Um die Ultrafeinstaubbelastung rund um den Frankfurter Flughafen zu verringern, fordern die hessische Umweltministerin Priska Hinz und Wirtschafts- und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir konkrete Minderungsmaßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität. „Die aktuellen Auswertungen des Hessischen Landesamts für Umwelt, Naturschutz und Geologie bestätigen, dass der Flughafen neben anderen Verursachern, wie beispielweise dem Straßenverkehr, eine erhebliche Quelle von Ultrafeinstaub ist“, sagten die Minister am Dienstag in Wiesbaden. „Auch wenn wir über die genaue Wirkung von Ultrafeinstaub aktuell noch nicht genug wissen und es auf EU-Ebene bisher keine Grenzwerte wie für andere Luftschadstoffe gibt, sollten trotzdem alle vernünftigen Maßnahmen ergriffen werden, um solche Emissionen zu vermeiden. Das ist schon aus Vorsorgegründen angebracht.“
Erhebliche Mengen an Ultrafeinstaubpartikeln
Al-Wazir: „Die Flugzeugtriebwerke stoßen bei der Abfertigung, beim Starten, Landen und Rollen erhebliche Mengen an Ultrafeinstaubpartikeln (UFP) aus.“ Diese extrem kleinen Partikel entstehen bei allen Verbrennungsprozessen, so auch bei der Verbrennung von Kerosin wobei ein hoher Schwefelgehalt zu einer deutlichen Zunahme von UFP und anderen Schadstoffen führt. „Bislang gelten bei Kerosin Grenzwerte für den Schwefelgehalt, die um ein Vielfaches über den Grenzwerten für Autos, Bahnen und Schiffen liegen. Das muss sich ändern.“
Die EU-Grenzwerte bzw. geltenden Normen für Schwefel in Kraftstoffen variieren derzeit enorm.
PKW | Diesel / Benzin | 0,01 g / kg Kraftstoff |
Bahn | Diesel | 0,01 g / kg Kraftstoff |
Schiff | Binnenschifffahrt | 0,01 g / kg Kraftstoff |
Flugzeug | Kerosin | 3 g / kg Kraftstoff |
„Es ist nicht einleuchtend, warum beispielsweise für die Binnenschifffahrt deutlich strengere Grenzwerte gelten als für Flugzeuge, zumal bei Flugzeugtriebwerken keine nachträgliche Abgasreinigung möglich ist“, so Hinz. „Wir können bei Flugzeugen eben keine Filter an den Triebwerken einbauen. Eine schnell wirkende Möglichkeit, den Schadstoffausstoß zu reduzieren, ist deshalb die Reduzierung des Schwefelanteils am Kerosin. Dazu brauchen wir klare europaweite Vorgaben.“
Strengere Grenzwerte und Forschung
Neben den strengeren Grenzwerten für den Schwefelanteil im Kerosin soll zudem in Hessen an der weiteren Entwicklung und Herstellung synthetischer, mit Strom aus erneuerbaren Energien hergestellte Kraftstoffe, dem sogenannten Power to Liquid-Verfahren (PtL), geforscht werden. Diese synthetischen Kraftstoffe enthalten – anders als fossile Brennstoffe - keine Schwefelanteile oder sonstige Verunreinigungen und sind nahezu klimaneutral. Daher baut das Wirtschafts- und Verkehrsministerium aktuell das Kompetenzzentrum für Klima- und Lärmschutz im Luftverkehr auf. Dort soll unter anderem das Ziel weiterverfolgt werden, hierzu eine Pilotanlage in Hessen und weitere Schritte zur Herstellung und Nutzung von PtL zu entwickeln.
„Während die Elektromobilität bei Autos schrittweise den Verbrennungsmotor ablösen wird, sind ähnliche Entwicklungen im internationalen Luftverkehr bislang nicht absehbar“, so Al-Wazir. „Synthetische Kraftstoffe sind also nicht nur aus Gründen des Klimaschutzes, sondern insgesamt zur Reduktion von Emissionen ein Schlüsselthema. Das geht nur mit einer „Kraftstoffwende“ im Luftverkehr.“
Neben Änderungen bei der Zusammensetzung des eingesetzten Kraftstoffes zur Verringerung von UFP forderten die Minister, Verbrennungsprozesse auf dem Flughafengelände so weit wie möglich zu vermeiden. Das betrifft Flugzeuge und Hilfsfahrzeuge. „Wir brauchen mehr elektrobetriebene Fahrzeuge auf dem Vorfeld. Und wir müssen erreichen, dass Flugzeuge an den Terminalgebäuden beispielsweise klimatisierte Luft für die Flugzeugkabinen bereitgestellt bekommen, damit sie dafür nicht extra die Hilfsturbinen anwerfen müssen“, so Hinz. „An dem Thema UFP zeigt sich zudem, dass aus Umwelt, Lärmschutz- und Klimagründen zumindest bei Kurzstrecken auf umweltfreundlichere Verkehrsträger als den Luftverkehr gesetzt werden muss.“
Schwefel und UItrafeinstaubpartikel
UFP in Flughafennähe könnten durch die Reduzierung des Schwefelgehalts des eingesetzten Kerosins teilweise vermieden werden. Denn bei der Verbrennung von Kerosin entstehen neben Kohlendioxid und Wasserdampf auch Luftschadstoffe wie Stickoxide, Feinstaub und eben auch Schwefeldioxid, ein Vorläufergas für die Bildung von Ultrafeinstaubpartikeln (UFP).
Auf EU-Ebene wurde in den vergangenen Jahrzehnten bei Schiene, Straße und Schifffahrt teils eine deutliche Reduzierung des Schwefelanteils vorgeschrieben, jedoch nicht beim Flugverkehr. Der tatsächliche Schwefelgehalt des Kerosins schwankt je nach Herkunft. Er liegt zwar in aller Regel deutlich unterhalb der zulässigen Grenzwerte (Durchschnitt in FRA 2018 0,5 g/kg, erlaubt wäre 3 g/kg), aber auch sehr deutlich oberhalb der in der Binnenschifffahrt oder im Straßenverkehr einzuhaltenden Werte (0,01 g/kg).
Die Forderung der Minister nach Minderungsmaßnahmen ist eine Konsequenz auf die neuesten Messergebnisse der Hessischen Landesamts für Naturschutz Umwelt und Geologie (HLNUG) zum Einfluss des Frankfurter Flughafens auf die Ultrafeinstaubbelastung im Umfeld. Der jetzt veröffentlichte zweite Zwischenbericht hat die Ergebnisse der ersten Messreihe weitgehend bestätigt und weitere Erkenntnisse geliefert,
Die wichtigsten Ergebnisse der bisherigen Messungen sind
Der Betrieb auf dem Flughafengelände stellt eine bedeutende Quelle für die UFP-Belastung im Umfeld dar.
An allen Messstandorten treten bei Wind aus Richtung Flughafen signifikant erhöhte UFP-Konzentrationen auf. Sobald der Wind nur geringfügig aus dem Sektor Flughafen wegdreht, sinkt die Konzentration auf einen Bruchteil.
An allen Standorten tritt bei Wind aus Richtung Flughafen ein markanter Tagesgang der Partikelkonzentration auf, dessen Verlauf den Betriebszeiten des Flughafens ähnelt.
Die gemessene UFP-Gesamtkonzentration in Raunheim ist bspw. vergleichbar mit der UFP-Gesamtkonzentration an verkehrsreichen Straßen in Dresden und Leipzig, wo in der Vergangenheit ebenfalls Messungen durchgeführt wurden.
Neben dem Flughafengelände haben auch Überflüge (Landungen) in sehr geringer Höhe einen Einfluss auf die UFP-Konzentration. Diese sind aber nicht direkt unterhalb der Anfluglinien messbar und deutlich geringer, als die Belastungen, die vom Flughafengelände selbst ausgehen.
Der gesamte Bericht ist hier abrufbar.
Um näheres über die Quellen von Ultrafeinstaub herauszufinden, wurde außerdem ein UFP-Messgerät in unmittelbarer Nähe zum Flughafengelände direkt neben der Autobahn A3 betrieben. Die Messungen haben ergeben, dass der Beitrag an ultrafeinen Partikeln durch die Autobahn A3 im Vergleich zum Beitrag vom Flughafengelände nur sehr gering ist.
Weitere Untersuchungen nötig
„Inwiefern auch Abflüge die bodennahe UFP-Konzentration beeinflussen, kann mit den bisherigen Messungen nicht geklärt werden, dieser Frage werden wir jedoch weiter nachgehen. Unser Ziel ist es, die Messungen rund um den Frankfurter Flughafen soweit auszubauen, dass wir mittelfristig eine valide Datenbasis zur Beurteilung der UFP-Immissionsbelastung bekommen“, sagte Prof. Dr. Thomas Schmid, Präsident des HLNUG. Das HLNUG wird die Messungen ultrafeiner Partikel fortsetzen und auch erweitern. Dazu sind bereits neue Standorte in Frankfurt-Niedwald, Frankfurt-Oberrad und Frankfurt-Flughafen-Ost eingerichtet worden. Eine weitere Messstelle soll in Kürze am Standort Raunheim-Mönchhof in Betrieb gehen. Es soll damit untersucht werden, bis zu welcher Entfernung vom Flughafen sich der Einfluss des Flugbetriebs in den UFP-Konzentrationen am Boden widerspiegelt. Außerdem soll der Beitrag durch An- und Abflüge besser quantifiziert werden.
Datenbasis
Das Hessische Landesamt für Naturschutz Umwelt und Geologie (HLNUG) hat 2015 mit der Untersuchung von UFP begonnen und seitdem seine Messaktivitäten kontinuierlich ausgebaut. Nach anfänglichen Messungen an der Luftmessstation Raunheim, wurden seit 2017 an inzwischen insgesamt vier Standorten Untersuchungen zu ultrafeinen Partikel durchgeführt: Neben Raunheim, in Frankfurt-Schwanheim, in Frankfurt-Sachsenhausen sowie in unmittelbarer Nähe zum Flughafengelände direkt neben der Autobahn A3. Ebenfalls gemessen wird seit diesem Jahr in Frankfurt-Oberrad, Frankfurt-Niedwald und Frankfurt-Flughafen-Ost, die Messungen dort sind noch nicht Teil des aktuellen Berichts.
Partikel im Größenbereich unter 100 Nanometern werden als „ultrafein“ bezeichnet. Beispiele für UFP-Quellen außer dem Flugverkehr sind der Straßenverkehr, Kraft- und Fernheizwerke, Abfallverbrennungsanlagen, Landwirtschaft sowie natürliche Quellen.
„Wir wissen derzeit noch relativ wenig darüber, ob und wenn ja wie schädlich Ultrafeinstaubpartikel für den Menschen tatsächlich sind“, so die Minister. „Mit unseren Messungen schaffen wir die Grundlage dafür, damit entsprechende medizinische Untersuchungen durchgeführt und langfristig dann auch Grenzwerte eingeführt werden können. Dass Ultrafeinstaubpartikel aber sicher nicht gesund sind, können wir heute schon mit ziemlicher Sicherheit sagen.“
Außerdem haben CDU und Grüne im Koalitionsvertrag vereinbart, eine Wirkungsstudie zu UFP analog zur Verkehrslärmstudie NORAH zu fördern. Zur weiteren fachlichen Vorbereitung einer solchen Studie findet am 22./23.8.19 eine Expertenanhörung in Frankfurt statt. Sie wird gemeinsam vom Forum Flughafen und Region, der Arbeitsgemeinschaft deutscher Fluglärmkommissionen (ADF) sowie dem HLNUG durchgeführt, da neben dem Land sowohl Vertreter der betroffenen Kommunen als auch die Verkehrswirtschaft in die Identifikation der relevanten Fragestellungen und Methodenwahl eingebunden werden sollen. Unter Nutzung der Ergebnisse der Anhörung soll dann ein Studiendesign entwickelt und die Studie beauftragt werden.
Ultrafeinstaubpartikel
Jeden Tag sind wir einer Vielzahl von Feinstaub- und Ultrafeinstaubquellen ausgesetzt. Das Abgas von Autos und LKW, aufgewirbelter Abrieb an befahrenen Straßen, aber auch manche Heizung in Wohnräumen oder landwirtschaftliche Betriebe stoßen Feinstaub und häufig auch Ultrafeinstaub aus.
Während Feinstäube und ihre Wirkungen mittlerweile relativ gut erforscht und ihr Ausstoß gesetzlich begrenzt ist, liegen zum Einfluss von Ultrafeinstäuben, also besonders kleinen Partikeln, bislang nur relativ wenig konkrete Erkenntnisse vor. Dies gilt für den Straßenverkehr, Flughäfen aber auch andere Ultrafeinstaubquellen gleichermaßen. Bislang fehlte es häufig schon an spezifischen Langzeitmessungen – auch weil es bundes- und europaweit keine entsprechenden Vorgaben oder Verpflichtungen gibt.
Welche konkreten Auswirkungen und möglicherweise auch gesundheitliche Folgen Ultrafeinstaubpartikel (UFP) auf den menschlichen Körper haben, ist bislang noch nicht hinreichend wissenschaftlich erforscht. Bislang gibt es dazu ausschließlich Laboruntersuchungen. Diese toxikologischen Studien weisen auf eine hohe Lungengängigkeit der ultrafeinen Partikel hin.
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Quelle dieser Pressemitteilung: Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen
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