen Wirksamkeitsnachweis der vermeintlichen Vogelschlagvorwarnung MIVOTHERM® vorzulegen. Nach Informationen der BfU steht fünf Wochen vor der geplanten Inbetriebnahme auch beim Vogelschlag die Sicherheit des Flugbetriebs auf dem Spiel.
(Eddersheim) Die Eddersheimer Bürgerinitiative hatte Ende August einen 12Punkte-Fragenkatalog zur Funktionsfähigkeit von MIVOTHERM® an Regierungspräsident Johannes Baron übermittelt, und auf ihren gesetzlichen Anspruch der Offenlegung von Umweltdaten gepocht.
Aktueller Anlass war die jüngste Analyse, die der Fernwalder Diplom-Biologe Frank W. Henning der BfU zur Verfügung gestellt hatte. Der Ornithologe setzt sich sehr kritisch mit einer Zeiss-Erfindung auseinander, die im internationalen zivilen Luftverkehr bisher nicht getestet und nie eingesetzt wurde, aber in fünf Wochen "rund um die Uhr" das Leben von Passagieren, Besatzungen und Anwohnern schützen soll ! Das brisante Papier gipfelt in einem detailliert begründeten 12-Fragen-Katalog zu Mivotherm®. Der Vogelschlag-Gutachter, der schon 2009 für das Bündnis Zukunft-Rhein-Main vor dem Verwaltungsgericht Kassel auftrat, trifft damit auf einen der empfindlichsten Schwachpunkte dieses seit 11 Jahren von den Anwohnern erbittert bekämpften Ausbauprojektes.
Der Biologe wörtlich: "Jedoch ist wenige Wochen vor der geplanten in Betriebnahme der Landebahn Nordwest im Oktober 2011 der Nachweis der Funktionsfähigkeit dieses Systems zwingend erforderlich. Dieser Nachweis wurde bisher nicht erbracht…." (!)
Es gilt, so die Forderung des Gutachers Henning, "auf wissenschaftlicher Grundlage zu belegen, dass das System MIVOTHERM® zur Minimierung von Vogelschlägen im Kreuzungsbereich der Anfluglinie mit dem Main bei Main-km 14,4 in Betriebsrichtung 07 nicht nur in Form von Bauwerken existiert, sondern dass dieses System funktionsfähig und vor allem wirksam ist". Wie der Gutachter bei seinen jüngsten Besuchen hier am Main dokumentieren konnte, hat die Fraport AG bei der Wahl der Mivotherm® Standorte eine "vollständige Neukonzeption" vorgenommen, so Frank Henning. Die Gründe für diese gravierende Abweichung vom Planfeststellungsbeschluss hat die Fraport AG bislang nicht offengelegt!
Während Minister Posch noch am 13. Oktober 2010 in seiner Antwort auf eine Landtagsanfrage (Drucks. 18/2706) hoffte, die "praktischen Tests" des Systems MIVOTHERM® seitens der Fraport AG würden, so Posch "insbesondere im nächsten Frühjahr" durchgeführt, sind nach den Recherchen der BfU vor Ort nach achtmonatiger Bauzeit erst Ende August die entscheidenden Wärmebildkameras auf den drei Kameratürmen installiert worden. Nach bislang unbestätigten Berichten soll die Inbetriebnahme des Vorwarnsystems erst vor wenigen Tagen am 01. September erfolgt sein.
BfU-Sprecher Schuch wörtlich: "Dies bedeutet nach den Aussagen von Minister Posch bereits eine gravierende Verkürzung der Testphase und eine immense Überschreitung der ursprünglich geplanten Bauzeit!"
Die BfU stellt die Zuverlässigkeit des "Sicherheitssystems"“ Mivotherm® grundsätzlich in Frage. BfU-Vorstandsmitglied Wolf: "Das Regierungspräsidium Darmstadt als betriebliche Genehmigungsbehörde muss nun seiner Verantwortung für Menschenleben gerecht werden und die vorläufige Betriebserlaubnis der Landebahn-Nordwest in Frage stellen. Eine Politik des "Augen zu und durch" steuert sonst ihrem tragischen Höhepunkt entgegen. Ein gewollter 120-Meter Landeanflug mitten durch die Vogelbiotope des Untermains ist weder den Airlines, den Piloten, den Passagieren, noch den Anwohnern am Boden zu vermitteln. Es ist ein technokratisches Hirngespinst, glauben zu wollen, die Menschen mit unausgegorener Hard- und Software rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr vor dem leider absehbaren Desaster schützen zu können."
Bedauerlicherweise hüllt sich der Regierungspräsident in Schweigen. Die von der BfU gesetzte Frist ist seit dem vergangenen Freitag abgelaufen. Mittlerweile hat sich auch die Grüne Fraktion/Bündnis90 eingeschaltet und den fehlenden Wirksamkeitsnachweis von Mivotherm® zum Gegenstand einer erneuten Initiative im hessischen Landtag gemacht (Druckstück 18/4417).
Die BfU erinnert in diesem Zusammenhang an die listigen Worte des Kasseler Verwaltungsrichters Dr. Zysk, dem MIVOTHERM® offenbar nur als Feigenblatt diente, um die hohe Vogelschlaggefahr an der Landebahn Nordwest, so Zysk, "auf ein gesellschaftlich akzeptiertes Maß zu reduzieren" (!) (VGH-Urteil vom 21.08.2009). Es zeigt sich einmal mehr, dass der gesamte Flughafenausbau das Produkt gewissenloser Entscheidungen furchtbarer Juristen ist. Die Antwort auf die Frage, wie viele tote Passagiere er denn trotz Mivotherm® für gesellschaftlich "akzeptabel" hält, wird Richter i. R. Zysk für immer schuldig bleiben.
In der öffentlichen Diskussion ist weitgehend untergegangen, dass auch das DEA-Tanklager Raunheim im kritischen Landebereich vogelschlagbedingter Flugunfälle liegt. Auch hier gibt sich Richter Zysk sehr gelassen und mutmaßt die Aufschlagszone vogelschlagbeschädigter Jets ausserhalb des DEA-Geländes.
Die Erbsünde der Landebahn-Nordwest ist seit nunmehr 11 Jahren der völlig ungeeignete und nicht raumverträgliche Standort.
Heinz Schuch, Frank Wolf
BÜRGERINITIATIVE für Umweltschutz 1975 e.V.
Weitere Unterlagen:
Vogelschlag-Gefahr Regierungspräsidium Darmstadt
Siehr: "Falsche Schlussfolgerungen"